Aus dem Sagenborn des Erzgebirges.

Die weißen Frauen des Raubschlosses bei Brandau.

(A. Blüml in der Erzgebirgszeitung, 5. Jahrg. S. 173)

Wenn man von Brandau, das mit dem zugehörigen Orte böhm. Grünthal den am weitesten vorgeschobenen Zipfel des Brüxer Bezirks ausfüllt, nach Kallich wandert, so muß man durch das wegen seiner Naturschönheiten berühmte und deshalb von Touristen sehr besuchte Teltschthal, in dem der Grenzbach Natschung zahlreiche Brettmühlen und auch das jetzt allmählich verfallende Eisenwerk Gabrielenhütte treibt. Am Eingang in dieses Tal befindet sich zur rechten Hand, unmittelbar über dem zu Brandau gehörigen Wirtshause zu „Beneschau“, vielleicht 8 Minuten vom eigentlichen Dorfe entfernt, in dem der Gemeinde Brandau gehörigen Walde ein Felsen, der schon steil gegen die Straße, noch mehr aber gegen das Natschungtal abfällt. Hier auf diesem Felsen will man noch Mauerüberreste sehen und man nennt den Platz das Raubschloß. Die Sage erzählt davon folgendes:

Auf dem Raubschlosse stand früher eine Burg, die einem mächtigen Ritter gehörte, der gar oft viele Wochen von ihr sich entfernte, aber immer reich mit fremden Schätzen beladen zu ihr zurückkehrte. Als er einst wieder auf Raub auszog, überfielen seine Feinde die Burg, nahmen die Besatzung gefangen und legten sich in den Hinterhalt, um auch den nur von wenigen Reisigen umgebenen Ritter zu fangen. Als dieser zurückkehrte, erkannte er sogleich die ihm drohende Gefahr und sprengte, um der Gefangenschaft zu entgehen, mit seinem Pferde den steilen Berg hinab ins Tal, wo er zerschmettert anlangte. Die Burg wurde dem Erdboden gleich gemacht.

Seit jener Zeit treibt dort ein graues Männchen sein Wesen, das einst einem Försterburschen eine Tür zeigte, durch die er in ein großes Zimmer im Berge trat. Das Männchen erlaubte ihm auch, von dem vielen hier aufgespeicherten Gelde täglich eine bestimmte Summe zu holen. Als der Bursche aber noch einen seiner Kameraden mitbrachte, damit auch dieser die Schatzkammer kennen lerne, blieb er in der Höhle eingeschlossen.

Wenn am Pfingstmontage nach dem Gottesdienste die Lichter in der Kirche ausgelöscht werden, öffnet sich die Tür, und eine weiße Frau kommt heraus, die aber schon wieder nach einer halben Stunde hinter derselben verschwindet. Benutzt man diese halbe Stunde, so kann man die verborgenen Schätze aus der Höhle holen.

Ein Knabe aus dem sächsischen Grenzorte Rothenthal spielte eben auf der Violine, als die weiße Frau aus dem Felsen trat und ihn aufforderte, ihr etwas vorzuspielen. Furchtlos überschritt er den Grenzbach und spielte der Frau die schönsten Melodien vor, in der Meinung, von ihr reich belohnt zu werden. Als die halbe Stunde verflossen war, nahm ihn aber die Frau nicht, wie er vermutet hatte, mit in den Berg, sondern füllte nur seinen Geigenkasten mit Laub.

Ärgerlich warf er dasselbe heraus und lief heim. Dort sah er noch einmal in den Kasten und fand drei Taler darin. Eilends kehrte er zurück, fand aber weder die Frau, noch das weggeworfene Laub.

Ein andermal saß ein Mann am Ufer der Natschung und fischte. Da öffnete sich wieder die Tür im Raubschloß, und drei weiße Frauen traten heraus, gingen zum Bache und wuschen ihre Hände. Als sie den Mann sahen, riefen sie ihm zu, er möge drei Säcke holen, was sich dieser nicht dreimal sagen ließ. Obwohl die Frauen die Säcke nur mit Laub füllten, trug sie der Mann doch eine weite Strecke. Als sie ihm aber zu schwer wurden, schüttete er das Laub aus. Doch blieben in jedem Sacke einige Blätter, die er später als reines Gold erkannte. So oft er auch später die Stelle wieder aufsuchte, wo ihm das Glück so gelächelt hatte, die Frauen sah er nie wieder.

