Erzgebirgische Hammerwerke.

Von Dr. Siegfried Sieber.

(Der folgende Aufsatz entstammt meinem in Vorbereitung befindlichen „Erzgebirgsbuche“.)

Was lärmt und leuchtet im Raschaugrund? Lodernd leckt die Flamme übers Dach. Drunter dröhnts von hölzernem Gehämmer, und nebenan stampfen Pochstempel Eisenerz. Hinein in die Hütte! Ein Rennfeuer glüht auf dem niedren Herd. Der Zerrenner, gegen Giftqualm ein Tuch vor Mund und Nase, lenkt das Pfauchen der vom Wasserrad geschwungenen Blasebälge, räumt am Ende seiner Arbeit die Holzkohle weg und wuchtet mit Knecht und Schlackenläufer die 3 Zentner schweren Klumpen geschmolzenen Eisens mit Brechstab und Zange hinunter auf den Fußboden. Dort beklopfen und dichten seine Gesellen mit Holzhämmern diese Luppe, schleppen sie unter den Amboß und lassen den großen Wasserhammer an, dessen Welle draußen im wilden Bergbach umläuft. Ein scharfes Messer hilft den Gußblock teilen. Dann sprüht des Schmiedens lustiges Klingklang aus der Hammerhütte.

„Und abermals nach 100 Jahren kam ich desselbigen Wegs gefahren,“ sagt Chidher, der ewig junge. Nicht bloß in der Rasch, in allen Erzgebirgstälern klingen und glühen die Hämmer. Erzkarren rasseln auf allen Straßen, und Planwagen voller Nägel und Beile, Schaufeln und Schwerter rollen ins Reich. Hei, was haben die Schmiede gelernt! Sie holen nicht mehr Holzkohlen von zerbrochenen Urwaldstämmen, sondern sie lichten rings um Schwarzenberg, Thalheim oder Wiesenthal die Fichtenbestände; sie bauen Wolfsöfen, in deren Bäuchen Eisen schmilzt, bis man eine Lehmwand durchstößt und das Eisen ist die Grube fließen läßt. Selbst Stahl bereiten sie, recken ihn zu Stäben und härten das Eisen. Hütte, Ofen, Blasebalg und Hammer sind stattlicher geworden. Vierfach übereinander laufen Wasserräder, den Wassersturz zu nutzen.

„Und abermals nach 100 Jahren …“ Dann ist aus der Waldschmiede ein großes Hammerwerk erwachsen. Ein hoher Ofen stelzt am Hange, 7 Meter reckt er sich, 1 ¼ Meter breit bläht sich sein Bauch. Wasserräder treiben das Gebläse. Peinlich prüft der Hochofenmeister sein Mauerwerk. Dann stürzen Aufgeber von oben Holzkoh´le und Eisenerz in raschem Wechsel hinein. Auf rohen Gerüsten oder von Berglehnen herab rollen ihre Karren zum dampfenden Schlund. Aus der offenen Brust aber strömt nach 12stündiger Schicht das Eisen in Flammen gefaßt als „Eisenganz“ den Hochöfnern und Schlackenpochern zu. Näher am Wildbach plätzt der Hammer. In hoher Halle, unter rußigen Sparren wuchten drei der größten Baumstämme des Gebirgs auf und nieder, so daß in der Nachbarschaft Teller und Tassen auf den Tischen tanzen. Riesige Rammbären hängen daran und dröhnen auf die Luppe, sie zu teilen oder breit zu pochen. Die Holzwelle zum Mühlrad ward aus dem dicksten Eschenblock geschnitten, von 14 Pferden herangeschleppt und mit eisernen Ringen gefesselt. Kommt das Eisen aus dem Hochofen, dann wird es durch „Frischen“ wieder schmiedbar gemacht. Der Zainhammer aber zaint die Stücke zu Stäben. Dann legt der Urwellknecht den Urwellhammer ein und schmiedet sie zu „Stürzen“, breiten Blechen, die noch öfter durchs Feuer müssen. Etliche werden viereckig zugeschnitten und poltern in die Beizstube, wo gequollenes Brot, Essig und Salmiak an ihnen fressen. Endlich im Zinnhaus taucht der Zinnmeister sie in geschmolzenes Zinn dem er Talg zusetzt. 450 Blatt verzinntes Eisenblech liefert ein Werk mit zwei Blechhämmern allwöchentlich zum Versand.

