Von den Kirchen Elterleins.

Wann die erste Kirche Elterleins erbaut worden ist, ist unbekannt. Der Grund zu dem jetzigen Gotteshause und zu dem alten im Jahre 1886 abgebrochenen Turme wurde nach dem großen Brande des Jahres 1481 gelegt. Es war zu jener Zeit, wo ganz Elterlein eingeäschert wurde und auch die alte Kirche niedergebrannt war. Der umstehend abgebildete Turm stand auf der Nordostseite der Kirche, war ungefähr 47 Meter hoch und bestand aus einem 14 Meter hohen viereckigen Unterbau, einem 8 Meter hohen achteckigen Oberbau und aus einem sogenannten Zwiebelkuppeldach, dessen Ober- und Unterbau zusammen Souterrain und 5 Stockwerke enthielt, wovon der oberste als Glockenboden benutzt wurde. Eine bekannte erzgebirgische Spezialität des alten Turmes war die herrliche Aussicht, die er von dem obenangebrachten Altan aus dem Auge des Beschauers darbot, aber auch sein schiefer Stand, der jedenfalls darauf zurückzuführen war, daß die vier nicht auf den Umfassungen des Unterbaues stehenden Seiten des achteckigen Oberbaues nur auf ungefähr 12 Zentimeter starken Hölzern fundiert waren, welche auf dem Umfassungsmauerwerk nur wenig auflagen, auf der Westseite ganz von demselben abgerutscht waren, während das daraufruhende Mauerwerk nachgefolgt war. Die Kirche und der Turm haben seit der Zeit ihres Bestehens vieles an sich erfahren und hsben durch Stürme, Brände, Blitzschläge und Wetterschäden außen und innen viel zu leiden gehabt. Der am 18. Dezember 1612 in ganz Deutschland wütende heftige Sturm hob den auf das Mauerwerk aufgesetzten oberen Teil des Turmes ab und warf ihn nach dem Hüttenhof, so daß der ganze Kirchberg ein Holzsplitter- und Schieferfeld darstellte. Aus einer auf die Kirchhofsmauer aufgefallenen Glocke war ein Stück ausgebrochen. Am 15. April 1662 und am 1. Mai 1676 brannten Kirche und Turm bis auf die Umfassungsmauern aus. Nach dem Brande von 1676 konnte die Gemeinde wegen der Armut nicht gleich an einen Wiederaufbau denken. Bei dem letzten Brande konnte die erst wenige Jahre vorher (1668) von Matthias Tretzscher in Culmbach erbaute Orgel, wenn auch beschädigt, gerettet werden Tretzscher war ein Exulant aus Joachimsthal und einer der berühmtesten Orgelbauer seiner Zeit. Er hat damals das bedeutendste Orgelwerk im Straßburger Münster auf das herrlichste repariert, eine Arbeit, die kein anderer hatte übernehmen wollen. Sie wurde von Severin Holbeck, Orgelbauer in Zwickau, wieder hergerichtet und 1691 in der noch nicht völlig ausgebauten Kirche wieder aufgestellt. Der ebenfalls nach dem schrecklichen Brand 1662 mit schönen Schnitzereien versehene und von dem damaligen vornehmen Bürger und Handelsherrn Georg Tauscher geschenkte Altar konnte, von dem Flammenmeer wenig beschädigt, gerettet werden. Erst in den Jahren 1745-1748 erfolgte die erste größere Erweiterung und Verschönerung des Gotteshauses und eine größere Reparatur am Turme. Am 14. Juni 1797 und am 18. April 1798 wurde jedoch die Festigkeit des Turmes durch Blitzschläge stark erschüttert und arg beschädigt, so daß der völlige Einsturz befürchtet wurde. Betreffs der Blitzschläge berichtet die Geschichte folgendes: Das in unserer jetzigen Kirche an der Empore rechts der Kanzel hängende Kruzifix sei, nachdem das Ratschor in den Jahren 1745-1748 erbaut worden war, hinter der damaligen Kanzel aufgestellt worden, so daß es niemand mehr sehen konnte. Elf Jahre hintereinander habe darauf der Blitz in den Turm eingeschlagen, das letzte Mal am 18. April 1798 nach 2 Uhr nachmittags, als Pastor Schreiter vor dem Altar gestanden hat. Es erfolgten zwei fürchterliche Donnerschläge. Beim zweiten traf der Blitz die Spindel und den Knopf des Kirchturmes, daß die Funken herumsprangen, ohne aber zu zünden. Der Blitzstrahl hatte außer einer starken Beschädigung des Turmes auch im Innern der Kirche Schaden angerichtet. Die Bildsäule der Hoffnung, worauf die Kanzel ruht, und die Orgel, die damals über dem Altar sich befand, wurden beschädigt. Eine Viertelstunde vorher war eine Parentation (Beisetzung) in der Kirche beendigt worden. Wäre statt der Parentation eine Leichenpredigt zu halten gewesen, so wäre dieser Schlag während der Predigt erfolgt und hätte das Trauergefolge verhängnisvoll werden können. Der elende Krüppel Moser habe sich daraufhin von seinem Sohne nach Dresden fahren lassen, um bei der hohen Behörde auszuwirken, daß das Kruzifix wieder an seinen früheren Ort käme, was auch erfolgt ist.

