Erinnerungen an Satzung in früherer Zeit.

Von Wilhelm Günther.

Schie drei Wochen war iech von derham fort; meine Ras hot‘ miech a miet noch Leipzig geführt; un wie iech dort e mol eikehr un miech in dr Gaststub hinnern Uf’n in de Kanapeeeck neiquetsch un mier afängt, de Zeit lang ze warn, sah iech su von mir gegenüber a klas, bloos Blatel an der Wand hänge; na weil iech nett wußt, wos ich afange sollt, langet iech mier’s ro. Wie iech ober neiguket, schla iech auf un las ziemlich weit hinten „Weihnachten im Gebirge“. Nischt hätt miech ober mehr neigierig machen könne, als wie dos, bie iech doch salber do um runner un ho su vielmol de Weihnachten miet drlabt. Dos war ober a su schie geschrieb’n, daß mersch noch n Lasen racht ahnt getan hot. Mit men ganzen Gedanken war iech wieder ä mol derham un ho nischt gehärt von dam, wos in dr Stub virging. Iech bi nett aus Schneebark un aus der dorting Imgegnd, sondern wieder aus en annern Zwickel von Sachsen; iech wuhn in der Nähe von Mariebark, wu de bemische Luft übern Grenzbach rüber direkt aus erschter Hand kimmt, un wenn auch su im grußen un ganzen die Gebräuch diesalbn sei, su werd ober doch manigs annersch gemacht bei uns. Na vom Schreibn bi iech mei Labtog ka grußer Freind gewasen, für dreßig, verzig Gahrn hot mer a noch nett a su viel in der Schul gelarnt, un wenn m’r alt werd, fange a de Finger a ze zittern, do wills erscht racht nett mehr gieh; wenn mr ober su racht für ene Sach eigenomme is, do fängt mr manigs a, wos mr in sen Labn nett getramt hot, un wenn iech mieh itze hiesetz un afang zu drzehln, wie’s bei uns is, do wird sich wuhl mancher wunern. Ober wie un wu fang iech nu geleich a; hunerttausend Gedanken schiss’n mir durch’n Kup, un wenn iech ene Matz Händ hätt‘, die könnten nett genung schreib’n. „Ner lus, Lob“, saht meine Fra, „de siist mit dr Fader racht putzig aus, ober ’s wärd schie giehe“.

Für reichlich fufzig Gahrn war iech su ä Gung, dar’s letzte Gahr bein alln Kanter in der Schul ging; mei Voter hot zur salling Zeit noch ka Häsl gehot, sondern mr wuhnten als Hausleit beim alln Stambichermasigemund, Gott hobn selig, im Stöbel, warn ober öfter vorn als hinten, un e Gespöker gobs’n ganzen Tog hinere für, daß mr uff der Letzt manchmol salber nett mehr im Agnblick wußt, wu mr hie gehöret. Wenn iech miech noch racht besinn, war’s kurz für Weihnachten. Wir, dos haßt vorn beim Sigemund – hatten de gruße Sau geschlacht; der alle Wertbeb aus der bemischen Mühl spüret Saulad und hot siech dan liebn lange Tog in der Stub rim gedrückt, von der Ufenbank in de Höll un von do wieder wu annersch hie un ging nett eher fort, als bis er a de Worscht gekost hat. Dr Grahnertflascher, dar seine Sach verstand und de beste Worscht in der Imgegnd machet, pfiff garn en un ging zuletzt mit’n Spreilerbündel un e bar Eln Darm unern Arm mit en rachten Damp schief a ham. Drnocher hot’s Gustel die Stub ausgekehrt, obgewaschen, neis Struh neigestraht, un ’n annern Tog sah’s wieder in dr Stub racht freindlich aus. Frisch geweißt war a, de Fansterbrateln hatten mr nei astreichn loessn, un ’s Kanapee hot dr Wolfhanssattler aufgepolstert; un wie e su de Feiertogsstimming im ganzn Haus eigezugn war, saht der Sigemund, „na bei mier is nun als in Ordning, nun könne de Weihnachten komme.“

