Nachklänge zum Schlettauer Heimatfest.

Wohl oft fand ich, was Aug‘ und Herz ergötzte,
Doch nie, was meine Heimat mir ersetzte.

Das festlich geschmückte Schlettau. Blick von der Schwarzenberger Straße nach dem Rathaus.

Dies schöne Wort kam wohl vielen Schlettauern, die seit Jahrzehnten fern weilen und eine zweite Heimat gefunden haben, so recht zum Bewußtsein, als sie das Heimatfest mit erleben durften. Wie erwachte auf einmal die Sehnsucht, als die Heimat rief zu einem großen Familienfeste. Gern und freudig ergriff die Hand den Wanderstab; und war der Weg auch noch so schwer, galt es doch, ins goldne Jugendland zu schweifen, dorthin, wo des Lebens starke Wurzel ruht.

Die Darsteller des Paul Thomas’schen Heimatfestspieles „Der silberne Vogel“.

Wir waren nun daheim, des Festes Hochflut ist verrauscht, ins Alltagseinerlei sind wir zurückgekehrt. Des Stillgedenkens farbensatten Strauß haben wir mit hinausgenommen, das Gedenken an die köstlichen und froh verlebten Wiedersehensstunden, die uns die alte liebe Heimat bereitet hat. Ja, solche Festtage mit ihren Freuden, die auch ein trüber Himmel nicht schmälern konnte, müssen in uns unvergeßlich bleiben und unverwischbare Eindrücke schaffen.

Aus dem Festzug.

Der Verlauf des Festes ist in der O. Z. für alle Zeiten niedergeschrieben und gehört der Geschichte an. Es sei mir aber gestattet, hier wiederzugeben, was wir vielen in aller Herren Länder verstreut wohnenden Schlettauer in der alten Heimat empfunden haben. Zunächst waren es unsre Heimatblätter, die den Boden für das Fest recht gut vorbereitet haben. Wer diese Blätter mit Aufmerksamkeit und mit Interesse gelesen hat, der fand heraus, wie reich an Geschichte, wie sagenumwoben die tausend Jahre alte Stadt Schlettau doch ist. Was wir aus diesen Niederschriften jetzt noch geschöpft haben, war uns in der Jugendzeit völlig verschleiert geblieben. Umso mehr ist es Herrn Schuldirektor Thomas und seinen zahlreichen getreuen Mitarbeitern zu danken, daß es ihnen gelungen ist, die Stadt mit ihren Gefilden näher zu erforschen und diese herrlichen Erfolge der Nachwelt überliefern zu können. Ja, hätten auch wir in unserer Jugend schon solche Schätze bergen dürfen, so wäre man früher oftmals in alten ehrwürdigen Punkten der Stadt und der Umgebung stehen geblieben und hätte die Heimat noch viel mehr zu schätzen und lieben gewußt. Was kann das und jene alte Haus der Stadt, das Rathaus, das alte Schloß, die Zschopau und das Weichbild der Stadt nichzt alles aus der großen Vergangenheit erzählen! Als es aber zur Wirklichkeit wurde, daß man dem Ort, wo einst die Wiege stand, wo wir voller Lust gespielt haben, wo wir der Kindheit Weihnacht feiern durften, sich näherte und schon von weitem den alten ehrwürdigen Kirchturm, der das Städtchen beherrscht, grüßen sah, da ging einem das Herz auf und man mußte sich glücklich preisen, noch eine Heimat zu haben. Wie steigerte sich aber die Freude, als man schon beim Verlassen des Eisenbahnzuges alte Bekannte wiedersah und uns das erste „Willkommen!“ entgegengerufen wurde. Ins Staunen wurden wir versetzt, als wir dann ins Städtchen einzogen. Ja, vieles ist anders und wir sind älter geworden. So manches Auge feuchtete sich und geschwind schwebte die Erinnerung zurück an all das, was längst vergessen schien, als am Sonnabend in zwei großen Kommersen die Stadtväter wie in einer großen Familie so eindrucksvoll und tiefsinnig zu ihren Kindern von derb „Muhme“ erzählten, als man noch viele alte Schlettauer „Typen“ wiedersehen und begrüßen und so manchem Schulkameraden, mit dem man auf gleicher Bank gesessen, die Hand reichen konnte. Das waren die schönsten Stunden, die uns schlugen und die eine Wunderbrücke erstehen ließen vom Einst zum Jetzt.

