Von Stud.-Rat A. Schuster, Annaberg.
(3. Fortsetzung.)
Als Ursachen des Niedergangs erkennt er natürliche Kräfte an: Wetter, Wasser, Erdbeben, Pestilenz, dazu aber bemerkt er auch anscheinend astrologisch-modern [II, S. 4]:
„Der Einfluß des Himmels oder die Kraft der Gestirne har hierinnen anfangs einige Wirkung. Und wiewohl ich auff die allzu aberglaubische Sterndeutung nicht groß achte, so mag ich doch bey dem abgenommenen Bergwesen und dessen Ruin auch nicht gäntzlich alles verneinen, alldieweil doch die Sonne und andere Planeten mit ihren Conjunctionibus und Oppositionibus in ihren Position-Circuln nicht einen geringen Effect in denen irdischen Corporibus und auch so gar in den Menschen haben.“
Er kennt außerdem noch eine größere als menschliche Gewalt die man Gespenster nennt:
„Des Teufels Spiel [III, S. 3 u. 4, 30 ff.] ist auch in Bergwerken nicht seltzam, und pflegen auf Gottes Verhängnuß die Berggespenster sich in unterschiedlicher Gestalt zu praesentiren und die armen Bergarbeiter hinzurichten oder auszutreiben oder sonsten zu plagen und zu näcken.“ – „Eine solche öffentliche Gewalt hat die höffliche Zeche, der Rosenkrantz zu St. Annaberg empfunden. Denn weil ein gräßlicher Berg-Teuffel in gestalt eines Pferdes mit einem giftigen Anhauchen und Schwaden in die zwölff Arbeiter getödtet, ist dieselbe reiche Zeche liegen blieben und endlich zu Grunde gangen, und hat auch niemand an ihre Gewältigung sich getrauet.“
In Schneeberg habe der Bergmönch viel Schaden angerichtet. Auch Luther habe diese Berggespenster gekannt und gefürchtet; denn er schlug einen angeboteten Berg-Kux mit der Begründung aus [Cap. III, S. 6]:
„Der Teuffel ist mir feind, der möchte das Ertz meinenthalben auff Gottes Zulassung abschneiden, und so müßten die andern Gewerken meiner mit entgelten.“
Melzer, der sonst so klar denkt, ist hier in seiner Jugend noch sehr geneigt, die Bergfabeln für wahr zu halten. In der Buchholzer Chronik zeigt er sich solchen Erzählungen gegenüber viel kritischer. 1695 findet man im Himmlisch Heer eine „Otter“, die als Berggeist gedeutet wird. Melzer meint, man müsse erst untersuchen, ob nicht eine gewöhnliche Otter auf irgendeinem natürlichen Wege in den Schacht gekommen sei.
1679 behauptete ein Mann, er habe auf seinem Heimwege nach Walthersdorf in stürmischer Nacht etwas Ungeheures vom Galgen herziehen sehen; der Galgen brach zusammen, der Mann aber erzählte erst am 9. Tage nach dieser Erscheinung von dem Geschauten und starb bald darauf. Melzer nimmt hier an, der Mann habe schon bei seinem nächtlichen Gang febris cum phantasmate (Fieber mit Phantasien) gehabt.
Als jemand in einer Sturmnacht eine schreiende Weibsperson in schwarzem Rock und weißer Schürze gesehen haben will, meint Melzer, das sei ein vacuus rumor, leeres Geschwätz. [II, 1696]
Im Jahre 1700 hielten einige Offiziere eine Hasenjagd in den Staudten am Ruckerswalder Berge ab (wohl am Katzenbuckel). Ein starker Hase eilte nach Buchholz, und weil viel Schnee lag, sah man ihn plötzlich vom First des hohen Hauses Joh. Seb. Röhlings erschreckt auf den Markt herabschauen. Man glaubte, es sei kein natürlicher Hase, sondern der Leibhaftige gewesen. Melzer behauptet, er habe von seiner Studierstube aus die Jagd und den Vorgang gesehen, es sei ein wirklicher Hase gewesen. Die Hunde hätten ihn getrieben und gewürget, und er habe gesehen, wie ein Holzbauer den Hasen ergriffen und mit sich fortgeführt habe.
Ein anderer Vorgang ist ihm schwerer erklärlich. 1704 fand der Totengräber auf dem Friedhofe drei unverweste Finger, Daumen, Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand. Der Pfarrer nahm zunächst an, daß sie in einer Wasserkluft gelegen hätten, und ließ sie wieder eingraben. [II, 1730, Cap. 766] Als aber sechsundzwanzig Jahre danach die drei Finger immer noch unverwest gefunden wurden, forschte Melzer, wer dort begraben sei. er fand, daß es eines Richters Sohn war, und vermutete, der Sohn habe seine Hand gegen seine Mutter erhoben, der Vater aber als Richter die Sache nicht öffentlich machen wollen. Gott habe somit die Strafe an dem pietätlosen Sohne vollzogen.
Von Vorzeichen urteilt der erfahrene Mann sachlich: „Wenn nun solche Begebenheiten zutreffen, so merket man sie, wenn sie aber nicht zutreffen, so werden sie vergessen.“ [II, 1698]
So zeigt der Pfarrer in seiner Buchholzer Chronik sich, soweit ein Mensch der damaligen Zeit es konnte, als kritischer Beobachter, die Bergfabeln, die er in der Jugend noch nacherzählt, prüft er jetzt auf ihre Wahrheit hin.
Seine Jugendwerke beschäftigen sich vor allem mit dem Bergbau. Schon als er die Gangräna schrieb, hatte er einen größeren Plan, der in Schneeberg zur Reife kam. 1684, wahrscheinlich nach knapp vierjährigem Aufenthalte in der Bergstadt, erschien die erste Auflage der Schneeberger Chronik, ein Riesenwerk für einen kaum 29jährigen Forscher.
Diese erste Chronik besteht aus vier Predigten, in die aber soviel Berichte aus der Geschichte des Bergbaues eingeschoben sind, daß der Charakter einer Predigt vollkommen verschwindet, und sie auch nicht in dieser Länge wirklich gehalten sein können.
Nach dreißigjähriger weiterer Forscherarbeit gab der rüstige Gelehrte im Jahr 1716 eine „Erneuerte Geschichte der Berg-Stadt Schneeberg“ heraus, die heute als große Seltenheit gilt. Sie ist ein Hauptwerk für alle Forschungen auf dem Gebiete des Bergwesen s, und wenn sie nicht so oft genannt wird, wie sie es verdient, so liegt es daran, daß dsie nur wenigen zugänglich ist.
In dieser Chronik ist die Form der Predigt aufgegeben und der Stoff nach chronikalischen Gesichtspunkten geordnet.
12) II, S. 4;
13) III, S. 3 nd 4, 30 ff.;
14) Cap. III, S. 6.
15) II, 1696;
16) II, 1730, Cap. 766;
17) II, 1698.
Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 14 – Sonntag, den 1. April 1928, S. 3