Radiumbad Oberschlema im sächsischen Erzgebirge.

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 35 – Sonntag, den 26. August 1928, S. 1 – 2

Oberschlema im schönen, waldumrauschten Erzgebirge zählt 2400 Einwohner und liegt in einem Seitental der Zwickauer Mulde 365 M. ü. d. M. Es wird nach allen Seiten von bewaldeten Höhen überragt. Das Klima zeichnet sich aus durch kräftige, ozonhaltige Luft. Keine lärmende Industrie. Erhöhte Fußwege, Kanalisation, Straßenbeleuchtung, alle Faktoren erstreben Sauberkeit und Ausgestaltung des Ortes zu angenehmem Aufenthalt. Unmittelbar am Ort beginnen meilenweite Nadel- und Buchenwaldungen, die sich nach Süden über den Erzgebirgskamm bis nach Böhmen hinein erstrecken, einladend zu herrlichen, stählenden Spaziergängen und Wanderungen. Das Kurhaus enthält keine Wohnungen. Solche sind erhältlich in Fremdenhöfen, Fremdenheimen usw., auch für bescheidenste Ansprüche – und bequem zu erreichen (das Kurhaus liegt in Ortsmitte). Wohnungsnachweis findet durch die Badeverwaltung im Kurhaus statt. Oberschlema ist das jüngste Heilbad Deutschlands. Erfolg und Aufstreben verdankt es seinen heilkräftigen Wässern aus dem dunklen Schoß der Mutter Erde. Tausende schon haben daraus Gesundung geschöpft und damit Schaffenskraft und Lebensfreude. Sie künden es dankend anderen und verbreiten so den guten Ruf Oberschlemas. Üppiges Badeleben wird man hier vergebens suchen; aber „die holde Kunst” Musik, gute Vorträge und Lesestoff, ein ideal gelegenes Naturtheater usw. geben dem Geist und Gemüt, was ihnen heilsam ist; und auch die schöne Umgebung wird jedermann erkennen als Quelle von Kraft und Freude. Oberschlema soll Heilbad bleiben, gediegen, behaglich, ein rechter Gesundbrunnen!

Kurhaus mit Gleesberg im Hintergrund.

Welche Leiden heilt Oberschlema? Namentlich die, welche verursacht sind durch Trägheit des Harnsäure-Abbaues. Die Heilmittel reizen und regen hervorragend an beim Darniederliegen des Stoffwechsels. Daher die oft verblüffenden Erfolge in selbst hartnäckigen Fällen rheumatischer Erkrankungen der Gelenke und Muskeln, bei Nervenschmerzen und -schwächen, Gicht, Ischias, Gefäßerkrankungen (Arterienverkalkung, Blutdrucksteigerung, Herzmuskelstörungen, Venenentzündungen, Blutarmut und Schwächezuständen, Skrofulose, Fettsucht). Geheilt werden ferner organische (nicht übertragbare) Hauterkrankungen. Gute Erfolge hat man auch erzielt bei Alterserscheinungen, klimakterischen Beschwerden und allen nervösen Erschöpfungszuständen, bei Zuckerkrankheit, sowie Folgen von Schlaganfällen, Verletzungen und Entzündungen der Knochen und Weichteile. Bei rheumatischen bzw. arteriosklerotischen Affektionen des Auges wurde sogar die Sehkraft günstig beeinflußt. –

Garten mit Hammerberg im Hintergrund.

Die Heilmittel sind stark radioaktive Wässer für Bade- und Trinkkuren in einer Ergiebigkeit und Stärke wie in keinem anderen Bade der Welt. Die 1908 entdeckten Quellen sind in über 100 bis 200 Meter Tiefe unter Tage erbohrt. Der Emanationsgehalt wird laufend gemessen durch das Oberbergamt Freiberg; ein Liter Trinkwasser z. B. Enthält rund 2900 Macheeinheiten. Daß die Höhe der Stärke im Heilprozeß ausschlaggebend ist, beweisen die hier festgestellten Reaktionen nach starken und schwächeren Bädern. Wir verwenden ausschließlich radioaktive Wässer ohne jeden Zusatz. Ein weiteres Heilmittel sind Inhalierkuren mit emanationshaltiger Luft. Die Kuren werden mit Erfolg vorbereitet und ergänzt durch Haustrinkkuren. Die Einrichtungen: Die Heilmittel werden verabfolgt im badetechnisch vorbildlichen Kurhaus. Es wurde 1918 eröffnet mit 29 Wannen, 1927 erweitert auf 40 Wannen und 1927/28 dermaßen vergrößert, daß nun über 100 Wannen verfügbar sind und innerhalb normaler Tagesstunden täglich 1000 Personen baden können. Die Badezelle wird in der Regel auf 1 Stunde überlassen. In Zeiten minderen Andranges (Winterhalbjahr) ist Gelegenheit zu ausgedehnter Ruhezeit nach dem Bad in der Zelle. Das Trinkwasser wird in Flaschen abgegeben (am selben Tage gefüllt). Für die Einatmungskuren besteht ein großes Gesellschafts-Inhalatorium. Der Betrieb ist ganzjährig, lediglich um die Jahreswende wird etwa zwei Wochen pausiert. Die Heilmittel wirken in jeder Jahreszeit gleich gut. (Im Winterhalbjahr ganz geringe Kurabgabe und niedrigere Pensionspreise.) In leichtesten Fällen kann eine Kur schon in zwei Wochen Erfolg haben. Verlängerung ist aber zu empfehlen, wenn es gilt, ältere und schlimmere Leiden zu brechen, zumal Rasttage ratsam sind, denn die Bäder strengen an. Sehr heilsam ist eine kurze Nachkur in einem hochgelegenen Ort unserer waldreichen Umgebung; die Kurverwaltung weist solche gern nach. –

Pinkes, Blick nach dem Gleesberg.

Ärzte usw.: Die Verwaltung besteht darauf, daß jeder Gast sich vor Beginn der Badekur einem der Badeärzte anvertraut, die auf Grund ihrer Erfahrungen hinsichtlich der Wirkung der Heilmittel bei der doch ganz verschiedenen Beschaffenheit des menschlichen Organismus individuelle Anweisungen geben. Damit soll etwaigen Schädigungen durch falsche Anwendung der Kurmittel vorgebeugt werden. Gegenwärtig sind hier tätig (Reihenfolge nach dem Zeitpunkt der Niederlassung): Dr. Raschig, Dr. Kober, Dr. Wanke, Dr. Enders, Frl. Dr. Meißner, Dr. Steinke, Dr. Weiß, Dr. Wichmann, Dr. Weise, Dr. Mylius. Ferner befinden sich hier Massierer, eine Gymnastin (schwedische Gymnastik) und ein Dentist (H. Prohl). – Reisewege: Oberschlema ist Station der Linie Niederschlema – Schneeberg. Nächstgelegene Linien: Werdau – (Zwickau – Niederschlema – Aue) – Annaberg und Chemnitz – Aue – Adorf. – Oberschlema ist „über Nacht” bekannt geworden. Noch vor wenigen Jahren hat man das bescheidene Erzgebirgsdorf in weiterem Kreise kaum genannt. Im Jahre 1918 wurde sein Radiumbad eröffnet und von 402 Kranken besucht. 1924 fanden sich 1900 Heilsuchende ein, 1925 deren 3000, 1926 4100 und 1927 6600! Von quälenden Leiden Befreite sprechen in ihrem Glücksgefühl vom Wunderbad, einem Jungbrunnen! Autoritäten nennen es oft das Heilbad. – Glückauf! Denn zu weiterem Blühen und Gedeihen des Radiumbades Oberschlema!