Aus der Sagenwelt des Erzgebirges.

(Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirk.)

Die Erlösung.

Auf einer Wiese am Abhange des Plattenberges bei Platten sah man vor längst entschwundenen Jahren öfters einen Mann umherwandeln, der auf der Achsel einen Grenzstein trug und schrie: „Wohin soll ich ihn setzen?“ Das war ein gespenstischer Mann, der zu Lebzeiten, um seinen Besitz zu vergrößern, den Rainstein auf der Wiese zum Nachteile seines Nachbars versetzte und deshalb zur Strafe für diese ungerechte Handlung so lange mit dem Stein herumirren mußte, bis ihn jemand erlösen würde. Als an einem Abende einen Bürger aus Platten der Weg über diese Wiese führte, stand plötzlich der verwünschte Mann mit seinem Stein vor ihm und rief in kläglichem Tone: „Wohin soll ich ihn setzen?“ Gefaßt erwiderte der Angesprochene: „Trag ihn hin, woher du ihn genommen hast!“ Diesen Worten folgte ein Blitz und Donnerschlag und der Mann mit dem Steine war verschwunden; man hat ihn auch, da er erlöst war, nie wiedergesehen.

Das Schindergründel bei Joachimsthal.

In der Joachimsthaler Gegend hauste früher ein gewisser Schinderhans, von welchem man manches drollige Märchen erzählt; dem Volksglauben nach soll er mit dem Teufel im Bunde gewesen sein.

Ein anderer Räuber hieß Schwabenkunert; dieser verstand die Kunst, verschiedene Gestalten anzunehmen.

Beide wurden nach Verübung vieler Untaten am Galgenberge gehängt; als dort vor einiger Zeit Steine gebrochen wurden fand man noch ihre Skelette. Als man diese herausnahm, reichten sich die zwei Galgenvögel die Hände.

Auch geschah einst im Schindergründel ein Mord; als ein Fuhrmann später über diese Stelle fuhr, bemerkte er zu seinem Entsetzen rückwärts am Wagen einen großen schwarzen Hund; er hieb ihn mit der Peitsche, aber siehe da, der Hund wurde viermal größer, und erst als der Fuhrmann aus dem Schindergründel kam, verschwand der Hund, der Fuhrmann aber starb nach einer kurzen Zeit. Auch war das Schindergründel berüchtigt als Aufenthaltsort vieler Diebe und Räuber.

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 29 – Sonntag, den 18. Juli 1926, S. 2