Kreuz und quer durch Schlettaus Geschichte (2)

Von N. N.

(Schluß.)

Trotz großer Unsicherheit blühte damals die Klöppelei. Der Chronist erwähnt ein altes kurfürstliches Reskript, wonach „das Klöppeln von 1667 an so allgemein betrieben worden (sei), daß mancher Hauswirt in seiner Nahrung wegen Mangel an Arbeitern sehr geschädigt wurde.“ Dies ist auch nicht Wunder zu nehmen; denn das Klöppeln brachte so großen Verdienst ein, daß die Klöppelleute, wie es in demselben Reskript weiter heißt, „bei dieser müßigen Hantierung und Verdienst ziemliche Ueppigkeit und Hoffart in Kleidern treiben“.

Und seufzend bemerkt der Chronist hierzu: „Jetzt (etwa letztes Drittel des vorigen Jahrhunderts) dürfte dies nicht mehr vom Klöppelwesen gesagt werden können, weil dasselbe gänzlich darniederliegt und sich kaum jemand davon ernähren kann.“ Augenblicklich dürften die Verhältnisse, soweit ich sie übersehen kann, kaum anders liegen.

Der Obrigkeit war es natürlich sehr willkommen, daß die Klöppelei in solchem Aufschwung kam und so viel Gewinn eintrug; denn da konnte sie leicht durch Erhebung von Steuern und Abgaben den schmalen Stadtsäckel auffüllen. Und so wurde auch nach einer Verordnung vom Jahre 1676 ein sogen. Klöppelgeld gefordert, 12 ggr. jährlich. Ganz alte Witwen, alte Mägde und Kinder unter 12 Jahren waren von dieser Abgabe befreit.

Da wir nun einmal bei Abgaben sind, möchte ich noch verschiedener Steuern gedenken, die im 16. Jahrhundert in Schlettau erhoben worden sind.

Als Vater das Wort: Steuer liest, läßt er vor Schreck das Zeitungsblatt sinken. Er macht eine kleine Pause, um sich zu erholen. Dabei hat er sogar vergessen, an seinem Pfeifchen zu ziehen. Sie ist ihm ausgegangen, was ihm jedes Mal passiert, wenn von diesem unheilvollen Kapitel die Rede ist. Aber nach einer Weile ermannt er sich wieder, zündet seine Pfeife an, und wie zur Abwehr stößt er mächtige Rauchwolken hervor. Er liest weiter:

Der Chronist berichtet, daß „1512 … eine Vermögenssteuer eingeführt (wurde). Von 100 fx. mußten 2 fx. abgegeben werden. Kinder unter 15 Jahren zahlten 4 Gr., Handwerksburschen desgleichen. Dienstboten den 10. Teil des Lohnes. 1523 führte man die Landsteuer nach Steuerschocken ein. Die Anlage nannte man Betha = Bitte. 1542 wird eine Türkensteuer gefordert (Türkenkriege!) und die Güter nach Schocken „gewürdert“. 1579 nach Eingang der Schocksteuer wurde die Scheffelsteuer eingeführt. Von jedem Scheffel, der gekauft wurde, wurden 6 Pfg. (erhoben).“

Ferner wurde damals, wenn man sich so ausdrücken darf, eine Armensteuer erhoben, natürlich nicht von den Armen, sondern für die Armen. Der Chronist teilt uns nämlich folgendes mit: „Der Herzog verfaßt eine Verordnung, darin das Betteln ganz verboten und zu dem Ende ein jährliches Geld verordnet, damit den Hausarmen geholfen werde.“ Man dachte also schon damals sozial!

Interessieren dürfte noch ein Eintrag in einem Taxationsregister aus der Mitte des 16. Jahrhunderts, wonach ein Jochim Weydner, der „seyn Hauß, Hoff und ein Erbe vmb hundert Schock geschätzt (hat) vnd vier Kux“ an Steuern 18 gr. 10 Pf. entrichtet hatte.

Der Chronist glaubt aus diesen Angaben folgern zu dürfen, daß damals der Wert der Häuser und Grundstücke äußerst niedrig war. Es ist aber auch denkbar, daß unser Jochim Weydner seinen Besitz absichtlich so gering bewertet hatte, um möglichst wenig Steuern zu bezahlen. Heute soll’s ja so sein. Vielleicht tun wir unserem Vorfahren durch solche Annahme auch bitteres Unrecht. Wer kanns wissen.

