50 Jahre Erzgebirgsverein – 1878 bis 1928.

Erzgebirgische Heimatblätter. Nr. 40 – Sonntag, den 30. September 1928. S. 1 – 2.

Das Bielhaus bei Eibenstock,
eines der vielen, schönen Berghäuser des Erzgebirgsvereins.

Wenige waren es, die in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts das sächsische Erzgebirge kannten. Die Großstadt zog Sonntags höchstens in die Ausläufer des Gebirges und im übrigen waren es meist Geschäftsreisende, die das Gebirge als Ziel ihrer Touren nahmen. Wanderer, oder gar jugendliche Scharen waren eine Seltenheit. Erst nach 1870-71 tauchten die ersten Bestrebungen in Deutschland auf, heimatliche Gebiete zu bereisen. Schlagbäume und Zollgrenzen waren gefallen und die deutsche Heimat bekam Geltung bei uns selbst. Namentlich bewirkten die u. a. die Vereine, die ringsum nach dem Vorbild der Alpenvereine ins Leben traten. Zuerst wurde so die sächs. Schweiz erschlossen, und zwar 1877 durch den Gebirgsverein daselbst. Diesem Vorbild folgte im Jahre darauf das Erzgebirge durch den Verein, dessen Jubiläum wir nun jetzt in den Tagen vom 28. September bis zum 1. Oktober mitbegehen. In Schneeberg, wo noch heute der Sitz des Hauptvereins ist, wird die denkwürdige Feier für diesen Verein begangen werden, dessen große Verdienste um die Förderung des Verkehrs in unserer Gebirgsheimat überall begeistert anerkannt werden und dem man jetzt an seinem Jubeltag von ganzem Herzen dankt für all das, was er den Gebirglern im Laufe eines halben Jahrhunderts gewesen ist. Im Gasthof zur Eiche in Aue wurde der Gedanke einiger wackerer Erzgebirgler, einen solchen Verein zu begründen, in die Tat umgesetzt. Eine daselbst angebrachte Tafel meldet es der Nachwelt für immer: „Heimatfreunde gründeten in diesem Haus am 5. Mai 1878 den Erzgebirgsverein.”

Das Unterkunftshaus auf dem Schwartenberg.

Die erste Anregung hierfür fand bei einer Schlittenpartie statt, unternommen von den Seminaroberlehrern Dr. Köhler und Möckel in Begleitung des Oberförsters Arnold und Baumeisters Görling aus Schneeberg. In Drechslers Gasthof zu Wildenthal besprach man zuerst den Plan der Vereinsgründung und Dr. Köhler war es, der dann sofort, unterstützt von den Heimatzeitungen des Gebirges, die Initiative ergriff. Sein Plan, einen großen Verein in’s Leben zu rufen, der allerorten Zweigvereine bilden sollte, erhielt eine Erfüllung, so schön und herrlich, wie Köhler es selbst wohl nicht ahnte. In aue traten bei der Gründungsversammlung sofort 63 Männer dem Vereine bei; von ihnen ist nur noch Seminaroberlehrer Richard Lorenz am Leben. — Der Satzungsentwurf legte folgende Zwecke des Vereines fest: „Dem Erzgebirge in wissenschaftlicher, hygienischer und touristischer Hinsicht möglichst viel Freunde zu erwerben, und zwar durch Vorträge, Artikel, Gründung eines Vereinsblattes, Ausflüge, Einwirkung auf Bevölkerung, Gemeindevorstände, Wirte und Forstbeamte, ferner durch Herstellung guter Wege und Wegweiser, durch Markierungen, Aufschluß schöner Aussichtspunkte, Regelung des Sommerfrischenwesens, Einführung von Industriezweigen usw. usw. Auch für die Besserung der Eisenbahnverbindungen sorgte man in reger Weise, wobei man allerdings zunächst 1879 bei Forderung von vermehrten Zügen in das Gebirge nicht einmal eine Antwort von der Eisenbahnverwaltung erhielt. Die Saat Dr. Köhlers und seiner Helfer ging aber, wie schon erwähnt, prachtvoll auf. Die nächsten Jahre schon brachte die Gründung vieler Zweigvereine, deren es im 5. Vereinsjahr bereits 31 gab. Das Jubiläumsjahr 1903 zählte 60 Zweigvereine mit fast 8000 Mitgliedern, 1918 hatte sich die Zahl auf 122 mit 13.200 Mitgliedern mehr als verdoppelt, im Jubiläumsjahr 1928 notiert man 155 Vereine mit fast 28.000 Zugehörigen. Der erste Vorstand war aus folgenden Herren zusammengesetzt: 1. Vorsitzender: Dr. Köhler, Stellvertreter: Hüttenmeister Müller – Schlema, Schriftführer: Dr. Neeße, Stellvertreter: Bürgermeister Krause – Lößnitz, Kassierer: Kaufmann Härtel – Schneeberg. Zurzeit besteht der Gesamtvorstand aus folgenden Herren: Ehrenbeisitzer Seminaroberlehrer i. R. Richard Lorenz – Schneeberg, Vorsitzender: Pfarrer Löscher – Zwönitz, Stellvertreter: Bürgermeister i. R. Rosenfeld – Chemnitz, Kassierer: Ratsoberförster Heßmann – Schneeberg, Stellvertreter: Druckereibesitzer Hartmann – Schwarzenberg, Schriftführer: Rechtsanwalt Kreßner – Schneeberg, Stellvertreter: Kaufmann Unger – Schneeberg. Diese Männer haben es u. a. auch verstanden, unsere Berge mit immer neuen Berghäusern zu krönen, wie das unsere heutigen Bilder zeigen. Dr. Köhler war von 1878 bis 1899 1. Vorsitzender des Vereins; ihm folgten Seminaroberlehrer Möckel bis 1910 und Oberjustizrat Dr. Gilbert, der 1925 durch Tod ausschied. Seitdem verwaltet Pfarrer Löscher das verantwortungsvolle und arbeitsreiche Amt des ersten Vorsitzenden. Aus allen Kreisen des Erzgebirges bringt man diesem verdienstvollen jetzigen Leiter Liebe und Verehrung entgegen. —

