Die Geschichte des Weihnachtsbaumes.

Wo immer nur Deutsche weilen, in den fernsten Landen, überall lassen sie am Weihnachtsabend den Baum erstrahlen. Woher stammt nun dieser schöne und sinnige Brauch? Ganz ist die Frage noch nicht geklärt. Nur das eine steht fest, daß wenn es sich um einen altgermanischen Brauch handeln soll, nur ein ganz loser Zusammenhang besteht. In Betracht kommen das Julfest und die zwölf heiligen Nächte der Göttin Berchta. Bei ersterem wurde ein Holzbock angezündet, in den zwölf Nächten die Häuser mit Tannenzweigen geschmückt, mitunter auch zwei gekreuzte Tannen vor das Haus gestellt. Wie man sieht, kann von dem einen Feste das Licht, vom anderen die Tanne genommen sein. Aber, diese ganze Deutung ist sicherlich ziemlich gewagt.

Jedenfalls besteht zwischen der Zeit der altheidnischen Wintersonnenwendefeier und der unseres Weihnachtsbaumes ein bisher unüberbrückter großer Zwischenraum. Die ersten sicheren Belege für die Christbäume finden sich in dem Archiv der Reichsstadt Schlettstadt im Unterelsaß. Aus den Abrechnungen der Stadt ergibt sich, daß bereits das ganze 16. Jahrhundert hindurch Weihnachtstannen aufgestellt wurden. Im Elsaß scheint die Sitte zu der Zeit schon allgemein verbreitet gewesen zu sein, denn 1604 heißt es in einer Handschrift: „Auf Weihnachten richtet man Dannenbäume zu Straßburg in den Stuben auff, daran henket man Rosen aus vielfarbigem Papier geschnitten, Aepfel, Zuckerwerk und dergleichen.“ In einem von dem Straßburger Professor Dannhauer 1654 herausgegebenen Buche „Katechismusmilch“ eifert der Verfasser gegen die Weihnachtsbäume: „Unter allen Lappalien, damit die frohe Weihnachtszeit oft mehr als mit Gotteswort begeht, ist auch der Weihnachtsbaum oder Tannenbaum, den man zuhause aufrichtet, denselben mit Zucker und Puppen behängt und ihn hernach schütteln und abblumen läßt.“ Den mit Lichtern versehenen Weihnachtsbaum erwähnt Gottfried Kyßling in seiner Schrift: „Von heiligen Chryst-Geschenken“ (1737).

Von Goethe liegt eine Nachricht vor, wonach 1765 schon in Leipzig Weihnachtsbäume aufgestellt wurden. Als er, so heißt es in einem Werke, bei der Großmutter Theodor Körners Weihnachten feierte, wurde dort ein Christbaum aufgestellt, mit allerlei Süßigkeiten behängt. Darunter Lamm und Krippe, Maria und Joseph und Ochs und Eselein, davor aber ein Tischchen mit braunen Pfefferkuchen für die Kinder. Auch in „Werthers Leiden“ ist des Weihnachtsbaumes Erwähnung getan. So heißt darin von Lotte: „Sie beschäftigte sich, einige Spielwerke in Ordnung zu bringen, die sie ihren kleinen Geschwistern zum Christkinde gemacht hatte. Er – Werther – redete von dem Vergnügen, das die Kleinen haben würden, und von den Zeiten, da eine unerwartete Oeffnung der Tür und die Erscheinung eines aufgeputzten Baumes mit Wachslichtern, Zuckerwerk und Aepfeln in paradiesische Entzückung setzt.“

Vor hundert Jahren fanden sich, wie Kügelgen in seinen Jugenderinnerungen berichtet, auf dem Weihnachtsmarkte zu Dresden die ersten mit Rauschgold, buntem Papier und Kerzen geschmückten Christbäume vor. Um dieselbe Zeit war auch am Rhein der lichtumflossene Baum allgemein im Gebrauch.

Jetzt dürfte kaum noch eine Gegend in unserem deutschen Vaterlande sein, wo nicht am Weihnachtsabende der immergrüne Tannen- oder Fichtenbaum mit glänzendem Flitter behangen und mit strahlenden Kerzen geschmückt, die Herzen der Kleinen und auch der Großen erfreut. Und überall erklingt aus dankbaren Kinderlippen das Lied:

Der Christbaum ist der schönste Baum,
Den wir auf Erden kennen …

Irgendwelche einwandfreien Beweise, welcher Herkunft der Weihnachtsbaum ist, liegen nicht vor.

Genaues hat nur mein Großmütterlein zu erzählen gewußt, die mir in einer Abendstunde davon erzählte, wie die Tanne zum Weihnachtsbaume wurde: „In jener heiligen Nacht, da das Christkindlein zu Bethlehem geboren ward, da standen auch drei Bäume dicht bei der Krippe, ein Oelbaum, ein Palmbaum und ein Tannenbaum. Der Oelbaum träufelte duftendes Oel vor die Lagerstatt des Kindes; der Palmbaum bekränzte sie mit seinen schönsten Blättern; nur die Tanne wußte nicht, was sie geben sollte und weinte bitterlich. Da brachten die lobsingenden Engelein schnell einige Sterne vom Himmel herab und schmückten das Bäumchen damit. Als dann das Christkind erwachte und blinzelnd die Augen aufschlug, da freute es sich am meisten über die glänzende Tanne. So ward sie zum Weihnachtsbaum.“

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 52 – Sonnabend, den 25. Dezember 1926, S. 2