Wos de Hammerlind‘ rauscht!

Guido Wolf Günther.

Wieder emol hot’s mich nunnergezug’n zun altn Hammer, dar vertraamt und beschaulich nab’n der Sehm‘ sich hiegehockt hot. Wenn iech su gutegar müd‘ die von der Hetz‘ und Rackerei, die uns arme Leit von zwanzigsten Gahrhunnert net ze Ruh komme läßt, dann is egal der alte Hammer und sei Lind‘ dos Flackel, wu ich gesund war von Alltog!

Wos hab’n doch net alles fier Menschenleit do sich ohgeplogt und geschunden! War hot net alles unner der alten, grußen Lind‘ ausgeruht vu schwerer Arbit oder a Trost gefunden in tiefn Harzeleed! Und nu is alles wetter nischt gewas’n: de Menschen sei schie lang gestorb’n und verdorbn, und alle ihre Sorg‘ und alle ihre Freed is miet schlof’n gange! Ne de Lind‘ stieht noch und der alte Hammer, – s‘ bissel Lab’n aber prahlt drimrim wieder wie fier de Ewigkeet und is doch esu‘ lächerlich kurz! – Dos macht dos aufgeregte Herz ruhig und zufrieden, und wenn ich wieder ins Gewärg der Menschen komm‘ die sich ims größte bissel Brot rimbalg’n, do soog ich mir: „Balgt eich ner, dumms Volk! Dar ene Baam do unten ben Hammer weß alleene mehr von ganzn bissel Lab’n, als ihr! Und wos is sei Lehr? – Ruhig auf sein Posten stiehe in Lab’n, wachsen, blühe, Frücht trog’n und – alt wer’n und müd! Und doch jeds zwitschernde Vögele ahlachen, jeder summeten Bien‘ zunicken mit tausend und abertausend lustig’n grien Blatle und – ah dann Schnee sugar uhne Murrn trog’n, – zu wos annern bringt ihrs ah net, mit aller Glücksgogd!“ Dos hot mir de alte Lind‘ erzehlt, wenn ich in ihrn Schatten von Labn ausruhet, dos kee Ruh‘ kennt. Ob die alte Lind‘ racht hob’n mog? – Ne Gahrn enoch möcht’s sei, denn se hot nu gut und garn ihre fünfhunnert Gahr uf’n Buckel! Do ka eens schließlich schie ewing von „Erfahring“ red’n, wenn ah unner gungs Volk de Erfahring nimmer noch de Gahr, sondern lieber noch der gruß’n Gusch rachne tut. Und ob de alte Hammerlind‘ ewing ewos gesah hot in ihrn Gahrn? Nu, ah dodrieber ka ich eich beruhig’n, ihr gut’n Leit! Se hot mir e mannichs Stückel drzeehlt aus Zeiten, an die unnereener gar nimmer denk’n ka.

1430. Aus der Jugendzeit, aus der Jugendzeit, tönt ein Lied mir immerdar —

Schwarz drohet der Pöhlberg noch mit Fichtenwald und Basaltwacken bis nunner ins Tal, wu de Sehm‘ sich schlacht und racht durch’s Dickicht zwänget. Ner hier und do e Heisel, armseligs bissel Fald und magere Küh, – su sog’s aus in Frohnau, als an unnern End‘ e Müller da Mut fasset, e Mühl‘ hiezebaue, die dos bissel Korn mohlen sollt, dos an Schreckenbarg und Schottenbarg wachsen tat. – ’s war e eefacher Bau, dar sich do mitt’n nei in de Wies’n setzet und de flinke Sehm‘ ewing in seine Dienste nahm. Aber dann zwee Mensch’n, die drinne wuhne taten, warsch e ganz Königreich! Und wenn de gunge Müllerleit d’r König und de Königin drinne war’n, su gehäret ah, wenn de Geschicht‘ stimme sollt, e Prinz in de Mühl‘, galle? – Nu, dar ließ net lang auf sich wart’n, und eenes Tog’s stand dar gunge Müller in dan klen Gart’n, dar vier d’r Mühl‘ raus noch d’r Stroß‘ zu ging, und pflanzet e gungs, schlank’s Baamel ei. Drinne aber in d’r Kammer log in de rotgewürfelten Betten de gunge Müllerfraa und hielt ewos Zappligs, Klewinzigs in ihr’n Arme: en klen Müllerprinzen! Und ihr Gesicht strahelt wie dos Gesicht d’r Gottesmutter auf alt’n Bildern, und de liebe Sonn‘ tat alles segne, wos Müllerleit hieß und vergaß ah die klene Lind‘ net, die heit‘ zusamm‘ mit ’n klen Müllerprinzen Geburtstog feiret! —

