Die größeren Städte und Verkehrsmittelpunkte am Fuße des höheren Erzgebirges verdanken ihre Entstehung nicht den Verkehrsstraßen. Es haben vielmehr die Städte, die ursprünglich Mittelpunkte der Kultur fruchtbarer Landstriche oder Bergbaugebiete waren, mit der Zeit bewirkt, daß sich aus der Fülle möglicher Straßen bestimmte Gruppen ausschieden.
Über den Kamm des Erzgebirges bestanden schon sehr früh verschiedene Übergangspunkte. So bestand ein wichtiger Gebirgsübergang des Passes von Dohna am Mückenberge. Der Name des „Langenbrückeberges“ bei Häselich scheint darauf hinzuweisen, daß sumpfige Strecken durch Knüppeldämme wegsam gemacht waren. Die Pirnaer Straße kreuzte das Gottleubatal und erreichte Nollendorf. Die Straßen bestanden, bevor Dresden 1455 das Niederlagsrecht für die nach Böhmen gehenden Güter erhalten hatte. Freiberg ist ebenfalls jünger als die Gebirgsübergänge im Quellgebiete der östlichen Mulde und Flöha. Der Verkehr zog sich hier über den Paß von Sayda.
Während im östlichen Gebirge auf böhmischer Seite die Stadt Teplitz einen Teil der Straßen auf sich lenkte, fehlte nach Westen ein solcher Mittelpunkt. So überschritten die von Chemnitz kommenden und nach Prag Reisenden die Eger an einem andern Punkte als die, welche das westliche Böhmen besuchten. Die Prager Straße lief über Reitzenhain und überschritt bei Saaz oder Bostelberg die Eger, der westliche Paß dagegen, der von Preßnitz, führte auf Kaaden.
Das westliche Erzgebirge haben immer nachbarliche Beziehungen mit Böhmen verbunden. Wenn auch infolge der Silberfunde von Annaberg, Joachimsthal, Schneeberg und Marienberg und dem Anwachsen der Einwohner neue Straßen entstanden, so hat sich die Zahl der eigentlichen Pässe nicht vermehrt, da der Abfluß des Silbers nach Norden in die Münze des Landesherrn stattfand und so der Austausch der Waren auch dorthin wies. Jedoch hat es weder vor noch nach der Blütezeit des Bergbaues ganz an Verkehrsstraßen über das Gebirge gefehlt. So führte eine solche von Zwickau über Eibenstock, Wildenthal, Sauersack, Frühbuß und Schönlind. Eine Ablenkung von dieser Richtung von Wildenthal über Johanngeorgenstadt, Platten und Bäringen nach Karlsbad ist erst durch Aufblühen Johanngeorgenstadts veranlaßt worden.
Von Zwickau führte außerdem eine Straße über Lindenau, Zschorlau, Bockau und Konradswiese nach Schwarzenberg und spaltete sich hier in zwei Linien, deren eine über Bermsgrün, Crandorf, Breitenbrunn, Wittigsthal, Platten und Bäringen sich nach Karlsbad wandte, die andere dagegen den Paß aufsuchte, der dem Chemnitzer Straßenzuge angehörte, also die Ortschaften Grünstädtel, Raschau, Crottendorf, Cranzahl, Pleil, Preßnitz berührte. Karlsbad als Endpunkt der Zwickauer Straßenzüge kommt erst seit dem Aufblühen der Stadt nach 1347 in Betracht, vorher dürften Elbogen oder Falkenau die Straßenausgänge beherrscht haben.
Die Pässe des Erzgebirges werden nur in Einzelheiten durch das Gelände bestimmt. Die Flußtäler werden im Gebirge sorgfältig vermieden. Die Eisenbahnen dringen meist bis zum Kamme in den Tälern vor. Die alten Straßen teilen sich auf dem Kamme gewöhnlich in mehrere Züge. Sie sind vom Verkehr zäh festgehalten worden.
Nach Prof. Dr. Schurtz.
Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 2 – Sonntag, den 9. Januar 1927, S. 2