Alte Jagd- und Tiergeschichten aus Schlettau und Umgegend.

Ob meine folgenden Ausführungen ganz genau der Wahrheit entsprechen, kann ich nicht verbürgen. Ich halte mich an alte Aufzeichnungen, für deren Richtigkeit ich mich nicht einsetzen kann. Es wird wohl viel „Jägerlatein“ darunter sein. Ich fange gleich mit einer Bärengeschichte an. Meine Leser werden denken: Schon zu Anfang eine Bärengeschichte? Hoffentlich wird man uns keinen „Bären aufbinden“! Der Chronist erzählt folgendes:

„1617 ging Christoph Müller in Hermannsdorf abends mit seiner Zimmersäge aus dem Walde nach Hause; er hörte im Gehen etwas winseln. Als er an’s niedrige Holz geht, findet er eine Bärin mit 2 Jungen, welche ihn anläuft, seine Säge packt und zusammendrückt. Müller gelingt es jedoch, zu entspringen. Am andern Tage holt er sich die 2 Jungen. Die zurückgekehrte Bärin kommt aber 2 Stunden später unter jämmerlichem Brüllen in das Dorf. Der Schlettauer Forstmeister nötigt den Bauern, die Jungen wieder zum Wald zu tragen, wo sie von der Bärin wieder geholt worden sind.“

Während des dreißigjährigen Krieges hatten sich die Bären stark vermehrt. Städte und Dörfer waren verödet, wer sollte die Raubtiere abschießen! So ist es glaubhaft, daß unmittelbar nach dem dreißigjährigen Kriege 30 Paar alte Bären in den Wäldern bei Schlettau gehaust haben sollen. Sie waren so dreist geworden, daß sie sogar „bis in die Ortschaften hereinkamen“ und den erschreckten Bewohnern unerfreuliche Besuche abstatteten.

Im Laufe dieses furchtbaren Krieges waren auch die Wölfe äußerst zahlreich geworden. Von Hunger gepeinigt, fielen sie oft die Haustiere, selbst Menschen an und wurden zu einer gefährlichen Plage.

Groß und dicht waren damals die Wälder um Schlettau. Sie bedeckten viel weitere Landflächen als heutzutage. So konnten sich in ihnen nicht nur Raubtiere, sondern auch viel anderes Wild, namentlich Hirsche, verbergen. Unsere Wälder waren in jenen Zeiten ein wahres Jägerparadies. Das war auch den jagdliebenden sächsischen Kurfürsten zu Ohren gekommen, die oft bei uns jagten und reiche Beute erzielten.

So umstellte am 27. Juni 1625 Kurfürst Johann I. „den Schlettauer Wald, darinnen die Förster „nur“ 12 Hirsche angegeben hatten. Auf dieser Jagd ließ der Rat zu Scheibenberg ihm 2 Fl. Wein und Kuchen präsentieren, davon er drei Bissen gegessen. Hierauf hat er auf der Wiese ein Mahl ausrichten lassen und als ihm von Scheibenberger und Schlettauer Herren — — — Kuchen und allerlei Backwerk präsentiert wurde, hat er das Wenigste davon behalten und das andere nach Geyer, wo die Kurfürsten gelegen, abgehen lassen. Auf dem Stockholz schoß er 3 große Hirsche, davon ein Hirsch 7 Zentner 20 Pfund wog.“

Von demselben Kurfürst erzählt der Chronist anschließend eine Geschichte, die sich zwar in der Nähe von Geyer abgespielt haben soll, jedoch so spaßhaft ist, daß ich sie meinen Lesern nicht vorenthalten möchte. „Als er (der Kurfürst) 1627 wieder in der Gegend von Geyer jagte, waren viele Frauen herausgezogen, ihn zu sehen. Zu diesen sagte er: Weiber und Katzen gehören hinter den Ofen.“

Der Kurfürst scheint also nicht gerade weiberfreundlich gewesen zu sein. Dies geht auch aus einer anderen Geschichte hervor, die ich an anderer Stelle schon einmal erzählt habe, bei dieser Gelegenheit aber wiederholen möchte.

„Als der Kurfürst Georg von Sachsen“, so berichtet der Chronist, „einmal in Schlettau zur Jagd anwesend war, waren auch die Weiber zusammengelaufen, um ihn zu sehen. Da machte es vorgekommen sein, daß viele in nicht gewähltem Anzuge erschienen waren. Endlich herrschte der Kurfürst sie an: Sie hätten ihn nun lange genug angesehen und müßten nun zu Hause an ihre Arbeit gehen.“

Diese Kurfürstlichen Jagden verursachten den herumliegenden Gemeinden gar manche Beschwerde. Beträchtlich waren die Leistungen, die von ihnen aufzubringen waren. Das Grünhainer Amt, zu dem auch Schlettau gehörte, mußte für die Hirschjagden des Kurfürsten Georg Pferde, Knechte, Treiber usw. stellen, nämlich: „40 starke Zugpferde nebst zugehörigen Knechten, Geschirren und 10 starken Ketten, auch 150 starke Mannspersonen zum Treiben auf 4 – 5 Wochen mit notdürftigem Unterhalt versehen. Schlettau brachte dazu 60 tüchtige Männer, darunter 8 Jäger.“

Im Jahre 1612 hatte Schlettau „3 ßo off die Wolfsjagd“ aufgewendet.

Für die „Hoffstatt“ des in Johanngeorgenstadt jagenden Kurfürsten Johann Georg II. hatte Schlettau 1672 zu liefern: „3 Schöpse, 2 Lämmer und 1 Fuder Heu.“

Die Vorgänger der Kurfürsten Johann Georg I. und II. jagten nicht minder häufig in den Schlettauer Revieren.

So bejagte Kurfürst August 1567 „die Wälder und hat auch unter Scheibenberg auf dem Schlettauer Wald 45 Stück Wild abgeschossen.“

Im August 1595 kam Friedrich Wilhelm, Fürst zu Weimar, der zehn Jahre lang Administrator in Kursachsen war, „mit seiner Gemahlin und den Prinzen Christian und Johann Georg auf die Jagd. Auch brachte er den Herzog Casimir von Sachsen-Coburg mit und lag auf dem Schlettauer Schlosse. Er ließ das Wild gegen das Stockholz treiben und schoß es an den Hüt- und Weideplätzen an der Elterleiner Straße. Auch trafen sie ein wildes Schwein, welches 10 Hunde beschädigte und 4 tothieb. Es wog 6½ Zentner.

Nun suche ich nach einem Schluß; denn jede Geschichte muß bekanntlich einen Schluß haben. Und wenn die Histörchen wie diese hier ein solch ehrwürdiges Alter haben, dann möchte der Schluß so sein, daß er möglichst in die neuere Zeit hinüberleitet. Doch da finde ich etwas in der Chronik. Zwar nicht ganz in den Rahmen passend, aber das Wort „Jagd“ kommt darin vor und stammt, wie ich freudig feststelle, aus der neueren Zeit. Also

„Am 3. September 1869 wurde die hiesige Jagdgerechtsame auf weitere 6 Jahre an den Besitzer der Krinolin(en)fabrik Heisen in Annaberg verpachtet für jährlich 60 Reichsthaler. Das Geld fließt nicht mehr in die Armenkasse, sondern wird zu Straßenbeleuchtungszwecken verwendet.“

Und hiermit ist mein Latein — ich überlasse es „sonder Furcht und Zagen“ meinen lieben Lesern, festzustellen, wieviel davon Jägerlatein war — zu Ende.

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 15 – Sonntag, den 8. April 1928, S. 2