Das Fichtelberg-Unterkunftshaus.

Im Laufe der Jahre beschaffte sich der Verein auch eine wertvolle Bücherei, die zahlreiche unschätzbare Chroniken usw. über die Geschichte des Erzgebirges enthält. Ebenso wurde die Wegebezeichnung des Vereins von außerordentlicher Wichtigkeit für den Verkehr im Gebirge und Hand in Hand damit die Herausgabe von Wanderkarten und Führern. Der Presse- und Verkehrsausschuß arbeitete vorbildlich für die Erschließung des Gebirges, die Vermittlung von Sommerwohnungen etc. Ein eigenes Sommerfrischenverzeichnis in hoher Auflage wird alljährlich herausgegeben. Von besonderer Bedeutung war die Arbeit des Vereins im Dienste der Jugendpflege; das Schüler- und Jugendherbergswesen blühte auf. Zahlreiche Herbergen nehmen jährlich Tausende von jungen Wanderern auf, die stets begeistert sind von den Schönheiten des Erzgebirges. Auch der Wintersport hat dem E. V. viel zu verdanken. Es war Herr Oberlehrer Möckel, der auf einem der ersten Hörnerschlitten im Winter 1903/04 vom Gipfel des Fichtelberges in 5 Minuten zum Markte nach Oberwiesenthal sauste. Ganz besonders aber wußte der Verein sich durch Errichtung herrlicher Unterkunftshäuser auf den Bergen um den Verkehr in der Heimat hochverdient zu machen: Das Fichtelberghaus, diejenigen auf dem Auersberg, Schwartenberg, Pöhlberg und Scheibenberg, der Turm auf dem Spiegelwald, der Köhlerturm auf dem Gleesberg, der Kuhbergturm bei Schönheide, das Keilberghaus, der Morgenleitheturm, diejenigen auf dem Bärenstein, dem Totenstein, dem Borrberg auf der Dreibrüderhöhe bei Marienberg, der Geisingbergturm, der Aussichtsturm bei Mulda, die Alexanderhöhe bei Planitz, das Waldhaus zu Harthau, das Berggasthaus auf dem Pfaffenberg bei Hohenstein-Ernstthal, das Bielhaus bei Eibenstock, das Hirtsteinhaus, das Beutenberghaus usw. usw. Alle diese Bauten erinnern in den Jubiläumstagen des E.-V. aufs neue daran, welcher Segen der Verein für unsere Gebirgsheimat geworden ist. Unermüdlich wird im Hauptverein wie in seinen Zweiggründungen (zu denen auch der Verein in Buchholz sich mit Stolz zählen darf) jahraus, jahrein gearbeitet. Was die Einzelvereine in der Pflege der Volksbräuche, wie sie im Weihnachtsfeste gipfeln, durch Lied und Spiel und Krippenbau geleistet haben, läßt sich in Kürze nicht darstellen. Auch hier ist Bleibendes geschaffen worden. Aus dem Gedanken des Dienstes am Volkstum heraus erstanden ferner die beiden großen Schaustätten: das Erzgebirgsmuseum zu Annaberg und die Erzgebirgsschau auf der Augustusburg. Das gewaltige Ausmaß dieser vielgestaltigen Arbeiten hätte selbst in den fünf Jahrzehnten nicht geschafft werden können, hätten nicht engerer Vorstand und Gesamtvorstand, Hauptverein und Zweigvereine in treuester Hingabe Hand in Hand gearbeitet. Was ein Dr. Köhler und Möckel begannen, das hat Dr. Gilbert fortgeführt, und der gegenwärtige Vorstand, der sich in vorbildlicher Zusammenarbeit um Pfarrer Löscher schart, hält dies heilige Erbe hoch. — Und so könnte man noch vieles anführen zu Ehre und Ruhm des Jubelvereins. Als alteingesessene Heimatzeitung des Erzgebirges entbietet die „O. Z.” dem E. V., seinen Führern und damit allen treuen Helfern im Erzgebirge zum Jubelfest ein aus tiefem Herzen kommendes „Glückauf!”