Hammerschmiede.

Dr. Siegfried Sieber.

(Der folgende Aufsatz entstammt meinem in Vorbereitung befindlichen „Erzgebirgsbuche“.)

In den Werken wuchteten, ringsum in dürftigen Hütten hausten die Hammerschmiedsgesellen, wahrhafte „Wäldner“. Weit von anderen Wohnungen, im wilden Waldtal wuchsen sie heran, wüste und weltfremd, zäh und zottig. In älterer Zeit, als ihre Arbeit noch besser lohnte, als der Gesell noch Aussicht hatte, Hammermeister, d. h. Besitzer des Hammers zu werden, lief ihr Leben trotz aller Einsamkeit mittelalterlich-sinnenfroh dahin: Mir sei ja de lusting Hammerschmiedsg’sell’n, Könna da bleim, könna ham gieh, könne tu, was mr welln. – Als jedoch seit dem 16. Jahrhundert die Eisengewinnung zur kapitalistisch eingestellten Großindustrie ward, als technische Neuerungen die Geschicklichkeit des Eisenarbeiters ausschalteten und fast nur Handlangerei und rohe Arbeitskraft verlangten, schleppten die Hammerleute die Fesseln elender Enterbter. Trotz alledem blieben sie ein lustig Völklein, absonderlich in Sprache und Sitte, darum Zielscheiben des Witzes ihrer Nachbarn und Herren. Ein kräftiger, schwarzer Menschenschlag, mit weißschimmernden Zähnen, die Hände innen bedeckt mit hufartiger Rinde, die Finger krumm oder ungelenk, dazu häufig schwerhörig oder blödsichtig infolge des Hammergetöses und der Hochofenhitze, immer einfach und gutmütig, so waren die Hammerschmiede geworden, Arbeitstiere, die als Kinder von 10 Jahren schon in die Hütte mußten, niemals eine Schule besuchten, nur die Arbeit des Vaters nachahmten, heirateten, wiederum von wildwachsenden Kindern umgeben alterten und dann „wegkamen wie ein alter Hammerschmied“, weil niemand sich der armen Alten annahm.

„Wir waren wies Vieh su roh gezug’n, Wir larne Vuglstell’n un Fluch’n“, läßt der Breitenbrunner Pfarrer Wild um 1800 sie sagen. Ja, Vogelstellen, des Hammerschmieds ganze Wäldnerleidenschaft war das! Krinitze (Kreuzschnäbel), daneben auch Rußkatel und Hänfling, Zässig und Stieglitz fingen sie ein und richteten sie ab. Röder erzählt: Da Hammerschmied warn meitog a schnokesch Volk. Kam mr zu na in dr Hitt nei, do stahnda sa in Hem, Schorzfall, Holzpantoffln su gruß wie da klan Schiff un lastrling grußn Hütn, vun dana da ana Kramp ibr da Nos‘ rei guhng un da anara ibrn Buckl nei huhng. Un da gelienling (glühenden) grußmigling Eisnbrockn hamse rimgeworschtelt wie gar nischt. Gung odr amol’s Feir aus, dr nachert ganga sa in Summer Krienerse stelln u funga ruta un gahla (gelbe) links un rachts geschlogena (d. h. die obere Schnabelhälfte nach links oder rechts gebogen). Dos wußt mr geleich, wu Krienertse an da Hitte hinga, do gabs a Hammerschmied.“