1496. Wie muß’s doch schie gewas’n sei zu anne dozemol, als noch de Bergleit‘ frieh beizeitn gezuung‘ noch’n Sematol -„

Munter schießt de Sehm‘ iebers Mühlwehr und huppt wie es wilder Gung mit aller Kraft auf de Rodschaufeln, doß sich de Rodwell krächzend immering dreht und drinne de gute Gottesgab zu weißen Mehl zermohlen ward. Längst sei rachts und links von d’r Frohnauer Mühl‘ annere Mühl’n gebaut wur’n, und weil’s domols noch ke Zeiting gab, mußt‘ de Sehm‘ de Neiigkeet’n von eener Mühl‘ zur annern trog’n und hat dadurch ne ganzen Tog ze plätschern und ze sprudeln. In der „Obermühl“, – su hieß de Hammermühl in gener Zeit, – war aus dann Müllerprinzen nu salberscht e Müller wurn, dar Kinner und Kinneskinner gehot hot und mannichmol unter seiner Lind‘ soß und mit ihr dischkerieren tat von dan und gen. – Eenes Togs kame e Herdel racht fürnahme Leit in de Obermühl‘ zu Besuch, ließen sich von gunge Müllerleit’n bewirt’n und de alte Lind‘ erfuhr aus dann Hie- und Harred’n, doß de huch’n Harrn ewing wetter ub’n e Stadt gründ’n wollt’n, die „Neustadt am Schreckenberg“ heeßen sollt. De Lind‘ und d’r alte Müller freiet’n sich net garschtig ieber dos grußmäulige Volk, dan auf emol dan bissel wag’n de Frohnauer Heisle zu klee war’n zun Wuhne. D’r gunge Müller oder schnitt mit scharf’n Mess’r in de glatte Rind d’r Mühlenlind ei‘: „21. Sept. 1496“ und menet zu sein Kinnern, dos wäre wichtiger Tog, dann se sich merken müßten, weil de neie Stadt gewieß noch noch’n Sehm’grund runner sich ausstreck’n tät. Ne alten Müller aber tat’s Harz bluten, doß seine Lind‘ su leid’n müßt und mit Lehm und Blut schmieret ‚r die Wunden zu, die ’s Mess’r gegrob’n hot. Mit sen Sohn aber tat ‚r lange Zeit kee Wort meh streit’n, weil d’r sich an seiner Lind‘ vergriff’n hat. —

1498. „Bist ein reicher Annaberger, hast den Sack voll Schreckenberger -„.

Su lange de Kinner, wenn se im de Lind‘ rim „Fangnis“ machet’n oder Ringelreihe tanzetn. Schie längst war d’r Garten ei’geebnet wur’n, und wenn net noch auf’n Totenbett d’r alte Linden-Müller fier alle Zeit’n fier seine Lind‘ gesorgt hätt‘, wär se wuhl schie lang imgelegt wur’n. De Mahlgäng‘ schlief’n, d’r Müller mit seiner Fraa gucket’n grußartig zun Mühlstub’n-Fansterle raus: de Mühlen-Seel schien fortgeflung’n zu sei und mocht nu‘ in d’r Lind‘ sitzen! Nab’n Mühlbud’n aber stampfets und knarrets: dort hatt’n de reichen Annabarger Bargherrn de „Münz“ ei’gericht und drücket’n nu‘ en „Engelsgroschen“ oder „Schreckenbarger“ noch’n annern aus dan glitzrigen Silberplatten, die gottegar reichlich aus Pöhlbarg- und Schreckenbargerz gewonne wur’n. Jedesmol, wenn d’r Stempelhammer su Silberstück rausschlug aus d’r Münzplatt und e Engelsbild brätgedrückt zu sahe war, flug ene Engelseel‘ durch de klen Lichtfanster naus und flüchtet sich in de Lind‘, die schie racht stattlich mit ihr’n bal sechzig Gahr’n sich ausbreeten tat. Drim is a heit noch su viel Seg’n mit dar alt’n Lind‘ verbund’n und su wenig Gelick im Gald, ihr Leit! –

1621. „Bis noch der Neistadt schallet laut d’r alte Hammer nauf -„.

