Das Warmbad Wolkenstein im Erzgebirge (2).

(Fortsetzung und Schluß.)

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 28 – Sonntag, den 8. Juli 1928, S. 2 – 3.

Brückenklippe in der Wolkensteiner Schweiz.

Die Krankheiten, gegen welche das Thermalwasser der Warmbader Mineralquelle vorzüglich zu Bädern mit Erfolg seit Jahrhunderten angewendet wird, sind:

  1. Krankheiten des Nervensystems, besonders Lähmungen, ausgehend vom Gehirn infolge von Schlaganfällen (nach Ablauf des entzündlichen Reaktionsstadiums) oder vom Rückenmark infolge von Verletzungen oder akuten Entzündungen: Tabes dorfalis besonders im Anfangsstadium; Paralysis agitans, Paralysis spatica; Nervosität, besonders mit dem Charakter der reizbaren Schwäche, allgemeine Nervenschwäche, Überreizung und Erschöpfung des Nervensystems, Neurasthenie, Hysterie (auch Morbus, Basedowii), Dementia senilis, Neuralgien jeder Art, vornehmlich Ischias; Folgezustände von Gehirn- und Rückenmarkerschütterungen (einschließlich Symptomenkomplex der traumatischen Neurose), Nerven-Verletzungen, Nervenentzündungen und Intoxikationen (Metallvergiftungen), Beschäftigungskrämpfe und vasomotorische Neurosen. — Hervorragende Besserungen werden speziell bei Tabes dorfalis erzielt; doch ist unbedingt ein wiederholter Gebrauch notwendig. Warmbad erfreut sich überhaupt eines besonderen Rufes als beruhigendes Nervenbad und bietet namentlich Gelegenheit zur stillen Zurückgezogenheit. — Kranken mit den Folgen von Schlaganfällen kann aber ganz besondere Vorsicht beim Gebrauch der Quelle, sowie überhaupt die strenge Befolgung der ärztlichen Anordnungen nicht dringend genug angeraten werden.
  2. Rheumatismus der Gelenke und Muskeln in allen fieberfreien Formen, Gicht und chronische Gelenkentzündungen.
  3. Alte Wunden, Gelenksteifigkeiten, Muskelverkürzungen, Narben nach Unfällen und Entzündungen, besonders nach Knochenbrüchen, Verrenkungen, Hieb- und Schußverletzungen und Quetschungen.
  4. Skrofulöse und tuberkolöse Knochen- und Gelenkerkrankungen, Osteomalazie.
  5. Hauterkrankungen, veraltete Syphilis und deren Folgekrankheiten.
  6. Blutarmut, Bleichsucht, Entwicklungschlorosen, Skrofulose, allgemeine Schwächezustände nach schweren Krankheiten im Rekonvaleszenzstadium, Altersschwäche, Altersgebrechen und Altersbrand.
  7. Menstruationsanomalien, Exsudatreste nach entzündlichen Zuständen des Bauchfelles der weiblichen Genitalorgane, katarrhalische Zustände der letzteren (chronische Metritis und Endometritis); Amenorrhöe und Dysmenorrhöe, gewisse Fälle von Sterilität.
  8. Nervöse Herzerkrankungen, Fettherz, Arteriosklerose, Herzfehler nach Gelenkrheumatismus werden stets günstig beeinflußt.
  9. Störungen der Verdauungsorgane, wenn sie auf allgemeiner Schwäche und nervöser Grundlage beruhen, so nervöse Verdauungsschwäche, Darmträgheit und chronischer Magenkatarrh; Erholungsstadium nach Darmgeschwüren und Blinddarmentzündung.
  10. Nieren- und Blasenleiden, besonders Blasenkatarrhe mit vorherrschenden Reizungssymptomen.
  11. Influenza und deren Folgen.
  12. Bronchial- und Lungenspitzenkatarrhe; Bronchialasthma.
Teichpartie.

Von Lungenkrankheiten wird Warmbad wegen seiner geschützten Lage, des milden Gebirgsklimas, der ozonreichen Luft, der fast ländlichen Einfachheit und des hier herrschenden geräuschlosen Lebens gern und meist mit großem Nutzen zum Aufenthalt gewählt. Für den Aufenthalt von an vorgeschrittener Lungentuberkulose Leidenden ist Warmbad jedoch nicht eingerichtet.

Warmbad, von Nordost aus gesehen.

Für Warmbad eignen sich nicht:

  1. alle fieberhaften Erkrankungen und Entzündungen,
  2. Kongestionen nach Gehirn und Lunge,
  3. Lungenschwindsucht,
  4. Geschwülste.
Partie aus der Wolkensteiner Schweiz.