Nachbildung des ehemaligen Böhmischen Tores in Schlettau.

Traten wir am Sonntag Morgen heraus die Straße entlang und lenkten die Schritte durch das ganze Städtchen, so wurden wir uns bewußt, mit welcher Liebe und mit welch unermüdlichem Fleiß gearbeitet worden ist, um die heimatliche Scholle so eindrucks- und geschmackvoll wie möglich herzurichten. Ganz besonders überraschten das neu errichtete Stadtviertel am „Beuthengraben“, die neue Parkanlage mit Teich, die prachtvollen gärtnerischen Anlagen auf verschiedenen Plätzen der Stadt, die vorzüglich in Stand gesetzten Straßen und nicht zuletzt die schmucken Häuser und Häuschen; ob diese nun im Herzen der Stadt, am „Anger“, auf der „Hinnern Gass“ oder in der „Binsenstadt“ stehen, sie alle haben dazu beigetragen, der Stadt nicht nur ein festliches Gepräge zu geben, sondern auch für alle Zeit hinaus den Ruhm der Stadt Schlettau, ein sauberes gebirgisches Städtel zu sein, zu befestigen. Aber auch Schule und Kirchgemeinde sind in den letzten Jahrzehnten nicht müßig beiseite gestanden. Hier ist mit gleichem Eifer gearbeitet worden, wovon der Ausbau des Schulwesens, die Errichtung des Kinderheimes, die innere Erneuerung des Kirchgebäudes, die Modernisierung des Friedhofes durch die Kirchgemeinde und anderes bestes Zeugnis ablegen. Kurz, wohin das Auge schweift, überall Zeichen des Fortschritts.

Wenn nun das Stadtoberhaupt in einem Willkommensgruß gesagt hat: „Wir sind auf Kritik gefaßt“, so muß heutev zusammenfassend gesagt werden, daß Schlettau einer scharfen Kritik wohl standhalten kann. Wir auswärtigen Schlettauer sind jedenfalls stolz darauf, ein so fortschreitendes Städtchen unsere Vaterstadt nennen zu dürfen! Und wenn wir all die Darbietungen, die uns gleichfalls überraschten, insbesondere das Festspiel, die kirchliche Feier mit ihrem prächtigen musikalischen Programm und der ergreifenden Festpredigt des Herrn Pfarrers Bitterlich, den Festzug, die Illumination und das Feuerwerk nochmals im Geiste an uns vorüberziehen lassen, so muß man ausrufen: Die „Muhme“ hat Großes an ihren Kindern getan, sie hat Fäden gesponnen nach allen Richtungen der Welt und es ausgezeichnet verstanden, die Liebe zur Heimat zu vertiefen. Ihr sei dafür herzlichst gedankt!

Berthold Estel, Oelsnitz i. E.

Vorstehenden Nachklang veröffentlichen wir als Echo der Schlettauer Festtage mit umso größerer Freude, als er aus dem Herzen und der Feder eines sehr geschätzten Mitgliedes der sächsischen Presse stammt, zu deren Wortführer sich hier der Inhaber des „Oelsnitzer Volksboten“ (Oelsnitz i. E.) in äußerst treffender und anerkennenswerter Weise macht. Auch von vielen anderen Seiten sind uns als Heimatblatt gegenüber Anerkennungen in schriftlicher und mündlicher Form gemacht worden, die sich durchweg über die glänzenden Vorarbeiten und den ganzen Aufbau des Programms in bewundernder Weise geäußert haben.

Bei dieser Gelegenheit weisen wir erneut auch darauf hin, daß die Festnummer und die Berichte der O. Z., die in außerordentlich hoher Anzahl verlangt wurden, nach wie vor, sowohl durch unseren Schlettauer Vertreter, M. Hildebrandt, als auch durch unsere Hauptgeschäftsstelle zu beziehen sind.

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 30 – Sonntag, den 31. Juli 1927, S. 1