De alte Lind‘ hot immer ganz, ganz leise gerauscht, als wenn se sich schame tät ieber de bal hunnertfufzig Gahr, wu wie e altes Möbelstück de Lindenmühl‘ mit samt d’r Lind‘ hie- und hargehannelt wu zwischen wildfremden Leiten, die nischt wußt’n von Müllerprinzen und seiner Lind‘ und von dan Heemlichkeeten, die de Sehm‘ geschwätzig von Mühl‘ zu Mühl‘ wettererzehl’n tat. – Aber der 25. Juli 1621 tat alles gut machen, wos de alte Mühl‘ zuletzt aushalten mußt‘: wieder glitzeretn Silberbarr’n in d’r dunkeln Münzstub‘ und als Silberhammer feiret d’r Hammer sei Auferstehing, im nu immer Hammerwerk zu bleib’n! Und ob nu‘ in d’r weit’n Walt Krieg und Blutvergieß’n, Mord und Tutschlog ei’geriss’n warn: De alte Lind‘ häret nu‘ immer Hammerschlag durch’s Rauschen d’r Sehm‘ und durch’s Wispern ihrer Blätter! Ob de klen Hämmer wie Weihnachtsglöckle auf edles Silber klingelt’n, ob größere Hämmer wie Bargkirchengeleit auf Kupfer schwange, oder ob de gruß’n, dickköppeten Eisenhammer sich wie e Dunnerwatter auf glühend’s Eisen stürzen taten: ’s klang alles wie Musik, und de Hammerschmied, de gruß’n, starken Hammerschmied hob’n bei ihr’n Glockengeleit bessern Gottesdienst getaa als mancher Faulenzer drub’n in d’r Stadt an Sunntig in d’r grußartig’n St. Annen-Kirch! De Hammerlind‘ aber hot sich gereckt und gestreckt und is d’r gute Geist d’r Hammerleut‘ wur’n, wie se a heeß’n mocht’n! —

1904. „Verschwunden und vergange is de alte, gute Zeit, doch stieht d’r alte Hammer wie gemols a noch heit -„.

Bis dann d’r schwarze Tog kam, wu d’r alte Gustav Wilhelm Martin seine Schmiedefeier ausblosen mußt, weil de neie Zeit zu iebermachtig wur! Do hat’s d’r alten Lind‘ durch ihr’n fünfhundertgährig’n Stamm geriss’n, als wenn se salber imgerissen war’n sollt! D’r Sehm‘ wollt’s geleich gar net in Kopp, doß se nimmer iebers alte Hammerwehr springe dürf’n sollt! – D’r alte Martin Gustav! Dos war d’r Lind‘ ihr bester Freind seit d’r Zeit, wu d’r alte Lindenmüller de Aag’n zugetaa hot. Wos an Silber und Gold de Lindenengele gerett‘ hob’n mocht’n von frieher, dos war gewiß in’s Herz von letzt’n Hammerschmied gefloss’n! Wie dar an sein Hammer hing, wos dar immer zu dischkerieren wußt mit d’r Lind‘ – dos zu erzehl’n bringt ner de Lind‘ salber richtig fartig. Fier Gald und Gut war ne alt’n, wackern Gustav sei Hammer net feil: de Nachwelt sollt wissen, wie früher die Hammerschmied gearbt hob’n, als noch de Männerkraft alles salber schaffen mußt.

Ausklang.

Nu hot sich de Lind‘ auf ihre alten Tog wieder gung gemacht! Zu gruß is ihre Freid dodrieber, wos fier Lab’n und Treib’n nu‘ wieder ei’egzug’n is im Hammer! Drieb’n sorgt d’r Lorenz Max fier Gemietlichkeet im alten Hammer-Herr’nhaus: Gesunge und gespielt ward, doß ’s ene Lust is, und getanzt hob’n se a schie unner d’r Hammerlind‘, und die hot sich bald ihre tausend Blätteräugele ausgeguckt, ob se net e Paar fänd, doß ihr’n gunge Lindenmüllerleit’n aus ’n heimlich’n Königreich gleich’n tät. Eenes Togs aber wollt’s in allen Aest’n springe und in allen Blättern reißen vier Fraad: aus ’n alten Hammer kam wieder Eisenklang und Fluderrauschen! –

Und nu‘ will de Lind‘ in Gottes Name ihr zweetes Halbtausend Gahr ahfange und sich freie, wenn racht viel Volk sich zu ihr setzt oder dan Hammer bestaunt oder e Harzfleckel voll Fröhlichkeet mitnimmt aus d’r gemietlich’n Hammerschänk!

Lernt von d’r alten Hammerlind‘, ihr lieb’n Leit! –

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 21 – Sonntag, den 23. Mai 1926, S. 3