Wie sich in Sehma einst Silbergruben auftaten.

Von Oberschulrat i. R. L. Bartsch.

Auch in Sehmaer Flur haben Silberadern einst geblutet. Lang ist’s zwar her, Dr. Martin Luther lebte noch, daß suchende Hände hoffnungsfroh das Erdreich hier durchforschten, doch nicht uninteressant erscheint, was Akten der damaligen Zeit uns über die Anfänge des Sehmaer Silberbergbaues erzählen.

Bergleute bei der Anlage eines Bergwerkes.
Holzschnitt aus G. Agricola, Bergbuch, Frankfurt 1580. Reproduktion des Bildes findet sich bei Fr. Sieber, Sächsische Sagen. Eugen Diederichs, Jena. 1926. S. 58.

Wer zuerst „das Feld vorritzte“, zuerst „Kübel und Seil einwarf“, wer als erster Muter im Buchholzer Bergamt vom Buchholzer Bergmeister ins „Gegenbuch“ eingeschrieben wurde, das wird wohl für immer unbekannt bleiben. Die gierigen Flammen der Annaberger Brände im 17. Jahrhundert haben auch die Buchholzer Gegenbücher verschlungen, die nach Aufhebung des Buchholzer Bergamtes nach Annaberg gekommen waren.

Die ersten Nachrichten über die Anfänge des Sehmaer Bergbaues erhalten wir durch Paulus Schmidt, einen zu seiner Zeit hochangesehenen und hochgestellten kurfürstlichen Bergbeamten, dem wir 1515 bereits als Bergmeister, später als Zehntner und schließlich als Bergverweser in Schneeberg begegnen. Nach Mattis Busch’s Abscheiden (B. † Sonntag, den 16. Jan. 1541 „zu der Nacht“) stand er zugleich dem Amt Schlettau als „Amtmann“ vor.

Nicht gering ist die Zahl der ausführlichen amtlichen Berichte, die Schmidt als Amtsverweser an den Kurfürsten selbst bez. an den kurfürstlichen Kämmerer erstattete und zwar über die Silberbergwerke zu Freiberg und Marienberg, über St. Annaberg und das Buchholz, über den Schneeberg, über die Gottesgabe und die Platte, über Elterlein, über die Scheibe und das Wiesenthal.

Mit Spannung sah der Kurfürst, sah seine Umgebung den „Neuen Zeittungen“, so werden die Berichte von Absender wie Empfängern bezeichnet, entgegen. Man kann sie in mannigfacher Hinsicht mit Börsennachrichten und Kurszetteln der Gegenwart vergleichen und gewissermaßen als Vorläufer von solchen ansehen. Die „Neuen Zeitungen“ berichten, wo ein „säuberliches Erzt“ bricht und die Gruben „höfflich stehen“, wo das Silber nur „leckmault“, zu keinem rechten Bestande kommt, wohl auch „zu“- und „abfällt“, wo es sich „anstößt“ oder sich „verdruckt“, oder wo das Bergwerk sich „spröde“ im Geben erweist, ja vielleicht ganz „dürr“ ist, wie 1542 (Oktober) in Annaberg, wo nur Ulrich Schützen Lehen im Sauwald ein ziemlich Erz hatte. Die Zeittungen zeigen im voraus an, wie hoch die Ausbeute bei diesen und jenen Zechen am Quartalsabschluß sich mutmaßlich belaufen, daneben mitunter, wo und wieviel an Zubuße man werde zahlen müssen. Sie geben gern auch Kenntnis von manchem „neuen Geschrei“ über unerwartete reiche Silberfunde, sei es am Pelbergk (1541), sei es am Marienberger Rabenberg (1542), sei es in der „Schlem“ (1543), am Gleeßberge (1543) u. a. o.

In „zwei Schreiben“, beide datiert Schneeberg, Freitag nach Luciä (d. 16. Dezbr.) 1541, verbreitet sich Schmidt auch über Silberfunde in Sehma. Das eine der Schriftstücke ist gerichtet an Kurfürst „Johanns-Friedrich“ (Johann Friedrich den Großmütigen), das andere an Hansen von Ponickau, des Kurfürsten Kämmerer.

„Obendig dem pucholcz leit ein Dorf, gehört ins Amt Schleytte, heißt die sem“, so führt der Amtsverweser den neuen, das bergbauliche Interesse auf sich lenkenden Ort ein. Wir dürfen nicht vergessen, es handelte sich damals bei Sehma um einen kleineren, nicht weithin bekannten Ort, mochte das Dorf immerhin unter den Klosterdörfern des Amtes Schlettau nach Einwohnerzahl und sonstiger Bedeutung an erster Stelle stehen, wie es Frondienste, die es dem Hofe zu Schlettau zu leisten, wie die Höhe des Erbzinses, den es an Geld, sowie in Getreide, in Flachs, in Mohn, an Käse, an Hühner und Eiern dahin zu entrichten hatte, beweisen.

