Der Einfluß Annabergs auf die Benennung anderer Städte.

Annaberg ist bekanntlich nach der heiligen Anna benannt worden. Diese gilt als die Mutter der Jungfrau Maria, ist somit die Schwiegermutter des heiligen Josef, des Gatten Marias (es hört sich höchst trivial an, ist aber nun einmal so) und die Großmutter des Heilandes. Ihr Ehemann war nach der Legende der heilige Joachim.

In den Meißnischen Landen wurde St. Anna anfangs wenig beachtet, bis Kurfürst Friedrich der Weise, der diese Heilige besonders verehrte, vom Papste einen Gnadenbrief erwirkte, „Kraft dessen fortan in den gesamten sächsischen Landen jährlich der heiligen Anna ein Fest, gleich den Höchsten, gefeiert werden sollte.“ Nun kam der Annenkult in großen Schwung, namentlich in den Bergbaugegenden, so auch im Erzgebirge. Schrieb man doch der Fürbitte St. Annas die Blüte des Bergbaus zu.

Herzog Georg der Bärtige ergriff die Gelegenheit, die Neustadt am Schreckenberge mit dem Namen der Heiligen zu beehren und ihr in Annaberg einen Hauptsitz der Huldigung zu schaffen. In der St. Annenkirche wurde ihr ein herrliches Heiligtum errichtet. Zahlreiche Ueberreste der heiligen Frau wurden aus weiter Ferne nach Annaberg geholt. An ihre Wunderkraft glaubte man inbrünstig. Die Annaberger Kirche wurde daher ein berühmter Wallfahrtsort. Von überall strömten die Kranken und Lahmen herbei, um von St. Anna Heilung zu empfangen.

So ist es kein Wunder, daß bei späteren Städtegründungen Annaberg in seiner Verehrung St. Annas als Muster genommen wurde. Das Beispiel Annabergs spornte an, die neuen Städte mit der berühmten Heiligen in Beziehung zu bringen. Dies geschah vielfach dadurch, daß man die Städte nach der Heiligen, welche die nächsten Verwandten St. Annas waren, benannte. Auf diese Weise glaubte man die heilige Frau zu ehren und auch teilzunehmen an dem Kult, den die Stadt Annaberg in so glänzendem Maße trieb.

Der ehrwürdige Geschichtsschreiber Jenisius teilt uns darüber folgendes mit:

„Die böhmischen Grafen v. Schlick nahmen von der Benennung dieser Stadt (d. h. Annabergs) Veranlassung, die von ihnen erbaute Stadt dem Ehemann der Anna Joachimsthal zu nennen.

Dies bewog ferner den sächsischen Fürsten Heimrich den Frommen, den Bruder Georgs, daß er der von ihm gegründeten Stadt den Namen Marienberg beilegte und den Flecken, welcher an der äußersten Grenze des Meißner Landes in waldiger Gegend liegt, Jöhstadt d. i. Josephsstadt benannte.“

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 28 – Sonntag, den 11. Juli 1926, S. 2