Von Dr. M—r.
Im Jahre 1746 gab Adam Daniel Richter, Rektor in Annaberg, seine „Umständliche aus zuverläßigen Nachrichten zusammengetragene Chronika der im Meißnischen Ober-Ertz-Gebürge gelegene Königl. Churfl. Sächßischen freyen Berg-Stadt St. Annaberg nebst beygefügten Urkunden, Erster Theil“, heraus. Der „Zweyte Theil“ folgte im Jahre 1748. Diese Chronik ist für denjenigen, der die Geschichte Annabergs gründlich durchforschen will, unersetzlich. Sie ist äußerst gewissenhaft geschrieben und bietet in anschaulichem, lebendigem Stil eine Fülle höchst wertvollen Stoffes. Die Chronik beschränkt sich jedoch nicht allein auf Annaberg, sondern zieht auch andere Orte in den Kreis ihrer Untersuchung und Betrachtung, wenn dies zur Aufhellung der Geschichte Annabergs dient. So gibt er im Kapitel I des zweiten Teiles: „Von der Annabergischen Superintendentur“, deren Bereich es hier schildert, eine kurze Beschreibung der Stadt Schlettau. Die Ephorie Annaberg war damals „in 2 Circkel, in den Buchholtzer und Marienberger, getheilet“. Zu dem „Buchholtzer Circul“ gehörte neben Buchholz, Sehma, Cranzahl, Bärenstein, Markersbach, Raschau, Grünstädtel, Grünhain, Johanngeorgenstadt, Schwarzenberg und vielen anderen Ortschaften auch die Stadt Schlettau. Sie wird von Richter als ein „sehr altes Berg-Städtgen“ bezeichnet. Bereits in einem Briefe Kaiser Karls IV. aus dem Jahre 1367, „dat. in Stollberg“, werde Schlettau „eine Stadt genennet, laut folgender Worte: Schletta oppidum infra fines Bejemiae regni consistit at a nobis tanguam a Rege Boemiae dependet in feudum“, auf deutsch etwa: Die Stadt Schlettau liegt unterhalb der Grenzen des Königreichs Böhmen und geht bei uns als dem Könige von Böhmen zu Lehn.
Ferner weist Richter darauf hin, daß Schlettau „Slavonicae originis“ (slavischen Ursprungs) sein solle. Ihr Name soll „auf Teutsch soviel als Gold“ bedeuten. Er betont sodann nochmals, daß Schlettau ein „uhraltes Berg-Städtchen sey“. Weiter erfahren wir, daß „ehemals ein Amt zu Schlettau war. Dahin gehörte zu Caroli (Karls) IV. Römischen Kaysers und Königs in Böhmen Zeiten Walthersdorff, Cranzahl, Sehma, Cunradsdorff (Cunersdorf) und Königswalde, welches jetzo zum Amte Grünhayn geschlagen worden. Allhier ist ein Königlich Jagd-Hauß nebst einem Vorwerk, darauff ehemals ein Amtmann des Herrn von Schönburg zu Hassenstein gewohnet, ist aber nach des Abts Zeit eine Wohnung des Churfürstl. Ober-Forstmeisters im Ober-Ertzgebürgischen Creyß (Kreis) worden. Schlettau hat also erst denen von Schönburg zu Hassenstein in Böhmen, darnach der Abtey Grünhayn gehöret, von da es hernach auf den Churfürst von Sachsen Ernestinischer und nachdem auf die Albertinische Linie gekommen.“
Richter zitiert auch eine Stelle aus einer lateinisch geschriebenen Chronik („Chron. Misn. op. Menck. Tom. JH. p. 59“), die auf Schlettau während des Hussiteneinfalls im 15. Jahrhundert Bezug nimmt und folgendermaßen lautet: „Anno 1452 Bohemi haeretici spoliaverunt oppidum Sleta, sed Fridericus Dux Saxonia eosdem expugnavit et vi obtinuit ecclesiam et castrum, et quasi ducentos Bohemos captivos cepi“. Auf Deutsch würde dies etwa heißen: Im Jahre 1452 haben die ketzerischen Böhmen die Stadt Schlettau geplündert. Der sächsische Kurfürst Friedrich hat sie jedoch vertrieben, mit Gewalt von der Kirche und dem Schlosse Besitz ergriffen und etwa 200 Böhmen zu Gefangenen gemacht.
Sein Hauptaugenmerk richtet unser Chronist aber auf die kirchlichen Verhältnisse. Die Schlettauer Kirche sei eine „uhralte Mater (Mutter), von der anno (im Jahre) 1566 Cranzahl und anno 1666 Sehma separiret (abgetrennt worden sei), dahin auch endlich, nemlich nach Sehma, anno 1673 der letzten Diaconus in Schlettau tranlociret (versetzt) worden. Vor der Reformation war der Abt in Grünhayn Patronus (Schutzherr) dieser Kirchen, den Rector aber vocirt (beruft) der Rath mit Vorwissen des Pastoris (Pfarrers). Jetzo gehöret nur noch in die Kirche Walthersdorff und ein Vorwerk, so (das) vor Alters besage (auf Grund) der alten Archive in Schlettau der Churfürstl. Ochsen-Stall genennet worden, so (das) aber jetzo der Mühlen-Amts-Verwalter Rubner besitzet.“
(Fortsetzung folgt.)
Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 22 – Sonntag, den 27. Mai 1928, S. 2