Aus den Teuerungstagen unserer Heimat.

Am flackernden Feuer des Herdes erzählten in grauer Vorzeit die Alten ihre Abenteuer, Gefahren und Jagderlebnisse. Voll Bewunderung und heimlicher Freude hörten die Jungen zu. Und diese später, selbst alt geworden, verbanden die Berichte ihrer Ahnen mit den merkwürdigsten Begebnissen ihres Lebens, die sie wiederum in althergebrachter Weise ihren Nachkommen weitergaben. So geschah es, daß sich im Laufe der Zeit eine Heimatgeschichte entwickelte, die im Volksmunde fortlebte und z. T. von Schriftkundigen niedergeschrieben wurde.

Es ist eine alte Weisheit, daß alles schon einmal dagewesen ist. Auch Teuerung, Rationierung und Wohnungsnot. Gewöhnlich waren sie Folgen schwerer, nicht von Erfolg begünstigter Kriege.

So brachte die Zeit nach dem siebenjährigen Kriege über unsere Heimat eine große Teuerung. Bei Durchsicht von Rechnungen jener Zeit kann man sich eines Seufzers nicht enthalten, wenn man liest, daß ein Pfund Kalbfleisch nur 10 Pfg. kostete, der anderen billigen Lebensmittel gar nicht zu denken und die „gute alte Zeit“ steigt verlockend und in zauberischem Glanze vor der Seele auf. Aber das Ferne und die Vergangenheit sind nur von weitem schön. Die Billigkeit kam nur Wohlhabenden zu gute. Denn man kommt sofort zu einem wesentlich anderen Bilde, wenn man die Arbeitslöhne in Betracht zieht. So erhielten Arbeiterinnen in Spinnereien 2,70 M bei dreizehnstündiger Arbeitszeit, das macht die Stunde 3 1/2 Pfg., in Brüchen zahlte man an 16jährige Burschen 5 Pfg., Frauen 6 Pfg., Männern 9 bis höchstens 11 Pfg. Die schlechten Löhne der Weber und Posamentierer sind bekannt; ihre abgelieferte Ware wurde mit der Lupe peinlichst untersucht; für das geringste Fehlerchen gab es dann Abzug. Die Bezahlung erfolgte meistens in zu hohen Preisen angerechneten Waren, die die Anfertiger erst wieder verhausieren mußten, um zu Geld zu kommen. Ein großer Gedenkstein, am Rathauseingange von Lößnitz (Erzgeb.) angebracht, besagt, daß im Jahre 1762 der Scheffel Korn 32 Thaler kostete. Bei solchen Lohn- und Lebensmittelpreisen hatten in dem durch den Siebenjährigen Kriege verarmten Sachsen die Hausfrauen gewiß auch ihre Sorgen um das Auskommen mit dem Wirtschaftsgelde.

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 18 – Sonntag, den 2. Mai 1926, S. 4