Vor 150 Jahren (2).

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 30 – Sonntag, den 22. Juli 1928, S. 3 – 4.

Das sächsische Hochland im Bayrischen Erbfolgekriege 1778/79.

Von Schuldirektor Paul Thomas, Schlettau.

(Schluß.)

Am 15. September kamen die Österreicher noch einmal nach Schlettau und forderten ungestüm 300 Hemden und drohten, daß sie alles kurz und klein schlagen würden, wenn ihre Forderungen nicht umgehend erfüllt würden. Leutnant Otto verlangte für seine Person 70 Dukaten Douceurgelder, die der Schloßherr, der kurfürstliche Oberforstmeister von Bräuecke, der ausgesogenen Stadt vorstreckte.

Auch in der Marienberger und Olbernhauer Gegend haben die Österreicher furchtbar gehaust. In Zöblitz wurden die heiligen Gefäße aus der Kirche geraubt und der Stadt, die sich von einem schrecklichen Brandunglück (25. und 26. Februar 1774) noch nicht wieder erholt hatte, eine Kontribution von 20.000 Thalern auferlegt. Reiche Beute hofften die Österreicher in Ansprung zu machen, wo sie es auf die kurfürstliche Floßkasse abgesehen hatten. Der schlaue Floßmeister Barwasser hatte jedoch, als er die Kroaten den Berg herabkommen sah, die Floßkasse in den Abtritt geworfen. Er ertrug mit der größten Standhaftigkeit die Mißhandlungen der schwer enttäuschten Kroaten, die sich aber schließlich mit 200 Thalern zufrieden geben mußten, die der geriebene Floßmeister für diesen Fall „reserviert” hatte.

Am 12. September hatten auch Schwarzenberg und Grünhain österreichischen Besuch erhalten. Überall wurde nach Herzenslust requiriert, und die Feinde schreckten vor Gewalttaten nicht zurück, wenn die Einwohner nicht gutwillig ihren Forderungen nachkommen wollten.

In der Nacht vom 18. zum 19. September geriet Marienberg in eine recht verteufelte Situation. Einige hundert Mann preußische Husaren und eine Freikompagnie waren auf die Hilferufe der erzgebirgischen Städte herbeigeeilt und hatten die Österreicher nach Böhmen zurückgedrängt. Aus Freude über den kriegerischen Erfolg wurde in Marienberg ein Ball veranstaltet, bei dem, wie zu vermuten steht, auch die Becher lustig kreisten. Als die ermüdeten Tänzer sich zum Schlafe niedergelegt hatten, überfielen plötzlich die Österreicher die Stadt. Der wachthabende Major konnte zwar mit seinen 30 Husaren die Österreicher solange abwehren, bis die Schläfer geweckt waren, aber es gelang dem Feinde, das Annaberger Tor zu erstürmen, weil die dort aufgestellte Kanone nicht losging. Damals war es dem Marienberger Bergamtmann Trebra zu verdanken, daß die Stadt noch glimpflich wegkam. Er brachte es fertig, den österreichischen Obersten zum friedlichen Abzug zu bewegen, nachdem dieser 200 Dukaten für seine Leute und einen auf ein Leipziger Handelshaus ausgestellten Wechsel über 20.000 Thaler erhalten hatte.

Wir geben hier noch die Summen an, die die übrigen obererzgebirgischen Ortschaften als Brandschatzung zahlen sollten, sowie die Namen der als Geiseln entführten Bürger und Amtspersonen.

OrtBrandschatzungDouceurGeiseln
Annaberg50.000 Thlr.200 DukatenWeck. Acc. Inspektor und Bürgermeister.
Steche, Kaufmann.
Buchholz20.000 Thlr.1400 Thlr.Heinrich, Viertelsmeister.
Lauterbach, Viertelsmeister
Scheibenberg30.000 Thlr.500 GüldenMuhle, Stadtschreiber.
Graff, Senator.
Schwarzenberg40.000 Thlr.2000 Thlr.Lorenz, Senator.
Plitzsch, Viertelsmeister.
Marienberg20.000 Thlr.100 DukatenFrenzel, Bürgermeister.
Strunz, Senator.
Klotzsch, Bergschreiber.
Grünhain20.000 Thlr.200 GüldenGrunert, Viertelsmeister.
Zöblitz20.000 Thlr.100 Thlr.Härtel, Lehnrichter.
Stein, Gen. Acc. Einnehmer.
Schlettau40.000 Thlr.1000 GüldenHempel, Bürgermeister.
Sinbapius, Senator.

Die Geiseln wurden über Preßnitz nach Ofen gebracht und dort bis zum Ausgang des Krieges interniert. Der Friede trat durch russische und französische Vermittlung im Frühjahr 1779 ein. Am 7. März wurde ein Waffenstillstand geschlossen, dem dann am 13. Mai der Frieden von Teschen folgte. Die Geiseln durften aus Ofen in ihre Heimat zurückkehren. Den Städten war schon vorher die Weisung zugegangen, sich mit Aufbringung der Brandschatzungen nicht gar zu ängstlich zu befassen.

Sachsen erhielt 6 Millionen Gulden Kriegsentschädigung. Das Geld wurde in erster Linie verwendet, um die Schäden auszuheilen, die der österreichische Einfall in Sachsen, namentlich in unserem erzgebirgischen Kreise, verursacht hatte.

Wenn es im Bayrischen Erbfolgekriege im Sächsischen Hochlande auch zu keinen menschenmordenden Schlachten gekommen ist, so haben die Jahre 1778 und 1779 doch Schrecken genug ins Gebirge getragen, sodaß die Bevölkerung erleichtert aufatmete, als endlich die Friedensglocken läuteten, denn auch nach der Zurückdrängung der Österreicher aus dem Gebiete war das Gebirge noch monatelang mit preußischer Einquartierung belegt, deren Verpflegung in den wirtschaftlich nicht besonders günstigen Zeiten der Stadt- und Dorfbevölkerung allerhand Beschwernisse auferlegte.

Es wäre gewiß eine dankenswerte Aufgabe, wenn sich in all den beteiligten Orten einer fände, der die Leiden seines Ortes während des Bayrischen Erbfolgekrieges aus etwa vorhandenem Aktenmaterial zusammenstellte, damit schließlich ein anderer die einzelnen Berichte zu einem lesbaren Heimatbuche zusammenarbeiten könnte, das, wie ich mir einbilde, sicherlich im erzgebirgischen Hochlande seine Leser finden würde. Wer macht mit?