Am Palmsonntage ging eine Frau mit ihrem kleinen Kinde in derselben Gegend spazieren und kam zu einer Tür, die sie noch nie gesehen hatte. Neugierig versuchte sie die Tür zu öffnen, was ihr auch gelang. Sie trat in ein einfaches Zimmer, in dessen Mitte ein Tisch mit Geld stand. Während sie das Kind auf den Tisch setzte, raffte sie schnell das Geld zusammen und trug es hinaus. Hier sah sie aber nur Laub in ihrer Schürze und fand, als sie ihr Kind wieder holen wollte, die Tür verschlossen. Ein Priester, den sie in ihrer Verzweiflung um Rat fragte, schalt sie ihrer Habsucht wegen und sagte ihr, daß sie in einem Jahre genau um dieselbe Stunde wieder bei der Tür warten müsse, bis sich diese öffne. Sie tat dies und fand auch wirklich ihr Kind, mit roten Äpfeln spielend, die sich im Freien in Goldklumpen verwandelten.

Die gespenstische Frau auf dem weißen Fels im Hartensteiner Walde.

(Nach Mitteilung des Lehrers G. Günther aus Lößnitz.)

Auf dem zwischen Schloß Stein und Nieder-Schlema auf der Höhe des rechten Muldenufers emporragenden weißen Fels und in dessen Umgebung hat sich vor Zeiten eine Frauengestalt sehen lassen. Anfangs erschien dieselbe als weiß gekleidete Jungfrau, später aber als altes Mütterchen. In dieser Gestalt ist sie noch vor einigen Jahren von Holzlesern gesehen worden.

Der schwarze Mann des Jüdensteins.

(Nach Mitteilung des Seminarist Förster aus Bärenwalde.)

Zwischen Bärenwalde und Giegengrün erhebt sich ein Granitfels, der Jüden- oder Giegenstein genannt. Es sollen einst in der Umgebung desselben Soldaten einen Lagerplatz gehabt und die umwohnenden Bewohner hart ausgeplündert haben. Dabei hat einer von den Soldaten einem armen Manne, welcher nichts geben konnte, das Hüttlein angezündet. Da verwünschte ihn der Arme und zur Strafe muß nun die Seele des Soldaten in der Gestalt eines schwarzen Mannes an dem Jüdensteine, wo auch reiche Schätze vergraben sein sollen, ruhelos umherwandeln. Viele Leute wollen diesen schwarzen Mann schon gesehen haben.

Ein Mann aus Bärenwalde sagte einmal, er fürchte sich nicht, denn es gebe keinen schwarzen Mann; er sei schon oft des Nachts an dem Steine vorbeigegangen, ohne etwas gesehen zu haben. Da geschah es, daß er einst wieder an dem Jüdensteine vorbeifuhr. Plötzlich setzte sich ein schwarzer Mann zu ihm auf den Wagen, der immer schwerer und schwerer wurde; zuletzt konnten die Pferde den Wagen nicht mehr weiter ziehen. Der Bärenwalder glaubte, der Mann wolle ihn nur erschrecken, deshalb drehte er sich um und gab ihm eine Ohrfeige. Aber ebenso schnell bekam er eine solche von unsichtbarer Hand wieder. Er mußte den Wagen stehen lassen, ging nach Hause und starb nach 9 Tagen.

Der Einsiedel im Tale der roten Weißeritz.

(B. C. (Cotta), Tharand und seine Umgebungen. 1835. S. 91. Gräße, Sagenschatz etc. Nr. 246)

Ganz in der Nähe des Städtchens Tharand befindet sich das Tal der roten Weißeritz. Hier gestatten schroffe Felsriffe und wild aufbrausende Fluten im Frühjahr kaum einen schmalen Pfad am linken Gehänge hin. Eine felsige Landzunge, der sogenannte Einsiedel, wo einmal ein Einsiedler seine Klause gehabt haben soll, ist in der Umgegend als ein Ort, wo er spukt, berüchtigt. Man erzählt sich von grauen Männchen, die da herumgehen, und von Geistern, die einen dort verborgen liegenden Schatz bewachen sollen, den nur eine ganz reine Jungfrau heben kann. Ein Mann aus dem nahegelegenen Sommsdorf sah vor Jahren, wie ein kleiner, höhnisch lachender Zwerg eine alte Frau vom Berge herabzerrte, die dann zerkratzt und halb besinnungslos in ihrer Heimat ankam. — In demselben Tale, bei der langen Brücke am Felsen hin, befindet sich auch der Nixenhügel, der sehr tief und von zwei Wassernixen bewohnt ist.

Ein Jüngling zu Weißbach findet im Grabe keine Ruhe.

(Mündlich.)

Als in Weißbach bei Schneeberg ein Jüngling gestorben war, zog man ihm seine schwarzen Kleider an; in der Westentasche aber befand sich noch ein Pfennig. Da kam der Verstorbene zweimal des Nachts um 12 Uhr wieder nach Hause. In der zweiten Nacht soll der Pfarrer anwesend gewesen sein, der hat ihn gefragt, was er wolle. Darauf sagte die Erscheinung, sie fände im Grabe nicht eher Ruhe, bis man den mitgenommenen Pfennig wieder geholt hätte.

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 11 – Sonntag, den 11. März 1928, S. 2 – 3.