Der alte Kirchturm von Elterlein.

Eine neue Renovation des Turmes und der Kirche erfolgte in den Jahren 1798 und 1799. Am 10. Mai 1807 wurde der Turm abermals von einem Blitzstrahl getroffen und beschädigt, so daß sich wiederum eine Ausbesserung nötig erwies. Es war am Sonntag Exaudi während der Betstunde. ein Gewitter hatte sich zusammengezogen. Der Pfarrer Schreiter war eben aus der Sakristei gegangen und bis zur Altarstufe gekommen, um den Segen zu sprechen, da geschah ein fürchterlicher Schlag, der in dem Turm fuhr, jedoch ohne zu zünden, dann fuhr er am Turme herunter an der Kanzel vorbei und schleuderte eine große Leiste an den Altar hin, die Anwesenden aber eilten unter Geschrei und Schrecken aus der Kirche.

Es war daher kein Wunder, wenn der Turm infolge der vielen Unfälle und der häufigen Ausbesserungen einen schiefen Stand und sich immer mehr erweiternde Risse bekam. Dies erregte ernste Bedenken und erfolgte auf Anordnung der Kreisdirektion Zwickau 1862 eine Reparatur. Die Reparatur ist jedenfalls nicht mit der nötigen Gründlichkeit vorgenommen worden, da sich die alten Schäden in besonders gefahrdrohender Weise im Jahre 1886 von neuem zeigten. Nach einer eingehenden Besichtigung und Untersuchung des Turmes von seiten der Brandversicherungsinspektion zu Annaberg wurde, um die Gemeinde vor einem kostspieligen Neubau zu bewahren, im Herbst 1886 und Frühjahr 1887 eine starke Verankerung des Mauerwerks vorgenommen. Dies erwies sich aber völlig nutzlos und drohte der Einsturz der Turmhaube. Im Juli 1887 wurde vom Kirchenvorstand im Einvernehmen mit der Kircheninspektion die Abtragung des Turmes beschlossen und auch sofort vollzogen. Gefühle unsagbarer Wehmut mußten jeden erfüllen beim Anblicke der Überreste, die noch vorhanden waren von dem alten, einst so stattlichen Turme mit seiner Auge und Herz entzückenden Rundschau, dessen vierhundertjährige Geschichte mit den wechselreichen Geschicken des Städtchens Elterlein aufs engste verknüpft war.

Der rege Wunsch um baldige Errichtung eines neuen Turmes konnte sich nicht so schnell verwirklichen lassen, als man es hoffte. Die Ausführung verzögerte sich, weil die vorgelegten Pläne und Abänderungen nicht befriedigten. Die Turmbausache verzog sich bis Mitte des Jahres 1889. In der Kirchenvorstandssitzung vom 25. Juli wurde die Ausführung einstimmig dem als tüchtigen Bauherrn bekannten Baumeister emil Nerge in Schwarzenberg übertragen. Der Plan entstammte aus den Händen des Architekten Christian Schramm in Dresden. Der neue Turm wurde nicht am alten Standort errichtet, sondern am Eingange an der Südseite der Kirche gewählt. Eine Anzahl dort befindlicher Gräber mußte beseitigt, die darin ruhenden Gebeine der Toten in andere Gräber gebettet werden. Am 29. August wurde der erste Spatenstich zu dem Grunde des neuen Turmes getan und am 29. Sept. unter entsprechender Feierlichkeit der Grundstein gelegt. Der Bau hat reichlich zwei Jahre, bis Oktober 1891, gedauert. Die Weihe fand am 21. Okt. statt. Bei dieser Gelegenheit wurde die alte Turmuhr mit ihrem abgenutzten Werke durch eine neue ersetzt, welche in der Werkstätte der Firma Zachariä in Leipzig hergestellt worden ist. Es wurde weiter anstelle des alten hölzernen Glockenstuhls ein eiserner eingebaut. Die auf dem Postament über dem Hauptportale stehende Christus darstellende Statue aus französischem Savoniere entstammt aus der Kunstwerkstätte des Bildhauers Völker in Dresden.

Der neue Kirchturm von Elterlein.

Erwähnenswert ist noch, daß früher in die Parochie Elterlein auch die Nachbargemeinden Dörfel und Langenberg gehörten. Dörfel wurde im Jahre 1556 nach Hermannsdorf und Langenberg im Jahre 1620 nach Raschau ausgepfarrt. Zur Parochie gehören heute außer Elterlein der Ortsteil Burgstädtel, die Brünlasgüter, das Hammergut Tännicht in Schwarzbach und die Papiermühle Friedrich in Schwarzbach.

Die Ueberreste des alten Turmes, welche bei dem Umbau der Kirche und dem Neubau des Turmes mit einem Dach versehen wurden und dessen Raum bisher als Aufbewahrungsraum dem Totenbettmeister diente, wurden vor einigen Wochen vollständig abgetragen. Eine Ausbesserung hätte viel mehr Kosten verursacht, als der wert des Mauerwerks und des Daches betrug.

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 25 – Sonntag, den 20. Juni 1926, S. 3