Die Wiesenthaler Kirchen von einst.

Es ist nun schon bald 30 Jahre her, als man das alte Kirchlein von Hammerunterwiesenthal abbrach, von der man heute noch ein ungefähres Bild durch die jetzt noch bestehende Kirche von Neudorf gewinnt. Die alte Hammerunterwiesenthaler Kirche wurde in den Jahren 1741 bis 1743 von Flüchtlingen, die ihres evangelischen Glaubens willen aus Böhmen und Mähren über das Gebirge nach Sachsen flohen, erbaut. Die Einweihung erfolgte am 23. Sonntag nach Trinitatis des Jahres 1743 im Anfang des Monats November. 153 Jahre lang hat sich die Einwohnerschaft von Hammerunterwiesenthal in dem mit der Zeit unzureichenden Kirchlein zur Andacht versammelt. Am 3. Osterfeiertage 1896, also vor reichlich 30 Jahren, wurde mit dem Abbruch begonnen und einige Wochen darauf ging bereits der Neubau des schmucken Gotteshauses in die Höhe, das jetzt Hammerunterwiesenthal sein eigen nennt und zu dem man am Himmelfahrtstage des Jahres 1926 neue Glocken weihte.

Kirche Hammer-Unterwiesenthal 1897.

Da sich nun viele aus dem Wiesenthaler und „Hammer“-Grund nicht mehr so recht auf die frühere Kirche von Hammerunterwiesenthal besinnen können, bringt die „O. Z.“ als Heimatblatt hiermit sowohl eine Außen- als auch eine Innen-Ansicht davon. Wie viele alte Erinnerungen werden da lebendig! Wohl so mancher Einwohner von Hammerunterwiesenthal hat hier seine Taufe empfangen, wurde hier konfirmiert oder schritt hier zum Traualtar. Und so manchen bettete man zu Füßen der Kirche zum ewigen Schlaf beim Klang des alten Glöckleins.

Bei dieser Gelegenheit sei einmal der Geschichte der Wiesenthaler Kirchen im allgemeinen gedacht:

Wiesenthal mit Hammerunterwiesenthal! Diese Orte könnte man Kinder des Bergbaus und Zöglinge der Reformation nennen, denn jener hat sie begründet und diese bevölkert. Wiesenthal besteht aus dem alten Unter- und dem neueren Oberwiesenthal. Unterwiesenthal ist ein altes Bergstädtchen an der Pöhl, dessen schon 1455 gedacht wird; und das in früheren Zeiten bedeutenden Bergbau hatte. Nördlich von ihm liegt der Bergflecken Hammer-Unterwiesenthal, der mit jenem eine Kommune bildet. Es hat seinen Namen und Ursprung von den Hammerwerken, die sich daselbst befinden. Oberwiesenthal, ein freundliches Städtchen, wurde von einigen Bergleuten aus Unterwiesenthal, um den 1525 entdeckten Gruben am Fichtels- und Eisenberge näher zu wohnen, im Jahre 1526 gegründet und von den Herren von Schönburg, denen diese Pflege damals gehörte, ein Raum zu 1500 Baustellen angewiesen. Erst hieß es Neustädtel, dann Neustadt und jetzt Ober- oder kürzer nur Wiesenthal, und liegt unter allen Städten Sachsens am höchsten, 5 Stunden von Annaberg und grenzt nah an Unterwiesenthal. Bevölkert wurde es bald nach seiner Begründung und besonders 1650 durch die aus den benachbarten böhmischen Städten und Dörfern vertriebenen Evangelischen.

Die ersten Spuren des Kirchenwesens verlieren sich in der Sage, daß böhmische Fuhrleute bei einer großen Fichte auf einer grasreichen Wiese einen Heuschuppen anlegten, um nach Ueberschreitung des Gottesgaber Passes hier immer Futter für ihr Vieh zu finden, und daß sie in die ausgehöhlte Fichte ein Kruzifix zum Schutz ihres Schuppens aufgestellt hätten. Nach Gründung des Städtchens wurde eine Kapelle erbaut, und um sie her ein Totenacker angelegt. Sie wird in einer alten Pfarrmatrikel die „Kapelle in Nieder-Wiesenthal“ genannt und waren zu Ende des 17. Jahrhunderts davon noch bedeutende Ueberreste zu sehen. Als die Unterwiesenthaler den Neudorfern eine kleine Glocke liehen, wie in einem, nun verbrannten Wiesenthaler Gerichtsbuche zu lesen, war vielleicht ihre Kapelle baufällig geworden.

Zu der Parochie Unterwiesenthal gehörte sonst Böhmisch-Wiesenthal und Stolzenhain (der stolze Hain), welche Orte, wie noch viele andere in Böhmen, damals evangelisch waren. Aber der 30jährige Krieg mit seinen Verfolgungen der Evangelischen im Jahre 1621 traf auch diese Grenzgegenden, die Evangelischen wurden verdrängt und namentlich ihre Prediger mißhandelt, wie es z. B. 1631 dem Pfarrer Schober, Archidiakon, Richter und Diakonus Mönch in Joachimsthal, erging. 1650 bauten sich die Böhmisch-Wiesenthaler und Stolzenhainer gemeinschaftlich eine katholische Kirche. Als die Kirche in Unterwiesenthal als und baufällig geworden war und die Einwohner sich sehr vermehrt hatten, bauten sich beide Städte, Ober- und Unterwiesenthal, gemeinschaftlich eine neue Kirche auf Unterwiesenthaler Grund und Boden und bildeten unter königl. Collatur eine Parochie, zu der noch die 3 Tellerhäuser am Kaff und die Evangelischen in Böhmisch-Wiesenthal gehören, mit 2106 Seelen, jährlich 21 Trauuungen, 10 Geburten, 81 Leichen und 2757 Communikanten. Hammer-Unterwiesenthal mit Hammerwerk Schlössel und seiner alten kleinen Kirche ist das Filial mit jährlich 4 Trauungen, 23 Geburten, 17 Leichen und 735 Communikanten.