Zur Unterstützung der Kur dienen:

  1. elektrische Bäder; sie werden mit großem Erfolg angewendet bei
    a) Neurasthenie und neurathenischer Hypochondrie;
    b) Dementia senilis,
    c) Arteriosklerose,
    d) multiplen Neuralgien,
    e) Ischias,
    f) manchen Formen von chronischem Rheumatismus, besonders hartnäckigem Muskelrheumatismus;
  2. Duschen aller Art, schottische usw.;
  3. Einpackungen;
  4. Abreibungen;
  5. Massage, vom Badearzt selbst bezw. der „Schwester” ausgeführt;
  6. gesamte moderne Licht- und Elektrotherapie, Hochfrequenzbehandlung, engste Verbindung der elektrischen Behandlungsmethoden mit der Anwendung der kohlensäurehaltigen Mineralquelle;
  7. Heilgymnastik. In dem eigens dazu eingerichteten Kabinett sind zwölf gute Apparate aufgestellt, an denen alle notwendigen Übungen vorgenommen werden können.

Teils zur Unterstützung der Wirkung der Bäder, teils zur selbständigen Kur wird von der Bade-Ökonomie täglich zwei Mal frische Kuhmilch geboten; außerdem werden von der Badedirektion alle gangbaren fremden Mineralwässer vorrätig gehalten bezw. schnellstens beschafft.

Villa „Luxemburg”.

Als Trinkkur angewendet wird die Warmbader Mineralquelle besonders bei akuten und chronischen Magen- und Darmkrankheiten, so namentlich bei nervöser Verdauungsschwäche, chronischen Magengeschwüren, chronischen Dickdarmkatarrhen mit anhaltenden Diarrhöen (z. B. auch bei Enteritis membranacea); bei Gallensteinen; bei akuten und chronischen Nieren- und Blasenerkrankungen (Nieren- und Blasensteinen); bei harnsaurer Diathese (Rheumatismus, Gicht); bei Diabetes mellitus, Chlorose und Skrofulose. Geradezu überraschend günstige Wirkungen werden erzielt bei oft selbst hochgradiger Albuminurie nach Scharlach.

Die Erfahrungen haben gezeigt, daß die Quelle nicht nur in Warmbad selbst, sondern auch zu Hause mit gutem Erfolg getrunken werden kann. Eine solche Trinkkur kann zu jeder Jahreszeit unternommen werden und ist angebracht, wenn eine Kur in Warmbad selbst aus äußeren Gründen nicht gebraucht werden kann, z. B. im Frühjahr, Spätherbst oder Winter, ferner zur Nachkur beim Gebrauch der hiesigen oder fremder Bäder oder Trinkquellen, welche den Organismus mehr angreifen. Bemerkenswert ist dabei auch, daß die Trinkkur in der Hauptsache keine besondere Diät erfordert, abgesehen von derjenigen, die bei jedem einzelnen der betreffenden Krankheitszustände an und für sich nötig ist. — Die Versendung der Warmbader Mineralquelle erfolgt in Glasflaschen und die Füllung derselben mittelst besonderer maschineller Vorrichtungen unmittelbar an der Quelle unter ärztlicher Aufsicht. Das Wasser kann sowohl direkt durch die Badedirektion oder auch durch die in verschiedenen größeren Städten bestehenden Niederlagen bezogen werden.

Landhaus.

Saisondauer, Kurzeit und Kurdauer.

Die Badesaison beginnt Anfang Mai und währt bis Ende September; doch werden schon von Mitte März an und bei günstiger Witterung bis Ende Oktober Bäder abgegeben. In Bezug auf die Kurzeit muß immer wieder darauf hingewiesen werden, daß besonders für manche Nervenkrankheiten wegen der größeren Ruhe, der anregenden, erfrischenden Luft der Gebrauch der Frühjahrs- und Herbstkuren entschieden vorzuziehen ist. Die Witterung und Temperatur ist gewöhnlich im zeitigen Frühjahr und Herbst gleichmäßiger und beständiger als in den Sommermonaten. — Bezüglich der Kurdauer ist zu bemerken, daß zwar in einer großen Anzahl von Fällen innerhalb der üblichen vierwöchigen Kurzeit recht gute Resultate erzielt werden, daß aber besonders bei vielen chronischen Nerven- und rheumatischen Leiden eine längere Ausdehnung dieser Kurdauer Besserungen und Heilungen bewirkt, wie sie durch die üblichen zeitlich begrenzten Kurperioden nicht zu erzielen sind.

Villa „Daheim”, Zimmer Nr. 16.

Zur Nachkur ist Warmbad besonders geeignet nach dem Gebrauch von Karlsbad, Ems, Wiesbaden, Aachen, Marienbad usw. — Wegen seines äußerst günstigen Klimas, seiner vielen Nadel- und Laubwaldungen eignet sich Warmbad auch als Übergangsstation aus den Winterkurorten.

Badeärzte: Sanitätsrat Dr. Kay und Dr. Sandkuhl. Die Ärzte sind nicht von der Kurverwaltung angestellt; sie üben ihre Tätigkeit freiberuflich aus; die Kosten für etwaige ärztliche Behandlung sind mit ihnen direkt zu ordnen.

Kurtaxe: Dieselbe beträgt 10 RM. und wird in Form einer allgemeinen Gebühr für die Benutzung der Kurmittel, Anlagen, Konzerte, sowie sonstiger Einrichtungen von jeder erwachsenen Person erhoben; sie ist auch von den Kurgästen zu zahlen, die in den umliegenden Sommerfrischen wohnen.