Schwarzenberg am Ende des 16. Jahrhunderts.

Teilweise im Stile der benutzten Quellen erzählt.

Unter dem Kurfürsten Christian I. (1586-91) war Hans von Wolfersdorf auf Markersdorf Amtshauptmann über das von der sächsischen Regierung im Jahre 1534 eingerichtete Kreisamt Schwarzenberg, mit anderen Befugnissen freilich, als die Amtshauptleute der Gegenwart. Der genannte Beamte schreibt: „Nachdem wir befunden, daß eine Zeitlang große Unordnung allhier in Schwarzenberg, nicht allein im Ratsstande, sondern auch unter der Bürgerschaft gewesen, haben wir zur Verhütung allerlei beschwerlichen Nachteils sonderbare (besondere) Artikel verfasset.“ Sie geben uns genauen Aufschluß über jene Zeit, und auf Grund derselben will ich versuchen, ein Bild aus jener Zeit zu zeichnen.

Die Gemeindevertretung besteht aus zwei Räten (Ratskollegien), die abwechselnd – ein Jahr ums andere – regieren; jede Abteilung besteht aus einem Bürgermeister, einem Richter, einem Kämmerer und drei Bürgern, denen der Stadt nutzbare Aemter übertragen worden. Sonnabend nach Matthäi (21. September) erhält der Pfarrer Anzeige, wegen der in der folgenden Woche stattfindenden Ratswahl das allgemeine Kirchengebet zu tun, Gott wolle Weisheit und Verstand verleihen, damit solche Personen gewählt werden möchten, die ihr Regiment also anstellen, daß es zu göttlicher Allmacht Lob, Ehr und Preis, sowie zu Nutz und zum Besten der Stadt gereichen möge. Nach beendigtem Nachmittagsgottesdienste überbringen die Viertelsmeister den wählenden Bürgern die Einladung zur Wahl für den morgenden Montag. Es erfolgt schriftliche Abstimmung. Pflicht der Wähler ist es, alles im geheimen und in der Stille bei sich zu behalten bei Strafe des Meineids und Verlust des Ehrenstandes. Dem kurfürstlichen Amte steht die Bestätigung der Gewählten zu; die schriftliche Anerkennung muß sich bis spätestens am Sonnabend nach Michaelis in den Händen des Bürgermeisters befinden. Folgenden Tages ist gemeinschaftlicher Kirchgang, und am Montag wird die Verpflichtung des neuen Rats, auch dessen Vorstellung vor versammenter ganzer Gemeinde vorgenommen. Die nun in Amt und Würden stehenden Personen dürfen ohne genugsame und erhebliche Ursache und ohne Einwilligung der Amtleute ihrer Ämter nicht enthoben werden.

Ratssitzungen finden in der Regel am Montagsvormittage statt, in besonders wichtigen Fällen – bei Entscheidungen über Ausländer – auch öfter. Begleite mich, freundlicher Leser, in  die Ratsstube!

Die Väter der Stadt sind versammelt.

An einer Tafel haben sie Platz genommen; zuerst der Bürgermeister, dann der Richter, der Kämmerer, hierauf nach ihrem Alter die übrigen 3 Räte, zuletzt auch der Stadtschreiber – ein des Schreibens kundiger Mann, wohl in den meisten Fällen ein Lehrer. Was wird beraten? Zunächst bittet ein Bürger mit Bescheidenheit und Ehrerbietung um den Bürgerbrief für seinen Sohn. Weiter sind auch erschienen zwei klatsch- und ränkesüchtige Weiber, die an einem der letzten Tage einen kleinen Auflauf der Nachbarschaft verursachten und nun heute deshalb zur Verantwortung gezogen werden. Sie werden gehört und müssen dann abtreten. Nun tritt man in die Beratung ein. Jedes Mitglied hat ohne Ungestüm, mit Bescheidenheit und Ehrerbietung seine Meinung und Stimme von sich zu geben. Hat der Bürgermeister also eines jeden Ratsherrn Gutdünken angehört, so wird sich dann zu einhelliger Meinung verglichen. Das Ergebnis der Beratung wird den Wartenden sofort mitgeteilt.

Einsprüche gegen solche Beschlüsse sind beim Kreisamte zu erheben. Der Stadtschreiber hat alle Vorträge und Abschiede (Verhandlungen und Beschlüsse) in einem besonderen Buche zu registrieren; hierbei bedient er sich kleingestoßener Eierschalen als Streusand zum Trocknen der Schrift.

Die Erwerbung des Bürgerrechts war abhängig von untadelhafter Geburt, Ehre, Wandel und Wesen. Ein Fremder mußte von der vorigen Herrschaft, darunter er geboren und gewohnet, guten Schein und Kundschaft (gute Kunde) vorlegen. Für den Bürgerschein hatte der Handwerker 3 Schock, der Arbeiter 2, der Bürgersohn ein Schock zu hinterlegen; dem Stadtschreiber außerdem 2 Groschen. – Ausscheidende und wegziehende Bürger erhielten einen Abschiedsbrief, der auch einen Quittungsvermerk über Steuerbezahlung aufwies.

Das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeiter unterliegt obrigkeitlicher Kontrolle; die Bürger sind verpflichtet, nur Stadtbewohner zum Dienst zu dingen um einen Lohn, der billig und recht ist, und den der Rat nach Gelegenheit der Zeit anordnet. Gegenbedingung ist Fleiß und Treue der Arbeiter.

Nach Gehör des Amtmannes entscheidet der Rat auch darüber, ob jemand in der Stadt aufgenommen werden soll, denn der Hauswirt haftet als Bürge für seine Mieter. – Das Beherbergen Fremder erfordert, falls es länger als drei Tage währt, obrigkeitliche Meldung.

Die Träger der öffentlichen Sicherheit, der Polizeigewalt, sind vier angesehene Bürger mit dem Amtsnamen Gemeinde- oder Viertelsmeister; dieser Name hängt mit der Einteilung in vier Stadtbezirke zusammen. Städtische Ehrenämter (zu denen nebenbei bemerkt auch das eines Vormunds gehört) sind es, die sie bekleiden.

(Fortsetzung folgt.)

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 9 – Sonntag, den 27. Februar 1927, S. 2