Nochmittig imme Dreie kam der Heßedeward spaziern; dos war uner Hutzengast, a rachter aufrichtiger, guter Ma un aus sen Gesicht guket ane Freindlichkat, daß mer nern gut sei mußt. Aus seiner Tasch zug er die Pfeif raus, passelte e bissel am Spitzel und am Saftsok rim, dann nahm er sen Tobakbeitel aus’n Schürzenlatzen und stopet sich ane ei; drnocher lief r in de Höll, razet e Hölzel am Kachelufen a, brannt a un blieb ober nu an Rach wack, daß mr in fünf Minuten net mehr de Hand fürn Gesicht erkenne konnt. Der Sigemund soß uf der Ufenbank un schnitzet an en Bratel rim, auf das er die aus Seiffen mietgebrachte Engelschar leime wollt. Nu saht der Edeward, „Sigemund, a Bamel müssen mr doch heier wieder aputzen, ’s is doch was ganz annersch, die Stub sieht viel schenner aus und ’s is a besser wie Weihnachten, iech wollt diech när a mol fregn, ob de morgn früh miet naus in de Richterfichteln in de Bameln gist, do stiehe ma rachte schiene“. Der Sigemund saht, „dos is mr schie racht, do sei mr ze Mittig wieder do, un wenn mei Christel de Aepel un de Nüß vergold hot, do könne mr obmds schie fertig mit Aputzen sei“. Iech stand vorn am Fanster, spielt‘ an dann grußen Meerzwiebeltup rim un – wie nu de Gunge sei, wenn e su wos drzehlt wird, lauscht iech un höret su adachtig zu, daß mr ka Wort verlurn ging. Do ging die Tür auf, und ‚ Gustel kimmt rei, hot de gruße gale Schachtel, die ’s ganze Gahr uf’n Schrank in der hinnern Kammer gelagn hot, in dr Hand un packt nu uf’n Tiesch aus. Iech hot mersch schie gedacht, der Lechter war’sch. De Linda un iech suchet’n Kerbs, ’s Gustel de Arm, un nu stecket’n mr zusamm. De Tilln wurn wieder e bissel mit Goldpapier ageblosen, un am Ketel wurd er hiegehängt, wu’s ganze Gahr de Glaslamp hing, über’n Tiesch. A paar Engele warn wackgebrochen, wie wir ober die wieder draufgeleimt un a de ruten un grünn Lichteln draufgesteckt hatten, war er wieder e su schie, wie füring Gahr. Dernochert setzt‘ sich der Sigemund mit sen Bratel an Tiesch ra, un wahrnd iech den Leimtup im Ufen warm setzet, suchet de Linda de Engelschar aus der Schachtel un probieret uf’n Tiesch, wie der Joseph, de Maria, de Weisen un de Hirten beim Aufstelln sich am besten ausnamme könnten. Mir warn ganz wie versassen drauf, wie narrsch hobm mr geleimt, doß mr nischt gesah un gehört hobn, nett emol dos Gequietsch der lahmen Banklah, an die mir mannigmol geling mit’n Buckel na kame.

Draußen hot’s gestürmt un geschneit, wos ner su vom Himmel runner ging; zum Lodenluch blies der Wind rei, daß dr ganze Fansterrahme agereimelt war. „Na“, saht der Sigemund, „legt mr när racht tüchtig ufs Feuer. Wilheibel hul aus dr Schei en Korb Stöck, schlicht se in der Höll  auf un setz e mol an rachten Brand in Ufen“.

