Durch die Wiedererschließung und Zugängigmachung des Erzbergwerkes „Herkules Frisch Glück“ bei Langenberg haben sich die Unternehmer ein großes Verdienst erworben. Wer in der letzten Zeit Gelegenheit hatte, den Strom von Touristen, von Vereinen und Schulen zu beobachten, der sich nach dem lieblichen Tale ergoß, durch das der flinke Oswaldsbach sein silberglänzendes Band gelegt hat, dem wird es klar geworden sein, daß hier ein Ausflüglerziel geschaffen worden ist, das in seiner Anziehungskraft dem vielgerühmten Frohnauer Hammer ziemlich nahe kommen dürfte. Der wieder zugängig gemachte Bergbau bildet auch tatsächlich eine anerkennenswerte Bereicherung der Sehenswürdigkeiten des Erzgebirges, einer Gegend, die an sich schon landschaftlich sehr bevorzugt ist. Ein jeder, der die alten Stollen besucht und unter kundiger Führung die Gänge auf und ab geklettert ist, wird unvergeßliche Eindrücke aus dem Reiche der Berggeister mit hinwegnehmen.
Aber die Erzgrube ist nicht der einzige Anziehungspunkt des idyllischen Talgrundes. Geschichte, Sage und Dichtung haben gleichermaßen die Gegend durchwoben und für den Wanderer belangreich gemacht, der die Landschaft begierig nach Erinnerungswerten auszuplündern sucht.
Da sind es zunächst die Ruinen der Oswaldskirche, die den Wanderer zum Verweilen auffordern. Unvermittelt ragen die kühnen Mauerreste aus dem freien Felde heraus und geben dem Landschaftsbilde einen nachdenklichen Zug. Der Grundstein zu diesem Kirchlein wurde im Jahre 1515 gelegt, zu einer Zeit also, in der ein schier unermeßlicher Bergsegen über die Täler und Höhen des Gebirges zog. Damals stiegen auch im Langenberger Grunde und im weiten Umkreis die fleißigen Bergleute zu den reichen Erzschätzen des Berginnern, der Wohlstand der Bevölkerung mehrte sich und sollte in einem schmucken Kirchlein seinen Ausdruck finden, das die Leute aus dem Tale zur Andacht vereinigte. Die Oswaldskirche hat aber – so erzählt die Sage – niemals ihren Zweck erfüllen können. Es zog gerade, als die Glocke zum ersten Male ihre Stimme erschallen ließ, ein schweres Gewitter über die Gegend und ein Blitz schlug zündend in den eben vollendeten Bau und äscherte das Gotteshaus ein. Die Tragik des Baues löste der Frau Fama die Zunge und sie wob mit der Zeit einen bunten Kranz von Sagen und Erzählungen um die Ruinen des Kirchleins, das weithin in der Umgegend als Teufelskirche, auch Dudelskirche bekannt ist.
Ein Viertelstündchen von der Oswaldskirche entfernt, mitten im hohen Forst an der Berglehne, ragt der Fürstenbrunnen in die Höhe, jenes Denkmal, das zur Erinnerung an die Befreiung des Prinzen Albrecht aus den Händen des Kunz von Kauffngen errichtet wurde. Es ist wohl nie wieder eine solche imposante Feier im Gebirge abgehalten worden, wie die Weihefeier des Fürstenbrunnen am 8. Juli 1822. Mit dem Plane, an der Stelle, wo ein so wichtiges Ereignis stattfand, ein Denkmal zu errichten, hatte man sich jahrelang herumgetragen. Eine Haussammlung im Kreisamt Schwarzenberg und im Amt Grünhain hatte 200 Thaler erbracht und so wurde der Baumeister Lohß in Schlettau beauftragt, die steinerne Pyramide zu setzen, an der die Erinnerungstafel angebracht werden sollte. Die wohlgelungene Tafel an der Steinpyramide ließ Herr Bergkommissionsrat Nitzsche auf Erlahammer unentgeltlich auf seinem Werke gießen. Ueber die Weihefeierlichkeiten schreibt Carl Wilhelm Hering in seiner „Geschichte des Sächsischen Hochlandes“ (Leipzig 1828, Verlag von Johann Ambrosius Barth): „An der Feyerlichkeit der Weihe nahm die weite Umgegend den freudigsten Antheil. Die Schwarzenberger Bürgergarde marschierte schon Vormittags 10 Uhr auf den Platz, wo sie die Wachen versah und Piquets ausstellte, um die Ankunft der hohen Beamten bey Zeiten zu erfahren. Mehr als 10 000 Menschen drängten sich um die Pyramide herum, erkletterten die Bäume, erstiegen die Dächer der erbauten Buden und erduldeten bey drückender Hitze unerschüttert Hunger und Durst. Nun marschierten die Schützencompagnien von Crottendorf vor dem Plateau des Brunnens auf; diesen folgten 230 Bergleute mit ihren Fahnen und Hautboisten und bildeten einen Halbkreis um die Pyramide. Um ein Uhr donnerten Kanonen durchs Oswaldsthal, um die Ankunft hoher und niedrer Beamten aus verschiedenen Orten zu verkündigen. Die Offiziere von Zwickau und Schneeberg waren mit 36 Hautboisten schon zuvor angelangt, und wie am 8. Julius des Jahres 1455 in der Umgegend die Sturmglocken ertönten, um Alles zur Rettung des geraubten Prinzen aufzufordern, so ertönten jetzt die Glocken auf den benachbarten Kirchen und riefen zu Dank und Freude über die glückliche Errettung des Geraubten und Erhaltung des hohen Fürstenhauses alle Herzen auf. –
Die Feier begann mit dem Gesange eines Weiheliedes, welches Herr Rektor Lange zu Schwarzenberg gedichtet hatte. Der Herr Superintendent D. Lommatsch trat dann auf die mit Blumen bestreuten Stufen des Brunnens und sprach Worte der Weihe. Ihm zur Rechten war die mit einem Eichenkranz gezierte Büste des Königs Friedrich August aufgestellt und über ihm hingen Blumengewinde von der Pyramide herab. Nach Beendigung der Rede folgte wieder ein Gesang, gedichtet vom Herrn Postmeister und Gerichtsdirektor Reiche zu Annaberg. Das Lied schloß mit dem Chor:
Ja, Treu und Ehrfurcht dem einzigen Mann,
Der aller Sachsen Herzen gewann.
In dem Augenblick, wo der Chor diese letzten Worte sang, trat der Herr Kreishauptmann an die Stufen des Brunnens und sprach diese Worte noch einmal feierlich allein, und wie er geendet, sprach mit entblößtem Haupte die große Versammlung unter dem Donner der Kanonen diese Worte nach. Es folgte ein tiefes ehrfurchtvolles Schweigen, welches dann in den tausendstimmigen, von den Musikchören kräftig begleiteten Gesang überging: „Den König segne Gott!“
Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 38 – Sonntag, den 19. September 1926, S. 2