Hermannsdorf in Sage und Geschichte.

Von Dr. M—r. (Nach Richter und Zienert.)

Etwa eine Stunde westlich von Annaberg zwischen Schlettau und Geyer liegt die schmucke Ortschaft Hermannsdorf. Sie soll ihren Namen von einem Ritter Herrmann erhalten haben. Dieser hauste der Sage nach vor vielen Jahrhunderten in einem Schloß, das sich auf einem Berge unweit Schlettaus, der Sommerstein oder Knochen genannt, erhoben haben soll. In der Nähe seiner Burg legte er, wie die Kunde geht, ein Dorf an, das er Hermannsdorf nannte. Richter erzählt noch, daß die „Einfältigen“ glaubten, in dem Sommerstein sei ein großes Loch, „darinnen stünde noch ein großer Kasten mit Gelde.“ Weiter weiß er zu melden, daß das Schloß auf dem Sommerstein ein Raubschloß gewesen sei, dessen Besitzer im Verein mit den Raubrittern zu Tannenberg und bei den Greifensteinen den Handelsleuten, die nach Böhmen reisten oder von dort zurückkehrten, aufgelauert hätten.

In alter Zeit ist in Hermannsdorf „eine Wallfarth zum Ertz-Engel St. Michael gewesen, der auch noch in der Sacristey zu sehen, wie man denn auch das Kirchwey-Fest vor dem veränderten Calender am Tage Michaelis gehalten. Die Capelle dieses Ertz-Engels ist auf dem fünfften Guthe unter der Pfarre gestanden, wo man annoch einen Gottes-Acker wegen der Todten-Gebeine bemercken kan(n).“

„Ehemals hat hierum ein großer Wald und viele Buchen gestanden, also daß die Annabergischen Bergleute, die solches Holtz ofte gehohlet, die Herrmannsdörfer nur die Haynbüchner Bauern geheißen“ (was die „Bauern aus dem Buchenhain“ bedeutet).

Hermannsdorf war früher ein sogenanntes „freies Dorf“ mit mannigfachen Vorrechten und Vergünstigungen. Es besaß das Recht, selbst Bier zu brauen. Ferner durften die Hermannsdörfer ihr Brot, Fleisch usw. kaufen, wo sie wollten. Auch war es allen Handwerkern erlaubt, sich in Hermannsdorf niederzulassen. Wir sehen hieraus, wie gebunden andere Orte gewesen sein mögen, denen solche Vorrechte nicht eingeräumt waren. Endlich hatte das Dorf ein eigenes Gericht, „so an der Elterleiner Straße am Walde gelegen.“ Hier stand ein Rad, auf das um das Jahr 1660 ein Annaberger Bürger, namens Anger, der einen Spitzenhändler im Dorfgebiet erschlagen hatte, geflochten wurde und so einen qualvollen Tod als Sühne für seinen Mord erleiden mußte.

Hermannsdorf war also in rechtlicher Hinsicht eine sehr bevorzugte ländliche Gemeinde. Das Dorf war aber noch in anderer Weise begünstigt, nämlich dadurch, daß sich auf seiner Flur „eine berühmte Fundgrube, der Butterfladen oder Schoban genannet“, befand, „von ihrem Eigenlehner also genannt, welcher viel Ertz nach Joachimsthal verkaufft, endlich aber wegen der mit seiner Tochter getriebenen Blutschande zu Annaberg öffentlich auf dem Marckte gerichtet worden.“

Die Leser dürfte es noch interessieren, daß nach den Angaben Zienert’s Hermannsdorf vor etwa 90 Jahren über 700 Einwohner zählte, die damals neben ihrer Feldwirtschaft noch etwas Bergbau trieben. Die Kirchgemeinde (Hermannsdorf mit Dörfel) umfaßte zu derselben Zeit 1219 Seelen bei jährlich 15 Trauungen, 60 Geburten, 36 Sterbefällen und 1311 Kommunikanten. Wie Zienert weiter berichtet, ist Dörfel früher nach Tannenberg, dann nach Elterlein eingepfarrt gewesen. „Als aber der Dörfler Kirchweg durch Hermannsdorf geführet und der Sage nach ein Kind aus Dörfel, das man im Winter nach seiner Taufe in Elterlein auf dem Heimwege im Schnee verloren, umgekommen sey, ist es Anfangs des 17. Jahrhunderts nach Hermannsdorf eingepfarrt worden.“

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 38 – Sonntag, den 16. September 1928, S. 3