„Warum in die Ferne schweifen? Sieh‘, das Gute liegt so nah!” (2)

Ein gutes Wörtlein für unsere Erzgebirgs-Bäder.

Guido Wolf Günther.

In dem gesteinskundlich äußerst merkwürdigen Teil des Zschopautales, in dem sich Gneis, Hornstein, Quarz und Amethyst begegnen, springt der Gesundbrunnen von Wiesenbad, von dem Magister Lehmann erzählt, daß er gegen siebzig Krankheiten hilft! Ueber die Entdeckung des heilsamen Wassers legt die Volkssage allerlei Wunderlichkeit; ziemlich sicher ist aber die Nachricht verbürgt, daß der reiche Bergherr Friedrich aus Geyer 1501 als erster den Heilquell fassen und in Rohrleitungen zu einem Badehause führen ließ. 1505 wurde alten Berichten zufolge vom Meißner Bischofe auch eine Wallfahrtskapelle geweiht, die dem Mann der Plagen, dem frommen Hiob, zugeeignet gewesen sein soll. Vorübergehend, – wahrscheinlich im siebzehnten Jahrhundert, – wurde das immer berühmter werdende Bad auch Sophienbad genannt, weil an Stelle des baufälligen Kirchleins Kurfürstin Sophie sich ein Sommerhaus bauen ließ. Nun hat die weitblickende und opferbereite Fürsorge der jetzigen Besitzer das Dornröschen aus seinem Schlafe geweckt und mehr und mehr gewinnt sich Wiesenbad das Ansehen, das ihm nach Lage und Heilwirkung zukommt; an uns ist es, den Ruf unseres Wiesenbades mit hinaustragen zu helfen, denn die köstliche Arzenei, die sein Sprudel gegen Nervenleiden, Rheumatismus, Lähmungen usw. darbietet, ist wert, im weiteren Vaterlande bekannt zu werden.

Seit Jahren ist denn auch der Zustrom zu diesem Bade ein ständig steigender gewesen und weit über Sachsen hinaus ist der Ruf von dem Heilwert des Wiesenbader Wassers gedrungen.

Eine neben dem Bade errichtete Kapelle mit dem St. Jobs-Bilde wurde in früheren Jahrhunderten zum Wallfahrtsort. Herzog Georg von Sachsen, der Bärtige, (der Stadtgründer von Annaberg), wendete der Kapelle mehrfach Geschenke zu. Auch Kurfürst Vater August begünstigte das Bad, in dem er die Wildwässer abfangen ließ und die Quelle vor fremden Zuflüssen schützte. Die Glanzzeit des Bades begann, als Sophie, die Witwe des Kurfürsten Christian I. (gest. 1591) hier wiederholt mit ihrem Gefolge weilte und ein besonderes Fürstenhaus mit Bad errichten ließ, das „Sophienbad“, das auch von anderen Mitgliedern fürstlicher Häuser besucht wurde.

Unter den Besitzern des Bades, die vielfach gewechselt haben, sind aus früheren Jahrhunderten zu nennen: Stephan Hünerkopf 1578, Georg von Schönberg 1633, Graf Watzdorf-Lichtenwalde, Graf Wallwitz, A. G. Eisenstuck-Annaberg, Familie Wecke auf Wiesa, Familie Hohl-Annaberg und Dr. Josioneck (damaliger Badearzt). Von 1896 an befindet sich das Bad im Besitz der Firma Meyer & Co. in Wiesenbad.

Zu dem Bade gehören auch prachtvolle Parkanlagen.

Sämtliche Anlagen des Kurbades sind aufs Modernste eingerichtet, wie auch die Verpflegung eine mustergültige ist.

Ueber die nähere Geschichte und Entwicklung des Kurbades werden wir in einer der nächsten Nummern der „E. H.“, als Fortsetzung unserer mit der Beschreibung von Warmbad-Wolkenstein begonnenen Bäder-Artikel, näheres bringen.

Auch bei Marienberg hat der Felsboden heilkräftiges Wasser durchspringen lassen, denn ums Jahr 1550 berichten Chronisten vom „Frischen Brunnen“, der vielen Leidenden Heilung brachte. – Ebenso war bei Grumbach ein Brunnen sehr besucht, von dem schon 1646 viel Rühmens gemacht wird und zu dem aus dem Meißner Oberland und selbst aus dem heilquellenreichen Böhmen viel Leidende pilgerten. – In diesen Jahren mögen auch die Quellen bei Crottendorf und Neudorf bekannt geworden sein, aus denen heilsamer Trank gegen mancherlei Gebrechen geholt wurde. – Vielleicht ist auch die Einrichtung des Bades Ottenstein bei Schwarzenberg jener Zeit zuzurechnen, wenngleich die stattlichen Badegebäude der jetzigen Anlage einer wesentlich späteren Zeit angehören. – Leider sind Bad Ottenstein wie auch das im Jahre 1808 in öffentlichen Betrieb genommene Bad Raschau längst wieder eingegangen und es ist vielleicht nicht unberechtigt, im Interesse der Bevölkerung staatliche Unterstützung zu erbitten, wenn die Ausbeute an kurkräftigem Wasser es lohnend erscheinen läßt. – Welche Entwicklung hat Oberschlemas Radiumbad erleben dürfen in kaum zehn Jahren! Sollte das uns „Weitreisenden“ nicht Veranlassung sein, Umschau zu halten in den Bädern der Heimat, ob sie uns nicht Heilung bringen können? Ein wenig mehr Heimatstolz in dieser Angelegenheit kann uns nur nützlich sein! Und habt ihr’s ganz vergessen, liebe Leser, was unser Tolerhans-Tonl singt? „’s Wasser is su klar un kiesich, un de Luft weht frisch un raa; drüm sei mr ah su schie gewachs’n, net ze gruß un net ze klaa!“ –

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 30 – Sonntag, den 25. Juli 1926, S. 4