Christian Lehmann. Historischer Schauplatz des Obererzgebirges.

Wir beginnen heute an dieser Stelle mit dem Abdruck der hochinteressanten Lehmann-Chronik, nach der Bearbeitung Lic. Dr. Bönhoffs-Dresden. Der Stoff, den wir hier bieten, soll dann zu einem Werke zusammengetragen und in Buchform herausgegeben werden, sodaß unsere Leser dieses Geschichtswerk von der Verlagsanstalt käuflich erwerben und dann ihrer Hausbibliothek einverleiben können. Christian Lehmann sen., weiland Pastor zu Scheibenberg, gibt, wie er selbst schreibt, in dem Werke den historischen Schauplatz in dem „Meißnischen Obererzgebirge“, darin eine ausführliche Beschreibung „dieser gantzen gebirgischen und angräntzenden Gegend / Nach ihrem Lager / Gestalt / Bergen / Thälern / Felßen / Flüssen / Brunnen / warmen Bädern / Wäldern / Landes-Art / Früchten / Wildsbahne / wie auch observirten Zustand der Elementen / Himmelszeichen / Witterung / u. allerhand / Wunder und Abentheuer / Glücks- und Unglücks-Fällen an Menschen und Vieh / enthalten / Weiland von dem seel. Autore mit großem Fleiß / aus alten Schrifften und Documenten / meistentheils aber mühsamer eigener Erfahrung zusammengetragen / und mit warhafften Geschichten ausgeschmücket / Nun aber mit schönen Kupfern und nöthigen Figuren gezieret / und durch den öffentlichen Druck aufgethan von dessen hinterlassenen Erben.“ Der Herausgeber des Buches aber schreibt in seinem Vorwort: „Der Schauplatz des Obererzgebirges, den Lehmann einst schrieb, soll wieder herausgegeben werden; denn er ist so selten geworden, daß er unbekannt zu werden droht. Aber es soll ein handliches und deutsches Erzgebirgswerk werden. Handlich: nicht als ein dickes Volumen soll es den modernen Leser abschrecken, sondern in kleinen Bücheln den Weg zu seinem Herzen und seiner Aufmerksamkeit finden. Deutsch: darum merzen wir die lateinischen und griechischen Zitate aus und die lateinischen Worte, die wir doch dolmetschen müssen, ersetzen wir einfach; das wird dem Buche nicht schaden: wir legen Wert auf das Lebendige, nicht auf das Antiquarische. Ein Erzgebirgswerk: darum scheiden wir die fremden Beispiele aus, sie sind nur unnützer Ballast. Und ein Lehmann soll’s sein; darum beschränken wir uns auf das, was er selbst geschrieben. Was aber seine Söhne hinzugefügt haben, lassen wir aus. Auch ihre Redaktion ändern wir da, wo wir es im Interesse des Ganzen für besser halten.“

Wir beginnen nunmehr mit dem Abdruck des Kapitels 1 des Werkes:

Kapitel 1.
Was den Autor zur Abfassung dieses Buches bewogen?

Es ist uns allen angeboren, daß wir gerne im Vaterlande sind und wohnen und dasselbe aufs beste helfen schmücken und erheben. Ja, die Erfahrung gibt in diesem Obererzgebirge, daß auch die wilden Tiere gerne an den Orten Stand halten, wo sie gefallen, also daß sie bei hohen Jagden kümmerlich daraus gebracht werden. Nun bin ich ein geborener Obererzgebirger: Königswalde hat mich Anno 1611 ans Licht gebracht, Elterlein erzogen und geliebt, Scheibenberg soll mich begraben. Darum habe ich auch billig erachtet, mein Vaterland zu preisen, und dahin hat mich mein Sinn — ohne allen eitlen Ruhm, welchem ich vorlängst abgestorben — von Jugend auf getragen, der Nachwelt allerlei Merkwürdigkeiten von diesem meinem Vaterlande zu entdecken, auch meinen lieben Kindern einen Natur-, Welt- und Zeitspiegel vorzuhangen, damit sie daraus erkennen möchten, in was für rauhem Gebirge und trübseligen Zeiten sie erzogen worden, und wie ich mitten unter den gefährlichsten Kriegsläuften Gottes und der Natur Wunder angemerkt und mein bekümmertes Gemüte neben meinen unausgesetzten Amtsverrichtungen mit Schreiben belustigt. Die Lust hat meine Mühe bezahlt: diese Arbeit hat mir mitgebracht zur Ausbeute „die Süße des Wissens, des Gewissens und der Geduld“, wann ich in der Bibel und dann auch in dem obererzgebirgischen Berg-, Tal- und Forstbuch meine Ergötzlichkeit gesucht, und das ist mir, bei meiner Diät, auch mühsamer Perlustration des Gebirges nicht übel bekommen, wie dann die Gesundheit auf zwei Stücken, „Mäßigkeit und unverdrossener Arbeit“, gegründet:

„Ich liebe Gott, Gebirg‘,
Diät und Bücherfleiß.“

Doch ist mein Hauptzweck Gottes Ehre gewesen, seine Wunder und Wohltaten zu rühmen, wie er diese vormals ungebaute Wüstenei erschaffen und veredelt, insonderheit die „Berge mit Kraft feste gegründet“, teils den armen Verfolgten und Flüchtlingen in Kriegs-, Pest- und andern gefährlichen Zeiten zum Schutz und Aufenthalt, wie uns armen Leuten im Dreißigjährigen Krieg geschehen, teils zum Trost, daß man daraus seine Allmacht, Weisheit und gnädige Vorsorge erkenne und preise, maßen er in einem so wilden Gebirge so viel tausend Kreaturen ernährt und schützt, auch endlich seine Kirche in der Wüstenei gesammelt. Und so soll man desto lieber im Gebirge wohnen, weil der allgütige Gott dies Gebirge mit allerlei geistlichen und leiblichen Gaben geschmückt, auch die hochgebenedeite Mutter Gottes mit ihren Eltern und Bräutigam über dies Gebirge, also zu reden, gegangen und den Adel ihres preiswürdigen Namens auf hiesigen Bergen und Tälern in Annen- und Marienberg, Josephsstadt und Joachimsthal glorwürdig angeschrieben. Ich bin gewest ein Prediger in dieser gebirgischen und zumal martialischen Wüstenei und soll Gottes seltsame Wunder und unverdiente Wohltaten nicht verschweigen, welcher diesem vorzeiten wüsten Gebirge unermeßliche Gnade erwiesen; so lebe ich auch des demütigsten Vertrauens, er werde nach dem Reichtum seiner Güte diese meine geringe Arbeit sich gnädig gefallen und der Nachkommenschaft gedeihen lassen.

(Fortsetzung nur in den „Erzgebirgischen Heimatblättern“.)

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 42 – Sonntag, den 14. Oktober 1928, S. 4