Sonnwendzeit.

Sonnenwende! Nur noch wenige Tage sind es, dann schichtet die Jugend Scheit an Scheit, sammelt dürres Holz, das Sonnwendfeuer zu richten. Die Alten sehen dieses Treiben gern, weil sie um die Tiefe dieser Sitte wissen und stets bereit sind, mit uns froh zu sein. Solche Gedanken reißen mich unwillkürlich von meiner Arbeit fort, aber sie verirren sich nicht in den Weiten, nein, sie fallen mitten hinein in meine liebe Heimat und werfen Anker. Jetzt dabei sein dürfen, mit helfen können, den Holzstoß zu türmen, dies wäre ein köstliches Geschenk. –

Bald werden von allen Höhen die Sonnwendfeuer grüßen, von Berg zu Berg wird ein Leuchten gehen, getreu der alten Sitte, für die wir uns heute mehr denn ehedem einsetzen müssen. Gibt es ein zweites Band, das sich so schnell und fest durch alle deutschen Gaue winden könnte, als das der Sonnwendfeuer? Wenn die Flammen lohen, dann geht ein Grüßen und Winken durch deutsches Land, von Berg zu Tal, vom Tal zur Höhe. Alle sind sie sich nahe, so, als stünden alle deutschen Brüder und Schwestern an einem Feuer, um der Heimat den Treuschwur zu tun. Wer hält getreulicher die Grenzwacht und wer könnte herzlicher zu den Volksgenossen im abgetrennten Gebiet sprechen, als es dieses Feuerband tut? Volk von unserem Volk ist’s, das wir grüßen! Sei es im Westen, in Tirol, in den Sudeten oder wo auch Deutsche außerhalb des Reiches wohnen, allem leuchtet das Feuer. In der Sonnwendnacht fallen Schranken, Grenzpfähle scheinen in die Erde zu versinken, ein weites, lichtes Band umschlingt alle.

Wie hätte sich der schöne Sonnwendbrauch von Urväters Zeiten her, bis auf den heutigen Tag erhalten können, wenn er nicht ein Teil unseres Wesens wäre? Er ist ein Stück deutschen Volkstums, ein Erbe, das sich nicht abschütteln läßt, wie man eine Mode von sich wirft.

Am schönsten erschien mir unser Erzgebirge dann, wenn die Sonnwendfeuer brannten. Nie werde ich jene Nacht vergessen, in der ich an der Seite eines lieben Fahrtengesellen von Kaaden nach Saaz pilgerte. Der Abend hatte eben sein schwarzes Tuch über die schlummernde Erde gebreitet – darin die Sterne am nächtlichen Himmel erblichen, so leuchteten auf allen Bergen Sonnwendfeuer. Soweit wir schauen konnten, fast jede Höhe des Erzgebirgskammes trug eine Flammenkappe. So schön hatten wir unsere liebe Heimat noch nie gesehen, von solcher Größe hatten wir nie zuvor gewußt.

Wie unsere Altvorderen bestimmte Berge kannten, auf denen sie Sonnwende hielten, oder von denen sie ihre Feuerräder in der Julnacht zu Tale rollten, um die Fluren zu segnen, so finden wir auch heute solche Plätze, die dem Feuer besonders geweiht scheinen. Kein langes Suchen tut not, auf Schritt und Tritt begegnen wir ihnen. Ist unsere Teufelskanzel nicht ein solcher Ort? Da ist der Habichtsberg bei Cranzahl, – da, wo die alte Sorge stand -, von dem in jedem Jahr der Brand ins Sehmatal leuchtet. Durchstreifen wir unsere Heimat kreuz und quer, wir finden sicher bei jeder Stadt, bei jedem Dorf den „Sonnwendhübel“. –

Werft den Brand in den Holzstoß, alt Holz gibt gut Feuer! Flammen prasseln schwingend empor, kraftvoll und siegreich wächst das Feuer. Das Leuchten reißt die Herzen mit zur Höhe, wir blicken stumm in die lohenden Flammen und schwören uns Treue zum deutschen Wesen, zu heimisch angestammter Art.

W. Petzold.

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 24 – Sonntag, den 12. Juni 1927, S. 2