In der Heimat.

(Von einem in Amerika lebenden Schlettauer.)

Oft sucht der deutsche Jüngling
In weiter Welt sein Glück;
Doch treibt es ihn im Alter
Ins Vaterland zurück.

Ob er sein Glück am Hudson
Ob er’s am Kongo fand,
Es zieht ihn nach der Scholle,
Wo seine Wiege stand.

Ihn hält kein Land der Erde,
Er flieht der Tropen Pracht.
Wenn Sehnen nach der Heimat
In seiner Brust erwacht.

Noch einmal will er weilen
Am trauten Heimatsort.
Eh‘ ihn der Todesengel
Ruft von der Erde fort.

Noch einmal will er träumen,
Wo er als Kind gespielt,
Wo ihn der Arm der Mutter
Dereinst umfangen hielt.

Noch einmal will ergreifen
Der Greis den Wanderstab,
Und Kindestränen weinen
Auf seiner Eltern Grab.

Ein alter Freund, den lange
Das Heimweh schon gequält,
Hat mir von seiner Reise
Das folgende erzählt:

Als wir den deutschen Hafen
Nach langer Fahrt erreicht,
Vergoß ich Freudentränen,
Ward es ums Herz mir leicht.

Und alle meine Pulse
Durchglühte Seligkeit,
Als ich die Bahn nach Hause
Zur Abfahrt fand bereit.

Mir war’s, als müßt‘ erreichen
Das Städtchen ich im Flug,
Als ich den Turm gewahrte
Am fernen Höhenzug.

Und als das Dampfroß keuchte
Den Schienenweg entlang,
Da war es mir als hörte
Ich fernen Glockenklang.

Da war es mir, als klängen
Die Lieder an mein Ohr,
Die ich dereinst im Kirchlein
Mit andern sang im Chor.

Es tauchten die Gestalten
Der Jugend vor mir auf,
Und Traumgebilde jagten
Vorbei im raschen Lauf.

Wird mich auch noch erkennen,
Dacht ich, mein Mütterlein.
wird sie, die mich verschmähte,
Mit ihm wohl glücklich sein.

Die letzten Hügel schwanden.
Der Zug bog in das Tal.
Und vor mir lag das Städtchen
Im hellen Sonnenstrahl.

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 29 – Sonntag, den 24. Juli 1927, S. 3