Die Schotten treten uns in der deutschen Kulturgeschichte in dreifacher Gestalt entgegen: als Mönche, als Krieger, als Händler. Die letzteren tauchten schon im 16. Jahrhundert in Deutschland auf, wo sie sich am deutschen Binnenhandel beteiligten. Bezeichnend für die schottischen Händler ist, daß sie nicht die Erzeugnisse ihrer Heimat, sondern die es Festlandes vertreiben. Wir finden sie zunächst als Hausierer, später jedoch auch als Großhändler. In Annaberg werden sie zuerst im Jahre 1558 erwähnt. Eine Eigentümlichkeit der Schotten war, daß sie in den Orten, in welchen sie sich niederzulassen gedachten, in einer gewissen Anzahl erschienen und Kolonien gründeten, z. B. in Regensburg, Danzig, Annaberg. Hier haben sie sich jedenfalls in der Mitte des 16. Jahrhunderts in größerer Menge angesiedelt. Die Annaberger wehrten sich dagegen; häufig wird über die schottischen Händler, von denen in manchen Häusern fünf, sechs und mehr wohnten, Klage geführt. Die ganze Bürgerschaft war von einer tiefen Abneigung gegen sie erfüllt, so daß der Rat im Jahre 1568 Hader und Auflauf befürchtete. Besonders aber waren die Frauen, in deren Händen damals der gesamte Bortenhandel lag, mit den Fremdlingen gar nicht zufrieden. Früher hatten die Schotten ihre Waren bei den Bortenhändlerinnen gekauft, später aber kamen sie auf den Gedanken, sich mit den Bortenwirkern in Verbindung zu setzen und die Waren selbst anfertigen zu lassen. Dadurch wurden sie natürlich dem Handel der Frauen sehr gefährlich, zumal sie sich nun auch in Annaberg dauernd niederließen. Die Klagen der Bortenhändlerinnen wird man daher als berechtigt anerkennen müssen. Auch die Bergleute waren den fremden Kaufleuten feindlich gesinnt, weil sie sich nicht am Bergbau beteiligten, was man ihnen schon um deswillen nicht verübeln wird, da ihnen, den gewandten Kaufleuten, eine derartige Geldanlage als höchst unsicher erscheinen mußte. Da die Schotten wenig Neigung zeigten, sich mit den Einheimischen in Sitte und Sprache zu verschmelzen, so war auch der gemeine Mann nicht gut auf sie zu sprechen. Es wird ihnen zum Vorwurfe gemacht, daß sie sich abseits von den andern halten und nur „zu Hauf“ in den Wirtschaften erscheinen. Da sich sich dort untereinander nur ihrer Sprache bedienten, so glaubte der Annaberger Bürgersmann, er werde von ihnen verlacht und verspottet, und so kam es nicht selten zu Zank und zu streit. Nicht minder gab auch das Glaubensbekenntnis der eingewanderten Händler Anlaß zur Beschwerde. Sie genossen das Heilige Abendmahl in Anhalt, kennzeichneten sich also damit als Reformierte, weshalb man auch in Annaberg das Eindringen irriger Lehren befürchtete. Trotz aller Beschwerden setzten sich die Schotten doch immer fester; sie wurden mit der Zeit, im 17. Jahrhundert, sogar Hausbesitzer und trieben neben ihrem Handel besonders Geldgeschäfte. Sie erschienen auch nicht mehr als Hausierer, sondern als Großhändler; ihre Stellung ist überhaupt eine andere, bessere geworden. Ihr Geschäft hatte ihnen viel Besitz eingebracht, weshalb sie im Volksmunde die reichen Borten-Schotten hießen. Auch die Bergleute waren jetzt zufriedengestellt, da sich die Fremden lebhaft am Bergbaue beteiligten; verfügte doch Lindeseyer allein über 170 Kuxe. Die Hauptgegner der Schotten im 17. Jahrhundert sind die Annaberger Kaufleute, die in der Kramerinnung vereinigt waren. In einer Eingabe an den Landesherren bitten sie, nicht mehr so viel Schotten einwandern zu lassen und ihnen zur Besorgung ihrer Geschäfte nur einen Aufenthalt von 14 Tagen in den Gasthöfen zu gestatten und zwar jährlich nur zweimal. Weiter aber hinderten sie die Fremden, Bürger zu werden und Grundbesitz zu erwerben; man nahm sie auch nicht in die Innung auf. Einzelne wußten sich dennoch durch diplomatische Vermittelung zwischen dem schottischen und sächsischen Hofe das Bürgerrecht zu verschaffen; ja, es kommen wiederholt Heiraten vor zwischen Schotten und Töchtern aus angesehenen Annaberger Familien; auch die Enkelin der Barbara Uttmann verheiratete sich mit einem schottischen Kaufmanne. Im 17. Jahrhundert verschwinden die Schotten. Der König von Schottland verbot, wie es scheint, seinen Untertanen, weiter nach Annaberg zu gehen; die da wären, sollten bleiben, andere nicht mehr aufgenommen werden.
Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 30 – Sonntag, den 31. Juli 1927, S. 3