Do horch! die Fürhäuselthür gieht auf, un zum Haus rei tratschen e paar Gunge, die enne tüchtige Käl‘ miet in de Stub rei brachten. „Wu is dä der Paul?“ „Dar is“, saht’s Gustel, „noch ubm uf’n Buden und sucht de Engel un de Barkmänner“. Mit en Schriet war’sch an der Tür un schrie: „Paul komm runner, deine Gunge sei do“, un nett lang hot’s gedauert, do war er unten un hat‘ die Händ voll Engel und Barkleit. Die ane Till, die obgebrochen war, hot er ageleimt, hot’n a bissel an Ufen uf de Bank hiegestellt und dernocher die Gesellschaft mit’n Lichteln in der Till uf’s Fanster hiegesetzt, daß se gerod ihre Gesichter zur Tafel nausrecket’n. Do war Labm in der Stub, do ward gebaut, geklopt, gefregt und gepapert, wie’s bei dann un wie’s bei gen is. „Am Tog fürn heiling Obmd giehe doch a de Singgunge rim“, saht der Sigemund „ihr Gunge, hat’r se dä net gesahe“; do saht iech, „’s werd net lang mehr dauern, do sei se do; vom Waberduffel warn se wuhl runner komme; iech wär e bissel aufpassen, dann sah iechs eich“. Als ene halbe Stund im war, ging de Haustür auf, und ene Hard Singgunge kame rei un stimmten „de frohe Zeit“, „de stille Nacht“ un „de Weissaging“ a. Na iech waß nett, billiech mer’s ner ei, oder i’s wahr, gesunge hobn se domols annersch wie heit, un der Michelsigemund hat ene Stimm wie ne Hadellerch, do zuzehörn, war e Genuß. Der Sigemund zug dernocher ’n Galdbeitel aus’n ladern Husen raus un gob dann Gungene 5 Neigrosch un e Stück Stolln. „Wu sei dä die annern?“ „Die hobn sich getrennt un singe drübn de Reih ro; bei dr Schul wollt mr uns im Sechse traffen un dann werd getalt“. „Wieviel hat er dä heit eigenomme?“ „4 Toler un 6 Neigrosch, un weil mr’n Lauterbachheibel seine Libste, de Fenzelselma agesunge hobn, soll’n mr von aln Hanelgottliebel extra noch e Viergroschenstück griegn.“

Ne anern Tog war heiliger Obnd. ’s Bamel war schie virmittig im Zahne rei, un der Sigemund stand egal do, hot de Händ hinten nim gelegt un hot’s amol übers anere besah, su gefalln hot’sn un als wollt er sahe, diech hätt‘ iech net besser drwischen könne. Dernochert hulet er ne Oeltiesch rei, schub’n zwischen Gelosschrank und ’s Fanster un stellet’s Bamel drauf. Alle, die do warn, hobn miet geholfen, un in anerthalber Stund war’s fix un fertig ageputzt, a de Tilln mit’n Lichteln miet drauf. Meine Mutter rufet miech; iech ging e hiner ins Stöbel un machet mir a men Kram zeracht. E Papphaus, dos mer mei Voter füring Gahr gebaut hot, ho iech innewennig mit ruten Löschpapier verklappt, e Lichtel neigestellt un ’s Dach wieder drauf gesetzt. Su stellet iech’s hie an’s Fanster, rachts darnabn en Barkma, links en Engel, un obnds sollt nu älls agebrannt warn. Na iech hat ober in unern Stöbel kane Ruh, un wie iech zum Fanster nausguk, nüber noch’n Hansgörkel zu, sah iech ’n Sommer un Winter aus Reischdorf über de gruße Windweh rüberkomme. Fix gieh iech zum Stöbel naus, vorn nei un sahet’s. Nu ober die Frad. Der alle Sigemund guckt uns an un mant, „stellt eich dorthi und tut mr dan baden nischt, und wenn se singe, lacht mr fei net“. Do ging de Tür auf; du mei Gott, iech sah kane Lüg, do steign ober e paar Dingering rei, su gruß, wie der Schneideraukelaugust. Der Sommer hot e paar Schülle a, lechte Strümp un e Gackel, durch das der Wind pfiff, ene rachte rute, erfrurene und versoffene Nos, im Hals e Struhband, in der Hand ene Heigobel und uf’n Backel ene Hobergarb. Dar stellet sich links vom Ufen auf. Der Winter kam hinerdrei. Er trug Filzschuh, e paar lange Gagdstrümp, en fürchterlich dicken Zippelpelz und ubendrauf ene Wintermütz, daß mer sen Kup net sahe konnt. In der Hand hölt er e Christbamel, an dos er e paar erfrurene Winterzacken nagehängt hot. Ober nu ging e Gesang lus, daß mr siech mußt bal n Bauch haltn vor Lachen. Dar links fing a: „Herr Winter, Herr Winter! Du bist e schlachter Ma“, und der Winter wieder, „Herr Sommer, Herr Sommer, dos gieht diech gar nischt a“. Na iech waß net alls mehr, se zankten sich, wurden unanig, und zuletzt nahm de Sach ene friedliche Wending. Der Sommer stecket’n Stolln un Kuchen ei, der Winter de paar Pfeng Gald und dernochert gings fort in e aner Haus. Ene Hard Gunge zugn noch un hobn an Fürhäusel gewart, bis die beden wieder rauskame. Su gings fort bis in de Damering.

(Fortsetzung folgt.)

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 2 – Sonntag, den 9. Januar 1927, S. 2