Ein Besuch im Herkulesschacht.

Anläßlich des so gut ausgefallenen Schulfestes unternahm am wunderschönen 2. September die erste Klasse der Schule zu Niederschlag einen Ausflug nach dem Herkulesschacht bei Fürstenbrunn. ½ 5 Uhr morgens fuhr der Zug, und ¾ 4 Uhr schon zogen die ersten Jungen an der Schule vorüber! Ja, ein Ausflug, dazu noch einer in ein Bergwerk, in ein richtiges Bergwerk!

Eine Einfahrt ins Erzbergwerk am Fürstenberg. Schulkinder von Niederschlag in Bergmannstracht.

Langweilig ist eine Fahrt bei einer Klassenreise nie. Bald hieß es „Cranzahl – Umsteigen!“ – „Buchholz – Umsteigen!“ Am mächtigen Scheibenberg vorüber ging’s in morgendlicher Fahrt; langsam zitterte der Zug über die große, teilweise eingerüstete Brücke bei Mittweida-Markersbach. Endlich: „Raschau, Aussteigen!“ Lustig ging’s über die Höhe nach Langenberg. Von hier ab wiesen uns die auffallenden Pfeile sicher nach dem Erzbergwerk. In 1 ½ Stunde ist es bequem von Raschau aus zu erreichen.

In großen Lettern grüßte uns des Bergmanns „Glück auf“ über der Tür des Steigerhäuschens. Was kostet die Einfahrt? Erwachsene 1 Mk., Kinder 0,50 Mk., in der Klasse 0,30 Mk.

Wer in ein Bergwerk einfährt, muß doch auch als Bergmann eingekleidet sein! Ein Rock, eine dicke Filzmütze, eine Grubenlampe und ein Steigerstock werden gegen 0,20 Mk. jedem ausgeliehen. Anfangs wollten die Kinder nicht recht daran, sich zu verkleiden, aber wenn sich der Lehrer anzieht, dann wagt es doch dieser und jener, und zuletzt waren sogar die Mädchen zu Bergleuten geworden. Seht nur die schmucke Schar auf dem Bilde!

Mit dem alten „Glück auf! Der Steiger kommt!“ zogen wir in den Schacht. Einen langen, langen Stollen ging es entlang. Hier schon erwies sich unsere Bergmannskleidung als praktisch; überall tropfte es von den Wänden und der Decke. Auch die dicke Pelzmütze tat gute Dienste; wer weiß, wieviele Beulen oder blaue Flecken es gegeben hätte, wenn wir diese vortreffliche Kopfbedeckung nicht gehabt hätten! Für ganz Große ist sie jedenfalls unentbehrlich.

Endlich hielt unser Führer einmal. Er erzählte, der Weg im Bergwerk habe eine Länge von drei Kilometern. 800 Meter befänden wir uns unter der Erde. Was gab es nun hier unten im Schoße unserer Heimat alles zu sehen! Wir standen in einer großen Halle. die Decke war nur durch wenige natürliche Pfeiler gestützt, die die Bergleute beim Ausschachten stehen gelassen hatten. Ueberall war noch Marmor zu sehen, nach dem man hier einstmals gegraben hatte. Je tiefer man grub, desto schöner wurde der Marmor. Als aber der Bergbau aufgegeben wurde, sammelte sich in dem 15 Meter tiefgegrabenen Stollen das Wasser und still und ruhig liegt sein Spiegel über der Arbeit des fleißigen Bergmanns. Er schimmert im grünen Licht einer Lampe. Wo anders färbt rotes Licht den bleichen Marmor rosig.

Wieder ging es durch einen Stollen in eine zweite große Halle. Auch hier sah man wieder marmorne Wände. Im nächsten Stollen glitzerten und blinkten kleine Kristalle in unserem Lampenschein. Hier hatte man Zinkblende gefunden, auch Mangan und Arsenik.

Auf unserem Wege begegnete uns sogar der Berggeist! Auch seine Kanzel haben wir gesehen. In einer Halle wies uns der alte Rübezahl den Weg unserer unterirdischen Wanderung.

Mit dem Liede „Deutschland, Deutschland über alles“ zogen wir aus dem tiefen, abgeschiedenen Reiche des Bergmanns. Ueber eine Stunde waren wir da drunten gewesen. Draußen schien warm die Sonne. Die Wärme tat ordentlich wohl, die uns empfing; denn heiß ist es da drinnen nicht gerade. Man könnte glauben, die Bergleute seien gestern das letzte Mal eingefahren, wenn der Führer nicht erklärt hätte, daß das Bergwerk 1921 endgültig eingegangen sei.

Uns hat es da drinnen sehr gut gefallen. Lehrreich war der Besuch für Lehrer und Schüler. Wenn sich nun noch diese oder jene Klasse aufmachen sollte, um den Schacht zu besuchen, so wünschen wir allen dieselbe Freude, die wir empfunden haben, und ein herzliches „Glück auf!“

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 40 – Sonntag, den 3. Oktober 1926, S. 2