Zwölf Stunden lief die Schicht, zwölf andere schlief der Schmied. Sie rauchten und tranken viel und liebten über alles ihr „Krumba“ (Schweineschlachten). Kamen Fremde, wohl gar mit Namen, in die Eisenhütte, dann sagten die Gesellen: Mr bleim halt wie mr sei, in Hämm, Schorzfall, Hut un Tratschern un sanne (sehen) ah noch imadim (um und um) rußerig aus. Stark waren sie, jawohl! Greger Harnisch aus Raschau um 1630 hat eine Eisenganz von etwa 7 Zentnern aus der Hütte gehoben und ein andermal eine Wette gewonnen, bei der 12½ Wageisen von zusammen 450 Pfund 100 Schritte auf einem Schiebbock zu fahren waren. Ein andrer schleppte einen zwei Zentner schweren Amboß von Mildenau nach Arnsfeld. 1667 hatte Magister Christian Rölick, Konrektor der Leipziger Thomasschule, auf dem Jöhstädter Hammerwerk Hochzeit mit der Tochter des reichen Hammerherrn Meyer. Als die vornehmen Leipziger Hochzeitsgäste sich in den Hammerhütten umsahen, vermeinte ein Wagehals von Hammerswchmied, ihnen Trinkgelds halber ein früher geglücktes Kunststückchen vormachen zu können: Er wollte seine Hand geschwind durchs flüssige glühende Eisen, wie es aus dem Hochofen herausrinnet, hindurchziehen, ohne daß sie verbrenne. Es stunden 36 köstlich gekleidete Zuschauer um den Ofen, das Losstechen und Herausfließen des glühenden Eisens und das versprochene Kunststück zu sehen. Aber es mißriet dem armen Teufel. Die Glutmasse floß in den feuchten Sand, und er war zu langsam. Aber da speiet und sprühet das Feuer durch die ganze Hütte und tät großen Schaden an Hochzeitskleidern aber auch an Haut und Haar der Zuschauer, so daß sie mit Geschrei und Entsetzen aus der Hütte entwichen. Der Afterkünstler hatte seine Finger im Eisen verbrannt und für immer gelähmt.

Wie abenteuerlich ihr Tun bisweilen war, das ahnten die Hammergesellen oft gar nicht. Im Auerhammer war 1682 ein neuer Blechhammer fertig geworden. Veit Hans Schnorr, der Hammerherr, spendete aus diesem Anlaß seinen Burschen ein Faß Bier. Im Uebermut schlug einer vor, die Kreuzottern, die ein Hochofenarbeiter in einem Faß zusammengepfercht hatte, um sie mit Milch und Semmel zu mästen und später ihren Schmalz zu nutzen, hervorzuholen und sich damit zu duellieren. Geschickt packten sie die giftigen Tiere hinterm Kopf oder beim Schwanz und schlugen sie, antiken Rachegöttinnen vergleichbar, einander um die Köpfe, ohne daß eine hätte beißen können.

Solch strotzende Menschen waren wohl im Kriege rechte Draufgänger. Als am 28. August 1632 die Kaiserlichen durch den Raschauer Grund zogen, stellte sich ihnen eine Hundertschaft Hammerschmiede entgegen. Der alte Hasel in der Schmelzhütte hatte ihnen fälschlich gesagt, es käme nur ein Streiftrupp, der plündern wolle. Deshalb nahmen sie gegenüber dem Mittweidaer Zainhammer an der Berglehne in einem Gebüsch Deckung und erwarteten den Feind. Ein Oberstleutnant im roten Koller ritt dem Heerzug voraus. Plötzlich gab der junge Georg Reinhold Feuer und schoß den Führer vom Pferde. Eiligst kehrte die Spitze um, holte Kroaten als Verstärkung, griff die Hammerburschen an und machte ihrer 39 nieder.

Gern schlugen sich die Hammerleut mit Zigeunerbanden herum. Als der Kurprinz Johann Georg 1672 nach Johanngeorgenstadt reiste, liefen unterwegs die Hammerschmiede kohlschwarz aus ihren Hütten, um ihn zu sehen. Er lachte: „Ihr Männer, macht eure Weiber nicht schwarz!“ Sie aber reichten ihm eine schöne Büchse als Geschenk, die sie von Zigeunern erbeutet hatten. Kraftmenschen wie sie waren, schätzten sie Mut und Stärke gebührend ein. Drum hielten sie die Erinnerung an den Zaren Peter den Großen bei sich lebendig, der 1711 im Hammerwerk Grünthal bei Olbernhau sich rittlings auf den größten Hammer gesetzt und mehrmals die furchtbare Wucht des Aufschlagens ausprobiert hatte.

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 30 – Sonntag, den 31. Juli 1927, S. 2