Bilder von einer Wanderfahrt durch das Erzgebirge vor 80 Jahren.

Das Schweizerdörfchen „Globenstein” im Pöhlatal.

Das Tal der Pöhla ist wegen seiner prächtigen Gebirgsromantik das Ziel vieler froher Wanderfahrten unserer Erzgebirger und wir bringen mit unseren heutigen Heimatblättern eine interessante Illustration des alten Globenstein. Die alten Hütten und Häuser gruppieren sich idyllisch an die Berglehne. Aus einem „Rescripte vom Churfürst Johann Georg III. d. d. Dresden, den 27. August 1686“ geht hervor, daß aus einer Anzahl alter Wäschen und Pochwerken kleine Häuser entstanden sind, nachdem, wahrscheinlich aus Mangel an Erzen, dieselben von den Bergbetrieben für Wohnzwecke freigegeben waren. Unser Bild zeigt diese Häuser, die gewissermaßen die ersten Siedlungen von Globenstein darstellen. Die Industrie hat heute ja längst auch im Tal der Pöhla Einzug gehalten und die Globensteiner Holzwarenfabrik Flemming u. a. Unternehmen beschäftigen viele Arbeiter. Interessant aber ist es zu hören, wie ein Wanderer aus alter Zeit den Flecken Globenstein schildert. In der Niederschrift heißt es da: Wir gehen dem Flusse entlang nach dem 16 Häuser zählenden Schweizerdörfchen Globenstein hinab und begreifen nicht, wie es hat kommen mögen, daß sich Menschen in einem solchen Felsengewirre ansiedeln konnten. Das Thal ist enge; hier thurmhohe, den Einsturz drohende Gneus- und Glimmerschiefermassen; da eine Wüste von Felsgetrümmer, als hätten sich Riesen damit geworfen, und dennoch hier und da ein Stückchen Feld oder Grasboden, hervorgemartert unter vielen tausend Gesteinstücken, die wie Wälle haushoch um die kleinen Räumlichkeiten aufgeschichtet sind, weil es außerdem weiter keine Räumlichkeiten gab. Die kleine Einwohnerschaft sieht die Sonne eine Stunde später auf- und eben so lange früher untergehen.

Die Pöhla zerschellt ihre farbenlosen Wellen unter Tosen und Rauschen an den Klippen, womit ihr Bett belastet ist, und wirft sie in weißem Schaum die regellose Treppe hinab nach der sanfteren Mündung. Hier am Fuße des Drachen- und Rottenberges ist ihr Weg mit Türkis und Smaragd [1] bestreut, beide Ufer mit Laubholz und Blumen bekränzt, unter welchen sie noch weithin die Mädchenjahre vertanzt. Hebel in seinen alemannischen Gedichten konnte kein schöneres Bild fü seine Wiese wählen, als das eines Mädchenlebens. Gar oft saß ich am westlichen Abhange des Zigeuners [2], lauschte dem Getose der Wellen und dem Geplätscher kaum geborner Quellen, wie diese sich bald überkugelnd der älteren Schwester nacheilen, bald tändelnd umher die Blumen auf nachbarlichen Wiesen tränken und dann auf den wunderlichsten Wegen ihre Führerin wieder zu erlangen streben. Hier tanzt die lebensfrohe Pöhla über die Räder der Mühlen, dort macht sie gewaltige Pas über die Wehre. Es ist die schottische Zeit des Mädchens. Die frühzeitige Verbindung mit dem Schwarzwasser bringt eine andere Farbe in ihr heiteres Leben und Tropfen der Wermuth, herabgesandt von Beyerfelds Vitriol- und Schwefelwerk, verbittern ihr die Ehe. Adoptirt von der Mulde bei Aue, entschließt sie sich zur weitern Reise in die Elbe und mit dieser vielgeprüften Lebenssatten in die Wasserewigkeit der Meere. Hier wird sie über lang oder kurz, vielleicht unter tropischen Himmelsstrichen, durch die Macht der Sonne zur Auferstehung gerufen; geisterartige Gebilde erheben sich aus dem großen Todtenacker der Flüsse, formen sich in Wolken und geben sich in endlos wechselnden Gestalten den entferntesten Ländern in erquickendem Thau und Regen kund, um den Glauben ihrer „—– Lieben, die in ferner Heimath blieben,“ an die Fortdauer nach dem Tode und an das Wiederfinden der früher Heimgegangenen zu befestigen.

Großpöhla.

In den 109 dicht zusammengedrängten und vielfach ineinander verkästelten und beschindelten Häusern, mit Einschluß von dem nebenangelegten Kleinpöhla, wohnen nicht weniger als 1489 Menschen, von welchen das Männergeschlecht bei den beiden Hammerwerken, dem sogenannten Biedermann’schen und dem Pfeilhammer, großentheils seine Nahrung findet, Weiber und Kinder hingegen das Spitzenklöppeln treiben. Schon im Jahre 1593 besaß Hans Klinger den Pfeilhammer und nach ihm der Hauptmann Karl Goldstein zu Quedlinburg und der Kammermeister Marcus Röhling 1600. Das Erbgericht zu Großpöhla erhielt Velten Hans durch den Grafen Ernst von Schönburg zuerst in dieser Eigenschaft. Die Leistner’sche Spitzenhandlung ist sehr gut renommirt, auch die großartige Kalkbrennerei und der Magneteisensteinbergbau des Pfeilhammerbesitzers.

Großpöhla ist in dem Rufe, viel schöne Mädchen und Weiber zu haben, denen jedoch ein ungemeiner Wortverbrauch im Conversationsleben, das heißt unter sich, eigen ist, wie es im Gebirge nicht leicht wieder vorkommt. Sie wiederholen nämlich häufig die Phrasen stückweise; z. B „Wo gehst Du hin – gehst de?“ – „Was machst Du denn Mahd (Magd) – he, Mahd?“ – „Kneip die Katz nicht in Schwanz – kneip se, sie hot Junge im Leib – hot se.“ – „Tausende, güldige, schöne Band-, Borden- und Zwirnlorn von Ehrenfriedersdorf, sei sie ner amol so gut und hol‘ sie mein’n Bruder ’n Gevatter Schererzgottlieb a weng Tobakpfeifenfeuer ‚rein;“ statt: „hole doch meinem Bruder Tabakfeuer;“ – mag wohl erdacht sein, ist aber für die Vielredenheit sehr bezeichnend. Dazu gesellten sich noch unter den Bewohnern eine Menge sonderbarer Gebräuche und das Familienleben bezeichnender abergläubischer Gebahrungen, besonders zur Weihnachtszeit.

(Fortsetzung folgt.)

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 40 – Sonntag, den 3. Oktober 1926, S. 1