Hier, in der Sehm, berichtet P. Schmidt an den frommen Landesherrn, im Geiste seiner Zeit, die alle Erscheinungen des Lebens und im Gebirge insbesondere auch alle freudigen Ereignisse im Bergbau als unmittelbaren Eingriff göttlichen Waltens betrachtet, „steht in tröstlicher Hoffnung, der Allmächtige werde seine Gnade verleihen, daß Bergwerk erregt und aufgebracht werden solle.“ Man merkt dem an den Landesherrn gerichteten Schreiben Schmidts an, daß er dem Fürsten eine angenehme Nachricht zukommen lassen will. Jedes neue Silberbergwerk bedeutete ja eine Mehrung der landesherrlichen Einkünfte an Silberzehnten, ein Schlagschatz beim Vermünzen des Silbers und teilweise auch bei der Verhüttung des Silbers, nämlich, wenn diese in einer der Schmelzhütten des Fürsten zu Buchholz, zu Schneeberg oder anderwärts erfolgte. Aber man fühlt auch eine gewisse Vorsicht bei der Darstellung der Verhältnisse heraus. Schmidt wollte dem Anscheine nach nicht die Verantwortung tragen, wenn der Kurfürst, durch allzu optimistischen Bericht veranlaßt, an dem Sehmaer Bergbau als Gewerke sich beteiligte, und die Erträgnisse doch nicht voll den gehegten Erwartungen entsprächen.

Anders das Schreiben Schmidts an den Kämmerer von Ponickau! In lebhafter Weise legt der Amtsverweser ihm nahe, an dem Sehmaer Silberbergbau sich zu beteiligen. – Ausführlicher als dem Kurfürsten gegenüber und in leuchtenden Farben werden die Aussichten hier geschildert. „Ein überaus artig und schön Erzgebirg habe sich aufgetan“, rühmt Schmidt, der stets mit Scharfblick die Verhältnisse durchdringt, – dazu auf einem vom Bergmann noch nicht durchfahrenen Gebiet: „auf einem neuen Gange in einem ganz neuen Gebirge“. Man habe ein „säuberlich Erz“ gefunden, hebt er hervor, ein Erz, das beim Probieren – vermutlich in einer der Buchholzer Hütten – 5, 6, 10, ja z. T. sogar 27 Mark Silber auf den Zentner enthalten habe! Das war in der Tat ein hoher Gehalt! als 1543 auf der Gottesgabe mit einem neuen Stollen ein neuer Gang überfahren wurde, nahe an der Grafen von Schlicken Grenze, und hier ein Erz gefunden wurde mit einem Gehalt von 2, 3, 4 Mark auf den Zentner, galt diese Silbermenge schon über Erwarten hoch, und Schmidt ließ 2 Fäßlein des Erzes nach Schneeberg bringen, um sich selbst von der Richtigkeit dieser Angaben zu überzeugen. Er berichtet über das Vorkommnis an den Kurfürsten, worauf dieser als Gewerke mit 4 Kuxen an dem fündigen Orte sich beteiligte.

Kostspielig werde sich das Bergwerk in Sehma keineswegs gestalten, rühmt Schmidt weiter; das „überaus artig und schön Erzgebirg“ ist über xiiij Lachter nit tief vom Tage“, hebt er hervor. Ueber die ersten Anfänge bei Anlegung des Bergwerks ist man dabei hinaus: ein Stollen ist angelegt, die Fundgrube ausgebaut und ebenso die „obere nächste Maße“ des Grubenfeldes. Für Stollen, Fundgrube und obere nächste Maße hat sich eine Gewerkschaft gebildet. Auch einen Namen trägt das neue Bergwerk, den blinkenden Namen „die silberne Schnur“, man weiß nicht, ob der Name nicht eine Anspielung auf die Schnuren enthält, die damals bereits in besonderer Güte in Annaberg – und vielleicht auch in Buchholz – hergestellt werden.

Hier einen Kuxkauf machen zu wollen, wäre vergebene Mühe; denn wer da Bergteile besaß, dem waren sie nicht feil. Indes, man nimmt in dem vermessenen Grubenfelde ja auch die Abschnitte in Angriff, die nach Bergrecht als andere (2.), dritte und vierte Maße bezeichnet werden, und hier, meint Schmidt, sollte man noch „leichtlich und um gering Geld“ zu Teilen kommen können. Freilich führen diese Maße etwas in den Berg hinein, so daß der Abbau um etwas schwieriger und der Aufwand ein wenig höher sich gestalten werde, doch alles bleibe glückverheißend. „Weil es sich so wohltut mit Silber, ist dahin zu wagen“, urteilt Schmidt. Ein Wagnis freilich ist es, wie aller Bergbau, immerhin. Die überraschend reichen Silberfunde hat bis jetzt der Stollen gebracht; würden Fundgrube und obere nächste Maße „etwas tun“, so werde sich auch auf den weiteren Zechen nicht nur silberreiches Erz finden, sondern es sei „zweifelsahne“, „das Erz werde nit ledig werden und mit der Zeit verrinnen“. Leider erwies es sich als etwas nicht so gar Ungewöhnliches, daß man „Nester antraf mit silbernen Eiern“, die bald ausgenommen waren.