„Und abermals nach 100 Jahren …“ Um 1750. Viele Hämmer sind schon im Verfall. Das Holz zur Kohle wird teurer, das Erz in den nahen Bergwerken erschöpft sich: denn der gute Strahlstein, der Glaskopf, der Roteisenstein sind nur nesterweise ins Gestein gestreut. Still steht mancher Hammer oder einzelne Teile feiern, weil England billiger liefert. Etliche nehmen andere Arbeit auf, schmieden als einfache Schaufelhämmer Geräte. Auch Kugel- und Drahthämmer kommen auf. Im Osterzgebirge reiht das Gottleubatal noch viele Hütten und Hämmer aneinander, doch Berggießhübel gießt schon längst gute eiserne Oefen. Im Tal der westlichen Mulde glühen zwischen Schönheiderhammer und Aue 6 Hochöfen. In Nebentälern, einsam im Walde, stöhnt das Gebläse schaurig aus Karlsfeld und Wildenthal. Um die Pöhla und Mittweida drängen sich die Stabhämmer zu Großpöhla, der Pfeilhammer, das Arnoldsche, das Schmerzingsche Hammerwerk und der Nietzschhammer. Im Schwarzwasserwinkel qualmt Erla. An der Grenze begegnen sich die Hämmer Breitenbach und Wittigsthal, auch in Unterwiesenthal und Schmiedeberg lebt der größte Teil der Einwohner vom Eisenrecken. Ja von rund 30 Zainhämmern des Erzgebirges fauchen einzelne sogar zu Wünschendorf, Marienberg, Rübenau, und Einsiedel-Sensenhammer an der Natzschung heißt noch heute danach. Drüben in böhmischen Tälern dröhnt ein weiteres Dutzend Hammerwerke.

Fortschrittliche Hammerherren verbessern den Arbeitsgang. Hatte Veit Hans Schnorr 1683 den ersten Zainmeister auf den Auerhammer gebracht, so führte Karl Rauh im Schönheiderhammer den Herdguß ein. Selbst der Staat plant 1790 in Wolfsgrün ein Musterhammerwerk einzurichten. Doch trotz aller Mühen gehen die Hämmer zu Grunde. Noch künden malerische Gebäudegruppen und turmgeschmückte Herrenhäuser von dieser einst hochberühmten Industrie unserer Waldheimat. Stattliche Güter und Wirtshäuser nennen die alten Namen. Denn auf jedem Hammerwerk ruhte das Recht, zu backen, zu schlachten, zu brauen, zu schenken. Und da die nächsten Gerichte weit, das Hammervolk aber unbändig war, trug der Hammerherr die niedere Gerichtsbarkeit. In strengen staatlichen Hammerordnungen wurden Rechte und Pflichten der aus Vorarbeitern allmählich zu kapitalistischen Grundherren aufgestiegenen Besitzer festgelegt. Ja der Staat überwachte selbst den Verkauf der Bleche nach Hamburg. Die Familien der Hammerherren fühlten sich als Industrieadel. Zahlreiche Heiraten hielten die Hämmer als Erbschaften in ihrem engen Kreise. So besaßen die Herren von Elterlein, tüchtige Fachleute sicherlich, jahrhundertelang viele Hämmer im Obererzgebirg; die Uttenhoven, ein niederländisches Geschlecht, traten im Muldenland hervor. Besonders wechselvoll sind aber die Geschicke der Familie Siegel, deren Glieder um Pöhla, Mittweida und Eibenstock Hammerherren waren. Schon um 1400 sollen sie in Schmiedeberg und Preßnitz Blauöfen errichtet haben. Der Siegelhof in Pöhla kündet von ihnen, ebenso wie der 1530 gegründete Hammerhof Blauenthal den Ruhm der Nürnberger Kaufleute Blau erhält und in Wittigsthal die Erinnerung an den mächtigen und verdienstvollen Kaspar Wittig fortlebt. Ein ähnlicher Patriarch wie Wittig, der als Siebzigjähriger 10 Kinder und 69 Enkel um sich sammelte, muß Kaspar Klinger gewesen sein, dessen Familie Förstel, Tännicht, Sachsenfeld und andere Hämmer inne hatte. Die Kleinhempels, nach denen lange Zeit der Muldenhammer bei Eibenstock im Volksmund „Der Kleinhempel“ hieß, sind aus Böhmen zugewandert. Besonders gelahrte Herren waren die Gottschaldts. Sie hielten ihren Kindern gute Hauslehrer, ließen die Söhne Jura studieren und Johann Jakob Gottschaldt aus Wildenthal schrieb sogar eine Doktordissertation „de laminis“, von den Blechen. Oftmals arbeiteten Pächter oder Faktore sich langsam zu Besitzern empor. Ein sehr tätiger, vom Unheil des 30jährigen Krieges arg verfolgter Hammerpächter war Hieronymus Müller von Berneck, der, auf dem Bauhammer (Breitenhof), dem Auerhammer, dem Muldenhammer und in Mittweida auf dem Pökelhammer immer wieder sein Glück schmieden wollte.

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 35 – Sonntag, den 11. September 1927, S. 2