Die Urbarmachung des Gebirges.

Das wilde Gebirge ist auf mannigfaltige Weise urbar gemacht worden. Es geschah durch Räumung und Abziehung der Wälder, Anlegung geraumer Wege und Pässe, Brückung und Austrocknung der Moräste, Ausbrennung der Heiden, Ebnung der struppichten und wilden Beerhübel. Auch geschah es durch Ausrottung der Stockräume, Ablesung der Steine und mühsame Wegschaffung der Wacken, womit die Berge und Felder überhäuft waren. Das ist besonders bei so vielen mitten im wilden Walde angelegten und erbauten Dörfern, Flecken und Städten geschehen. Ferner trug der Bergbau zur Urbarmachung bei, indem dadurch vermöge der Bergfreiheit viele hunderttausend Stämme und Schragen Holz weggetrieben und verbaut wurden.

Bis tief in das 13. Jahrhundert hinein, dann wieder zu Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts, stellenweise selbst bis in die neueste Zeit ist das Ausroden des Waldes, um Ackerland und auch Wiesenland für neue Ansiedelungen zu gewinnen, im umfangreichsten Maße betrieben worden. Jahrhunderte lang bildete der Wald den unerschöpflich erscheinenden Vorrat, durch dessen Niederschlagen man Raum für Feld, Holz für Bauten, Bergwerks- und Hüttenanlagen, Geld für Zinsen und Steuern usw. erlangen konnte, ohne an die Wiederaufforstung kahl geschlagener Höhenzüge und Abhänge denken zu müssen. Der Wald war die unerschöpfliche Geldquelle für den fortschreitenden Anbau. Erst Jahrhunderte später, nachdem das Land durch die länger als ein halbes Jahrtausend fortgesetzte Urbarmachung und Zerstörung des Waldgebietes seine gegenwärtige Oberflächengestalt und Bedeckung genommen hat, ist man zu der Ueberzeugung gekommen, der Waldvernichtung Einhalt tun zu müssen und das Waldgebiet durch Neuanpflanzung zu vergrößern.

Mit dem Vordringen des deutschen Stammes in das Gebiet der Slaven und in das Gebiet des waldbedeckten Gebirges beginnt erst die geschichtliche Zeit dieses Landes. Wenn auch die Vorgänge, besonders auf dem letzteren, vielfach unbekannt geblieben oder verschleiert und entstellt auf die Nachwelt gekommen sind, lassen sich doch die allgemeinen Grundzüge dieser Entwickelung noch erkennen.

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 34 – Sonntag, den 4. September 1927, S. 3