In Verbindung damit erzählt uns der Chronist, daß früher auch die Löhne erheblich geringer als heute waren, setzt aber hinzu, daß damals aber auch die Lebensmittel bedeutend billiger waren, als jetzt. Als Mitte des 16. Jahrhunderts die Augustusburg erbaut wurde, erhielten die Maurer an Arbeitslohn täglich 6 Pfennige. Den Arbeitern, die bei der Errichtung der St. Annenkirche tätig waren, wurden pro Tag 3 Pfennige ausgezahlt. Aehnlich dürften auch die Lohnverhältnisse in Schlettau gewesen sein.

Vater hält inne mit dem Vorlesen; denn die Kinder waren unruhig geworden und rutschten auf ihren Schemeln hin und her. Ihnen waren die Steuer- und Geldsachen zu langweilig geworden. Auch Mutter drückte ihr „Interesse“ durch langes Gähnen aus. Den Vater befremdet dies etwas; denn ihm hatte alles sehr gefallen. Und weil es ihm gefiel, glaubte er, es müsse auch den andern gefallen. So sind nun einmal die Männer! Aergerlich wollte er schon die Zeitung beiseite legen. Doch da fiel sein Blick glücklicherweise noch auf den Schlußteil des Aufsatzes, der so gehalten war, daß er auch seine Zuhörer befriedigte. Er las:

Ich habe schon geahnt, daß Steuern und Löhne kein angenehmes und unterhaltendes Kapitel sind. Es ist ein gar trocknes Zeug, wenigstens für manche. Sagen und Geschichten schmecken besser, das glaube ich wohl. Aber ich hatte mir doch ursprünglich vorgenommen, nur streng geschichtliche Vorgänge usw., mit einem Wort nur Tatsachen, zu schreiben. Doch da sehe ich die Kinderaugen so bittend auf mich gerichtet, daß ich meiner anfänglichen Absicht untreu werden muß. Und ich blättere in alten vergilbten Papieren und finde die Sage von der Totenhand in Buchholz. Ich gebe sie wörtlich wieder:

„Der Sohn des Totengräbers in Buchholz grub eine Grube und als er bald fertig war, fand er eine unverweste Totenhand. Er zeigte sie dem Vater und dieser erzählte ihm folgende Geschichte: Vor 56 Jahren lebte hier ein böser Bub, Andreas Müller, des Stadtrichters Paul Müller’s Sohn. Seine Mutter liebte Ordnung und wies ihn oft zurecht. Der Vater aber, der dem Trunke nachging, half ihm. Da kamen Gaukler in den Ort und der Sohn hing sich an eine Dirne der Gesellschaft. Er entblödete sich nicht, der Mutter die goldene Halskette zu entwenden, um sie seiner Buhlin zu schenken. Als die Mutter dies erfuhr, setzte sie den Sohn darüber zur Rede und drohte, ihn an den Pranger zu bringen. Da ward Andreas wütend, faßte die Mutter an und würgte sie. Zum Glück kam der Vater dazu und brachte die beiden auseinander. Ob ihn auch die Mutter verklagte, so wurde er doch, da der Vater Stadtrichter war, freigesprochen. Aber als er starb, verfluchte Gott seine rechte Hand, sodaß sie nicht verweste.“

Meine lieben Leser werden sich wundern, daß ich keine Schlettauer Sage erzählt habe, da ich doch nur über Schlettau schreiben sollte und wollte. Und sie werden sich noch mehr wundern, wenn ich ihnen sage, daß die Buchholzer Sage eigentlich eine Schlettauer Sage ist; denn Buchholz steht auf Schlettauer Grund und Boden, wenn man den Angaben des Chronisten Glauben schenken darf. Der Chronist hat nämlich eine alte Schrift ausgegraben, in der folgendes verzeichnet ist:

„Der Platz, worauf Buchholz erbaut ist, gehörte weylandt eigentlich zu dem Schlettauer Revier, so die Schlettauer ehemals zu ihrer Viehtrifft mit benutzet, da sie das gedachte Buchwäldchen als ihr Gemeindeguth eigenthümlich inne gehabt, wie solches die … Ehegerichtsruge der Gemeinde zu Schlettau von dem Jahre 1539 genugsam bestätigt.“

Ich hoffe, den Bürgerstolz meiner Buchholzer Leser dadurch nicht gekränkt zu haben. Was gewesen ist, ist gewesen. Sollte ich es doch getan haben, so bitte ich um Verzeihung. Es stand nun einmal so aufgezeichnet. Vielleicht werden die Geschichtsforscher unter meinen Lesern durch diese Zeilen angeregt, der Sache näher auf den Grund zu gehen.

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 31 – Sonntag, den 1. August 1926, S. 2