Städte der erzgebirgischen Heimat (9)

Von Guido Wolf Günther.

(Fortsetzung aus Nr. 26 der „Erzgebirgischen Heimatblätter“.)

Arnsfeld.

Ob es wohl wahr ist, was mir eine alte Großmutter erzählte vom Namen des Dörfels? Zwei Brüder siedelten sich im Hange an, dem sich Arnsfeld anschmiegt, um Ackerbau zu treiben. Wie weiland bei Abraham und Lot war aber Streit entstanden darüber, wie das Land verteilt werden sollte. Da nahmen die Brüder jeder ein Kalb, stellten sie nebeneinander und trieben sie mit kräftigem Schlag davon. Das eine trabte links, das andere rechts, und die schwierige Frage war salomonisch weise gelöst. (Auch Kälber finden manchmal treffliche Urteile!) Die Siedelung rechts wurde nun Ernsts-Feld genannt nach dem einen der Brüder und behielt ihren Namen mit erzgebirgischer Aussprache bei: Arnsfeld. –

So erzählt die Volksüberlieferung. Aus alten Urkunden läßt sich über den Namen nichts ermitteln; sicher aber gehört Arnsfeld mit zu den ältesten Siedelungen. Schon im Jahre 1380 wird der Ort in einer Schenkungsurkunde von Hans von Waldenburg den „Altarleuten“ von Wolkenstein zugeeignet. Bestimmt wurden der Ort und das Gut Arnsfeld schon vor 1380 gegründet, und so blicken die ältesten Häuser auf ein stattliches Alter zurück. Ein Ortssiegel oder Wappen ist leider nicht zu ermitteln gewesen.

Grumbach.

Ein Schild zeigt weißgrüne Teilung; im oberen, weißen Teile ein Bergmann im Brustbild (schwarz), in den Händen Hammer und Schlägel haltend; im unteren, grünen Teile schlängelt sich krummlinig ein weißer Bach: Das ist Grumbachs Wappenbild. Befriedigen kann das Siegel kaum; es ist wohl eine Verlegenheitsschöpfung; mindestens ist der Bergmann am unrechten Platze, denn nach neuerer Meinung gehört Grumbach zu den ältesten, weit vor der Bergbauzeit entstandenen Siedelungen. Daß der krumme Bach die Benennung gegeben hat, möchte billig bezweifelt werden; das Kennzeichen aller Gebirgsbäche ist doch der gewundene Lauf. Aus ihm eine Besonderheit abzuleiten, scheint wenig nachdenklich. Aber sprachgeschichtlich möglicher, – denn „krumm“ wurde auch früher niemals „grum“ geschrieben, – erscheint mir eine andere Deutung: entweder ist „grûs“ (mittelhochdeutsch = Schreck, Graus) die Stammsilbe oder „gruz“ (mhd. der Kies, Sand); beide Deutungen lassen sich in Anlehnung an Schwarzbach und Steinbach verteidigen, und es ist die Entstellung in „grum“ eher anzunehmen, als die Ableitung aus „krumm“. So wäre die Siedlung im Miriquidi dort entstanden, wo der Bach inmitten schauerlicher Wildnis sich seinen Weg mühsam suchte oder wo – wie bei Steinbach – die natürlichen Hindernisse, die Steine, vom strudelnden Wasser zu Gruß oder Kies zerrieben wurden.

Schmiedeberg.

Liegt da ein alter, uralter Stein mitten im Brombeergerank. Mit roten Bäckchen schielen die Beeren hinab auf den wunderlichen Einsiedler, der es sich nur widerwillig gefallen läßt, wenn schillernde Eidechslein auf ihm sich sonnen. Und manchmal, da wird dem Geziefer angst und bang um den alten, morschen Stein: das ist, wenn aus der Schmiede drüben klingelnder Hammerschlag gezogen kommt und zwischenhinein wie eines bärbeißigen Waldgeistes Stimme der große Hammer grollt. Da dehnt sich der alte, müde Stein und wird wieder jung und wächst hinauf zu stolzer Höhe! Wie einst, da er der Firststein war in der oberen Bergschmiede! Und unter sich hört er’s dröhnen und stampfen und hämmern, daß in allen Fugen die Steine weichen möchten. Aber er duldet es nicht, er, der wuchtige Firststein, – er hält die Steine zusammen durch seine krönende Last, er hält die Schmiede zusammen und schützt die feuerverbrannten, hammerschlagzähen Bergschmiede vor Einsturztod und Hungersnot! –

Und liegt nun weggeworfen, vergessen inmitten giftlauernder Ottern und einfältig verspielter Eidechsen, die keine Ehrfurcht vor dem moosgrauen Stein haben. Tröste dich, alter Geselle: dein Los ist nicht selten, weil es menschlich ist!

Steinbach.

Schwelend zieht der Schwadenrauch brennender Kohlenmeiler durch den Wald. Rauhe, uns unverständliche Laute weisen auf Menschensiedelungen inmitten des Hochwaldes hin. Und wahrlich, dort, wo der Bach sich strudelnd und spritzend durch ein Gewirr großer und kleiner Steine huindurchzwängt, haust in moosversteckter Hütte eine Sorbenfamilie. Einziger Erwerb ist für sie die Holzkohlenbrennerei, einzige Gesellschaft die Tiere des Waldes, die zutraulich in nächster Nähe dieser Menschen äsen und spielen und singen. Einsiedlerlos! – Dann aber kommen auch hier herauf deutsche Siedler und roden und bauen, und bald reihen sich am Steinbach entlang deutsche Hausungen. Die Meiler aber rauchen lustig weiter, nun von deutschen Köhlern gebaut und bewacht; die Uransiedler aber gingen auf im neuen Volk und ließen hier und da nur ein Sprachzipflein übrig zum Andenken.

Ein altes Gerichtssiegel zeigt zwei Häuser, die fast Pfahlhäusern ähnlich sehen und links davon Bäume; im Vordergrunde fließt Wasser. Sollten die Ufer des Steinbaches so sumpfig gewesen sein, daß die ersten Siedler auf Pfahlrosten bauen mußten? – Da Siegelbilder nicht die zuverlässigsten Geschichtszeugen sind, wollen wir das Rätselraten lieber aufgeben und uns damit begnügen, daß im Altar der Steinbacher Kirche die Jahreszahl 1382 steht. Ehrwürdigen Alters genug, gelt?

(Schluß folgt.)

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 33 – Sonntag, den 28. August 1927, S. 3