Eishöhlen im Erzgebirge.

Als Eishöhlen im Erzgebirge sind bekannt: der Garische Stollen, die Ritterhöhle und die Stülpnerhöhle bei Ehrenfriedersdorf, die Binge bei Geyer und die „Alte Thiele“ bei Buchholz im sächsischen, die Schneebinge bei Platten im böhmischen Erzgebirge. Diese Eishöhlen sind natürliche oder künstliche Hohlräume im Felsgestein, welche das ganze Jahr hindurch oder wenigstens während eines größeren Teiles desselben Eis enthalten, das sich in ihnen selbst gebildet hat. Die Stülpnerhöhle und die Ritterhöhle sind statische oder eigentliche Eishöhlen, auch Sackhöhlen genannt, indem sie, nach hinten zu sich senkend, am unteren Ende abgeschlossen sind, sodaß die von außen eindringende kalte Luft nach der Tiefe sinkt und dort die Eisbildung bewirkt; beim Eintritt der wärmeren Jahreszeit aber hält sich durch das Schmelzen des Eises die Temperatur lange Zeit in der Nähe des Nullpunktes, der Eisvorrat geht daher nur ganz langsam seinem Ende entgegen. Der Garische Stollen gehört zu den dynamischen Eishöhlen oder den Windröhren, bei denen ein Spaltensystem, das vom Hintergrunde aus den Berg durchzieht, eine unterirdische Verbindung mit höher gelegenen Stollen ermöglicht, was zur Folge hat, daß sofort eine Luftströmung entsteht, wenn die Temperatur innerhalb und außerhalb der Höhle verschieden ist, und dadurch das Innere im Winter abkühlt, im Sommer nur allmählich erwärmt wird, das Eis also lange erhalten bleibt. In den Windröhren herrscht meist ein starker Luftzug, während es in den Sackhöhlen im Sommer vollkommen windstill ist. Die „Alte Thiele“ stellt sich als Uebergang von den Sackhöhlen zu den Windröhren dar, indem sie nach ihrer ganzen Anlage zu den ersteren gerechnet werden muß, aber durch ihre hintere Kammer, welche die Verbindung mit anderen Gängen herstellt, sich dem Charakter der letzteren nähert. Alle die genannten Eishöhlen des Erzgebirges verdanken ihren Ursprung dem Bergbau; denn sie befinden sich in Einsenkungen, welche durch den Zusammenbruch vom Bergbau geschaffener unterirdischer Hohlräume entstanden sind. Bis in den Mai und Juni hinein findet sich in ihnen Eis vor; in der Schneebinge bei Platten, der eisreichsten dieser Höhlen, noch länger. Dort wurde am 21. Juni 1894 die Tiefe des den Boden bedeckenden Firns auf 1,5 bis 3 Metern bestimmt! Schon lange ist die Schneebinge wegen ihres Eisreichtums im Sommer bekannt. In eisarmen Zeiten wird von ihr Eis nach Karlsbad geführt; im Jahre 1863 soll sogar nach Leipzig zum Turnfest Eis aus der Binge versendet worden sein. Gegenwärtig ist sie an eine Bierbrauerei in Platten verpachtet.

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 52 – Sonnabend, den 25. Dezember 1926, S. 3