Soviel erfahren wir über die Anfänge des Sehmaer Silberbergbaues im Jahre 1541. Unwillkürlich entstehen in uns die Fragen: Wie entwickelte er sich weiter? Wie verhielt sich der Kämmerer v. Ponickau der lockenden Schilderung des Amtsverwesers gegenüber? Wie der Kurfürst?

Mehr als anderthalb Jahre vergehen, bevor uns – im Sommer 1543 – die Akten weitere Kunde geben.

Der Bergbau hat Fortschritte gemacht. Von vier weiteren Berggebäuden, von einer Fundgrube und drei neuen Zechen, hören wir. Die Fundgrube trägt den Namen „Vier Erzengel“. Bei der Verleihung dieses Namens hatte man die Silbe „Erz“ sprachlich sicher in mineralogischem Sinne gedeutet, während sie in Erzengel griechischen Ursprungs ist und einen Hinweis enthält auf den hohen Rang, den man seitens der Kirche Michael, Gabriel, Raphael und Uriel unter den übrigen Engeln einräumte. Eine der Zechen ist nach „Salomon“ benannt, die alttestamentliche Personifikation von Weisheit. Pracht und Herrlichkeit, die zweite nach dem Propheten „Helias“, dem Gott auf wunderbare Weise Speise und Trank in nothafter zeit bescherte. Es birgt sich in der Benennung der alten Silberbergwerke soviel Volksphantasie und Volkspoesie, soviel frommer Sinn und frommer Glaube! Der Name der dritten Silbergrube, das „Rebischeknechtle“, ist minder leicht zu deuten. Knechtle heißt Knechtlein und kommt zu jener Zeit als obererzgebirgischer Familienname vor; 1545 wurden von einem „Balgenmacher“ Friedrich Knechtle in Geyer vier neue „Balgen“ (Blasbälge) in die kurfürstliche Schmelzhütte nach Buchholz geliefert. Was aber will das „Rebische knechtle“ besagen? Sitzt dem Namen der Schalk im Nacken? Auch der Humor fehlt nicht unter den Taufnamen der Silberzechen. – Die Erwartungen auf reicge Ausbeute sind – selbst bei den Bergverständigen – nicht gesunken. Der Buchholzer Bergmeister Illige Wegener ist als Gewerke mit einer ganzen Anzahl von Kuxen am Sehmaer Bergbau beteiligt. – Sonstiges ergibt sich aus dem Schriftwechsel zwischen dem Kämmerer und den beiden obersten Bergbeamten zu Buchholz, dem Bergvogt Leonhard Bieger und dem ebenerwähnten Bergmeister.

Ponickau hatte unter Fühlungnahme mit dem Bergvogt die Weiterentwicklung der Verhältnisse nicht aus dem Auge gelassen, und als der Betrieb einen erwünschten Fortgang nahm, entschloß er sich, „dahin zu wagen“, wie P. Schmidt geraten, und als mitbauender Gewerke sich zu beteiligen. Er fragt deshalb bei Bieger an, ob bezw. zu welchem Preise Bergteile in Sehma noch zu haben seien. Die Antwort lautet: 6 Guldengroschen fordere man für den Kux in den vier „erczengeln“, für 1 Gulden würden im Salomon, im Helias und im Rebischen knechtle solche noch zu bekommen sein. – Die Antwort befriedigte „Seine Gestrengheit“ nicht recht. – Die geforderten Preise erschienen durchaus angemessen, wenn man sie vergleicht mit den Preisen von Kuxen anderer Bergwerksbetriebe. 1543 z. B., als „vfm Hassenstein“ in Böhmen ein altes Bergwerk wieder aufgenommen wurde und Paul Schmidt von dem Herrn zu Hassenstein vernahm, daß ein reiches Lager von gutem Erz in Anbruch stehen solle, griff er rasch zu und sicherte sich „um 1, 2 bis 3 Gulden“ 8 Kuxe für den Kurfürsten und 2 für den Kämmerer, ohne deren Zustimmung zuvor eingeholt zu haben. Und rund 20 Jahre früher ergaben von Bergverständigen vorgenommene Schätzungen der Bergteile des Matthis Pusch in Buchholz u. a. im „Haueisen“ samt Lehen und Stoln = 2 fl, im „Cleyn Sandt Jacob“ mit Lehen und Maßen = 4 fl, in der 7. und 8. Maße nach „Heiling 3 Königen“ = 2 fl, in „Sant Wolfgang“ und „Sant Merten“ = 2 fl, in „Sant Anna selb Dritt“ = 2 fl, je nachdem der Bau eine minder oder etwas höhere Zubuße erforderte, als Preise für einen Kux.

(Fortsetzung folgt.)

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 27 – Sonntag, den 3. Juli 1927, S. 1