30 Jahre sind in diesem Jahre vergangen, seit das Unterkunftshaus auf dem Pöhlberge geweiht und dem öffentlichen Verkehr übergeben wurde.
Drei Jahrzehnte sind in der Entwicklungsgeschichte einer Stadt keine große Zeitspanne; und doch hat sich gerade bei dem Pöhlberg und seiner Erschließung für den allgemeinen Verkehr gezeigt, welch ein Wandel innerhalb solch kurzer Zeit vor sich gehen kann. Wer das Jetzt und Einst in der Geschichte dieses Berges gegenüberstellt, der steht mit Staunen und Freude vor der Tatsache, daß aus der Dornröschenzeit des Pöhlberges eine Periode lebhaften Verkehrs, daß aus dem bezüglich der Verkehrsmöglichkeiten lange Zeit so stiefmütterlich behandelt gewesenen Berge ein köstliches Kleinod der Bergstadt Annaberg geworden ist, unter der Aera eines Ernst Roch besonders, der in der Geschichte der Stadt einst mit Recht den Namen „Vater und Förderer des Pöhlberges“ tragen wird.
Nachdem Anfang der 1890er Jahre wiederholt von einzelnen Vereinen (Erzgeb.-Verein, Bürgerverein) und anderen, auch von einzelnen Bürgern, die Erbauung eines Turmes auf dem Pöhlberge angeregt worden war und auch durch Sammlungen ein Bau-Fonds begründet und dem Rate übergeben wurde, nahm sich derselbe 1894 der Sache an, setzte einen Ausschuß zur Förderung der Frage ein und ließ durch das Stadtbauamt verschiedene Pläne anfertigen. (Stadtbaumstr. Jähnigen.)
Im Jahre 1896 erfolgte während des 400-jährigen Stadtjubiläums in Annaberg im Beisein des städtischen Kollegiums dann die Grundsteinlegung zum Pöhlbergturm (Baumeister Louis Bretschneider.)
Am 12. Juli 1897 fand darauf unter großen Feierlichkeiten die Weihe und Eröffnung der Gaststätte und des Turmes statt. Erster Wirt war damals Herr Hotelier Ferdinand Weißflog (Hotel Kronprinz).
Der sich nunmehr schnell entwickelnde Verkehr auf dem Berge – im Sommer wie im Winter – erforderte aber sehr bald größere Erweiterungs-Bauten. Der erste derselben brachte den Salonanbau an das Mutterhaus, der zweite den aufbau auf letzterem mit Fremdenzimmern. Die großen Um- und Erweiterungsbauten aller Räume, die dann erforderlich wurden, um allen Bedürfnissen und Ansprüchen gerecht zu werden, setzte 1909 ein, zu der Zeit, als Herr Stadtrat Ernst Roch, der heutige stellvertretende Bürgermeister Annabergs, das Dezernat für den Pöhlberg übernahm. Damals schlug des Berges große Entwicklungsstunde, und unermüdlich hat dieser auch sonst ja um die Entwicklung Annabergs hochverdiente Mann Jahr um Jahr am Ausbau und der Verschönerung der Anlagen auf dem Berge, der Verkehrswege zu und von ihm, der Sportanlagen, der Reklame usw., in voller Herzenshingabe gearbeitet und wird für seinen Berg weiter schaffen, solange sein Auge ihn erblickt.
Zu den nächsten Verbesserungen auf dem Berge gehörten die Erhöhung des Wasserbehälters, der auch mit einem elektrischen Pumpwerk versehen ward. Das in der Kiesgrube entspringende erstklassige Trinkwasser ward in einer Steigleitung (84 Meter) hochgedrückt und dem Behälter zugeführt.
Des weiteren wurden die Pöhlbergstraße von der Sandgrube aufwärts auf 9 Meter verbreitert und die Wege auf dem Pöhlberge selbst ausgebaut. Das Pöhlberghaus ferner erhielt eine Zentralheizung, wodurch vor allem im Winter in allen Gast- und Wohnräumen der Aufenthalt behaglicher gestaltet wurde.