Die Unter- und Oberwiesenthaler Kirche hatte keinen Thurm, sondern die Glocken hingen in einem besonderen Glockenhause auf der Kirchgasse, unweit des Marktes. Man beschloß 1643 einen Thurm zu bauen, der nach mancherlei Hindernissen und Verzögerungen angefangen und 1659 vollendet wurde. Er ist dick und nur 66 Ellen hoch, trägt aber ein schönes Geläute. Die große Glocke, 12 Zentner schwer, trägt die Schrift:

„Mein Klang ruft dich zum Kirchengang.
Lieb Gott und sag‘ Ihm Lob und Dank!“

Herr August Löwel, Exulant von Joachimsthal, damals Handelsmann allhier 1658. Dieser Löwel hat auch zum Thurmbau 62 Thaler geschenkt. Die mittlere, 8-9 Zentner, hat die Aufschrift: „Vas Deus hoc signum plebs salva sit aura beniga.“ Die kleine, 6 Zentner wiegend, gibt in ihrer Aufschrift die Nachricht:

Als ich zerbrach, verlor meinen Klang,
Die Lieb Herr Georg Schmiedeln zwang,
Daß er mich ließ umgießen neu;
Gott vergelt ihm solche treu!
Anno 1658.

Dieser Schmiedel war Herr von dem „Rothen Hammer“. Die eiserne Thurmuhr mit einem Zeigerblatt ist in den 80er Jahren des 17ten Jahrhunderts von dem Rathause genommen und dort eine neue angeschafft worden. (Warum nicht lieber der Kirche eine neue?) Neben dem neuen Thurme gewährte die alte und baufällig gewordene Kirche einen unfreundlichen Anblick, daher beschloß man eine größere und von Grund aus neue, 72 Ellen lange und 26 Ellen weite, mit 28 großen Fenstern versehene Kirche zu bauen, welche auch von 1605-1669 ohne alle fremde Beiträge und Collekten vollendet worden ist.

Inneres der Kirche Hammer-Unterwiesenthal 1897.

Das Innere der Kirche, für die gegen 3500 Mitglieder starke Gemeinde viel zu klein, hat ein Holzgewölbe, vieles Tafel- und Schnitzwerk, viele, aber schlechte Fresco- und andere Gemälde; die biblischen Bilder an den Emporen sind 1716 renoviert worden. Der Altar ist künstlich geschnitzt und mit großen Bildern versehen, ein Geschenk der Brüder Georg (Stadtrichter) und Jacob Piltz (Kaufmann) in Wiesenthal. Der Taufstein, von Werkstücken mit hölzernem Deckel und feinem Schnitzwerk, 1694 renoviert und gemalt. Die Kanzel, mit den Figuren der 4 Evangelisten, wurde von einem kolossalen, von Holz geschnitztem Bergmann getragen. Sie war ein Geschenk von Johann Fischer, Richter und Hammerherrn in Unterwiesenthal, der auch die steinerne Vorhalle am oberen Kirchthore bauen ließ. Ferner besitzt die Kirche einen silbernen, vergoldeten Kelch, sonst mit Edelsteinen besetzt, die aber im Dreißigjährigen Kriege abhanden gekommen und 2 dergl. silberne und vergoldete Hostienteller, ein Geschenk von dem Kriegsobersten Caphan; Ein silbernes vergoldetes Weinkännchen von Frau Catharina Wirthin; Eine silberne vergoldete Schale mit 6 Edelsteinen und eine dergleichen Schachtel und 1709 einen silbernen, zum Teil vergoldeten Krankenkelch für 10 Thaler von Frau Joh. Magdalena, Joh. Christoph Fischers sen. auf dem Schlössel des untersten Hammers Ehefrau. Der Kaufmann Johann Jakob Piltz nebst Gattin haben 1690 ein Altartuch vom besten Stoff, 1712 zwei Tücher von gutem Zeug mit seidnen Blumen gestickt, 1713 ein weißes Tuch von guter Leinwand und klaren Spitzen der Kirche verehrt. Ein schönes rothes Kanzelkleid für hohe Feste hat Frau Anna Dorothea Heubelt, und ein schön rothsammtnes Meßgewand zu hohen Festen haben etliche andächtige Weibspersonen, meist aus Oberwiesenthal, der Kirche geschenkt. Ein silberner Kelch, stark vergoldet nebst Theller zum sonntäglichen Gebrauch, ist, ohne Nennung des Namens, von einem guten Christen am 28. November 1716 dem damaligen Pfarrer für die Kirche übergeben worden.

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 44 – Sonntag, den 31. Oktober 1926, S. 1