Im Jahre 1515 hatte ein angesehener Fundgräber aus Elterlein, Kaspar Klinger, im Scheibenberg mehrere reiche Silbergänge entdeckt. Die Kunde hierüber hatte sich rasch verbreitet. Von allen Seiten, namentlich aus dem schon überfüllten Annaberg, strömten die Leute herbei, um ihr Glück zu versuchen und aus dem Bergsegen Gewinn zu ziehen. „Der verfluchte Hunger nach Gold“, wie einmal ein alter lateinischer Dichter die Sucht nach Geld und Reichtum genannt hatte, erfüllte die Menschen früher ebenso wie heute. Der Charakter der Menschen bleibt immer derselbe, wie sehr sich auch die Zeiten und Verhältnisse ändern mögen.
Diese Glückssucher wohnten anfangs im nahen Dorf Scheibe. Dieses wurde aber bald übervölkert, da der Zuzug von Silbergräbern immer größer wurde. Alles drängte auf die Gründung einer neuen Stadt hin. Die Grafen Ernst und Wolf von Schönburg, denen das Land um den Scheibenberg herum gehörte, sahen die Notwendigkeit einer Stadtgründung ein, hofften wohl auch, dadurch den Bergbau zu fördern und höhere Abgaben zu erzielen. Man rechnete auch schon damals sehr gut!
Sie ließen zuerst in der Nähe des Dorfes Scheibe am Fuße des Scheibenbergs den dichten Wald roden und zahlreiche Sümpfe trocken legen, was ungemein schwierig war. Dann ließen die Grafen auf der freien Fläche im Jahre 1522 die heutige Stadt Scheibenberg anlegen. Der Plan der neuen Stadt war wohl überlegt. Er war nach den Angaben des Chronisten „regelmäßig und gefällig“.
Die Stadt wurde nach dem Berg, der auf sie herabschaute und gleichsam zum Wächter für sie bestellt war, Scheibenberg genannt. Sie ist hierin z. B. der Stadt [?] Bärenstein gleich, die ihren Namen auch von dem sie überragenden Berg erhielt.
So verdankte Scheibenberg seine Entstehung dem Bergbau und der dadurch hervorgerufenen Menschenansammlung, ebenso wie die Stadt Annaberg, die im Jahre 1496 aus denselben Ursachen gegründet worden war.
Scheibenberg kann in diesem Jahre seinen 404. Geburtstag feiern. 1922 beging die Stadt ihr 400jähriges Jubiläum. Sie ist, um zwei Beispiele anzuführen, nur 26 Jahre jünger als Annaberg (1496 gegr.) und 21 Jahre jünger als Buchholz (1501 gegr.). Scheibenberg ist also, scherzhaft ausgedrückt, schon eine recht alte Dame. Man darf ihr dies ruhig ins Gesicht sagen. Sie wird es nicht übel nehmen, vielmehr stolz darauf sein. Bei den Damen aus dem Geschlechte Evas soll es ja anders sein.
Wie schon erwähnt, waren die Herren von Schönburg die Gründer der Stadt. Die Schönburger sind ein uraltes Geschlecht. Als der erste Herr von Schönburg kommt urkundlich Hermann 1166-82 vor.
Das Haus Schönburg teilt sich in eine fürstliche und eine gräfliche Linie. Es hat in Sachsen ausgedehnte Besitzungen. Um 1900 herum umfaßte das von der Zwickauer Mulde durchflossene Gebiet der Schönburger 582 qkm mit etwa 210 000 Einwohnern in 10 Städten und etwa 125 Dörfern und gehörte geographisch zu den Kreishauptmannschaften Leipzig und Zwickau.
In früheren Zeiten beherrschten die Schönburger auch große Teile des oberen Erzgebirges. Um das Jahr 1500 finden wir sie im Besitze des Scheibenberges und der umliegenden Ländereien. Damals regierte hier die Gräfin Anna von Schönburg, eine Witwe, für ihre beiden unmündigen Söhne Wolf und Ernst. 1512 übernahm Wolf, der ältere Sohn, die Herrschaft. er zeichnete sich in kaiserlichen und brandenburgischen Kriegsdiensten aus. Im Jahre 1521 erhielt er vom Kaiser den Zoll über Wiesenthal nach Böhmen. Ein Jahr später gründete er mit seinem Bruder Ernst die Stadt Scheibenberg.
Als Wolf von Schönburg 1529 ohne Erben starb, folgte ihm sein Bruder Ernst in der Herrschaft nach. Das schönburgische Land bestand damals u. a. aus den Herrschaften Glauchau, Waldenburg, Lichtenstein, Hartenstein nebst Zwönitz, Elterlein, Geyer. Scheibenberg gehörte zur Grafschaft Hartenstein unter dem Amte Crottendorf.
Ernst von Schönburg residierte im Schlosse Glauchau. Er stand beim Herzog Georg von Sachsen in großer Gunst und war, solange der Herzog in Ostfriesland Krieg führte, Statthalter in Sachsen. Wie der Herzog war Ernst ein eifriger Gegner der Reformation, was wohl viel zu seinem Ansehen bei Herzog Georg beigetragen hatte. Er setzte daher der Einführung der Reformation in Scheibenberg den größten Widerstand entgegen und folgte darin dem Beispiele des Herzogs hinsichtlich Annabergs.
Im Jahre 1533 fiel jedoch Ernst in eine schwere Krankheit, die seinen Sinn so änderte, daß er nach seiner Genesung im nächsten Jahre Protestant wurde. Es wird deshalb mit großer Wahrscheinlichkeit vermutet, daß im Jahre 1534 der erste evangelische Gottesdienst in Scheibenberg gehalten worden ist.
Seine Nachfolger verkauften den sogen. oberwäldischen Anteil, zu dem auch Scheibenberg gehörte, im Jahre 1559 an den Kurfürst August. Von diesem Jahre an blieb Scheibenberg bei Sachsen.
Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 21 – Sonntag, den 23. Mai 1926, S. 2