Und unaufhörlich wurde ferner in Betätigung weithin leuchtender Heimatliebe Verbesserung um Verbesserung auf dem Berge vorgenommen. 1912 erfolgte die Einführung der Pöhlbergstraßenbeleuchtung, wie auch für die sämtlichen Räume des Unterkunftshauses und den Turm elektrische Beleuchtung eingeführt wurde. Um den immer weiter gesteigerten Verkehr Rechnung zu tragen, ward 1913 der Gartensaal (bis 300 Personen fassend) erbaut, ausgestattet mit den praktischsten Einrichtungen der Neuzeit, mit Zentralheizung, großem Büfett, Kaffeeküche und wichtigen Nebenräumen. Gleichzeitig ersstand die einzig bestehende herrliche Gartenanlage nebst Musikhalle, ausgestattet mit hundert weißen Gartentischen, 600 Stühlen und elektrischer Beleuchtung. Die Küchenanlage wurde 1915 erweitert und den modernsten Ansprüchen genügend ausgerüstet. Um der großen Arbeitslosigkeit zu steuern, ging man 1915 daran, die mustergültige Bobsleighbahn in einer Länge von 1600 Metern und mit einem Gefälle von 165 Metern zu erbauen. Desgleichen wurde die 2000 Meter lange herrliche Rodelbahn (190 Meter Gefälle) versteint und ausgebaut und mit elektrischer Beleuchtung versehen. 1915 wurden dann an der rechten Seite der Pöhlbergstraße breite Feldflächen aufgeforstet, um der Rodelbahn und der Straße besseren Schutz gegen Stürme und Schneeverwehungen zu geben. Auf dem Berge selbst wurden an allen sonnigen und schattigen, neckisch-schönen Plätzchen Ruhebänke aufgestellt. Das Jahr 1920 brachte die Schaffung der Sprunghügelschanze nach den neuesten Erfahrungen des Skisportes, und 5 Jahre später schritt man dazu, die Fremdenzimmer des Unterkunftshauses mit neuen Möbeln und modernsten Reformbetten auszustatten.
Unter all diesen fürsorglichen Arbeiten verrann nun nach und nach ein Zeitraum von drei Jahrzehnten, und just im Jubiläumsjahre 1927 prangen Turm und Pöhlberghaus im freundlich neuen farbigen äußeren Gewande auch. Und ebenfalls in diesem Jahre ist, um dem neuen Autobus- und dem sonstigen starken Autoverkehr die unbedingteste Sicherheit zu gewährleisten, eine neue Auffahrtsstraße, völlig getrennt von der Abfahrtsstraße, erbaut worden; eine Schöpfung, die keine andere Berganlage im engeren wie im weiteren Vaterlande aufzuweisen hat. Im Bau befindet sich ferner eine stark vergrößerte Wasserbehälteranlage (16 Kubikmeter Wasser fassend), die zugleich einen Hydranten speisen wird, durch den die Annaberger Automobilfeuerspritze gegebenenfalls Anschluß erhalten kann. Eine ganz moderne Fleisch- und Speisekühlanlage wird in den Kellerräumen des Unterkunftshauses eingerichtet. Im Bau befinden sich auch 4 Einzelautogaragen, um den fortgesetzten Nachfragen nach solchen entsprechen zu können.
So wird sich alles in allem das Pöhlbergunterkunftshaus in diesem Jahre mit all seinen äußeren und inneren Einrichtungen als ein modernes, allen Anforderungen entsprechendes Berggasthaus präsentieren und im Dienste der Förderung des Erzgebirgsverkehrs auf einem der herrlichsten Posten der Heimat stehen. Wenn wir so nach 3 Jahrzehnten seiner Begründung mit Stolz den Blick heute auf dasselbe richten; so gedenken wir, wie schon dargelegt, mit aufrichtigsten Dankesgefühlen des Mannes, der auch sonst als Verkörperung treugebirgischer Art immer vor uns erscheinen wird, des Annaberger Vizebürgermeisters, Stadtrat Ernst Roch, dem mit der Stadt Annaberg die Touristen- und Sportwelt die Schöpfung der modernen Verkehrs- und Sportanlagen für immerdar dankt.
Wieviel Segen ist in jenen drei Jahrzehnten von der Erschließung des Berges ausgegangen. Wieviel Tausende haben hier oben zu allen Jahreszeiten Erholung für Körper, Geist und Seele gefunden; ob sie nun im Frühling den Zauber einer erwachenden Natur dort erblickten, ob sie im Sommer von Bergeshöh‘ in das leuchtende Gebirge geschaut haben, um ringsum Täler und Berge, Städte und Dörfer zu grüßen oder ob sie im Herbst der Farbenpracht mit trunkendem Auge sahen, die die allmählich sterbende Natur noch einmal an Baum und Strauch, wie von Malerhand geschaffen, erstehen ließ. Und dann im Winter, wenn die Schlitten über die Bahnen sausten, der Skiläufer seine Pfade zog und ringsum alles im schimmerndem Weiß dalag, glitzernd wie von Millionen von Diamanten! Unvergeßliche Stunden, die man hier auf Bergeshöh‘ verlebte, um immer wieder gestärkt und mutig hinab weiter zu steigen in das Tal der Menschen, zu neuem Kampf und neuem, Ringen. —
All das zieht vorüber, wenn man der 3 Jahrzehnte gedenkt, auf die das Unterkunftshaus dieses herrlichen Berges in seiner Geschichte nun zurückblickt. Und immer wieder werden neue Geschlechter der Segnungen teilhaftig werden, die von diesem Kleinod Annabergs, dem Pöhlberg, ausgehen. Ihn grüßen wir heute herüber von der Schwesterstadt Buchholz mit herzlichem, gebirgischem „Glückauf“.
An Pöhlbergwirten waren in den 30 Jahren tätig die Herren: Weisflog, Hirschnittz, Schlichting, Klix, Brückner, Preller und Mahnke.
Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 31 – Sonntag, den 7. August 1927, S. 1