Die Geschichte der Fleischer-Innung zu Elterlein.

In früherer Zeit, als in der Stadt Elterlein neben Landwirtschaft noch Bergbau betrieben wurde, bildeten sich unter den Handwerkern die Innungen, um gemeinsam die gewerblichen Interessen ihrer Mitglieder zu fördern. Von jeher und auch heute noch haben die Vereinigungen den Zweck

  1. die Vervollkommnung des Gewerbebetriebes der Innungsmeister und der Gesellen in der Innung durch Veranstaltung belehrender Vorträge, sowie gegenseitige Mitteilung und Besprechung aller in das betreffende Gewerbe einschlagenden Neuerungen;
  2. die Abhaltung von Gesellen- und Meisterprüfungen, worüber auch von der Innung die Zeugnisse ausgestellt werden;
  3. die Aufdingung und Lossprechung der Lehrlinge.

Ueber die beim Obermeister einzubringenden Aufnahmegesuche entscheidet die Innungsversammlung.

Nach vorhandenen Schriftstücken wird über das Innungswesen in der Stadt Elterlein noch folgendes – zum Teil in Urschrift – berichtet:

Am 6. August 1614 wurde der Innungs-Artikel für die sämtlichen Meister der Bäcker-, Huf- und Nagelschmiede, Schlosser, Wagner, Fleischer, Böttcher, Tischler und Seiler zu Elterlein vom jeweiligen Landesfürsten, Herrn Johann Georg, dem Ersten, Herzog und Kurfürst zu Sachsen, bestätigt. Ferner ist noch die Urkunde vom 15. November 1666 im Original vorhanden, wodurch eine Ordnung für die Innung der Handwerker zu Elterlein der damalige Landesfürst, Herr Johann Georg, der Andere, renoviert und bestätigt.

Der General-Innungs-Artikel für Handwerker hiesiger Lande ist am 8. Januar 1780 vom Sächsischen Kurfürst Friedrich August erlassen worden.

Auch ist noch bis heute erhalten eine schöne, kunstvoll geschriebene Urkunde mit großem Siegel in Hülse. Dieselbe enthält die Bestätigung des Innungs-Artikels für die gesamten Lohegerber und Rotgerber im Bergstädtlein Elterlein und ist unterzeichnet von Johann Georg, Herzog zu Sachsen, ausgestellt zu Dresden, im Juli, Tag Marty 1646.

Durch die vorerwähnten Tatsachen ist somit erwiesen, daß unter den hiesigen Innungen auch die Fleischhauer-Innung zu Elterlein auf ein Bestehen von mehreren Hundert Jahren zurückblicken kann. Die vorhandenen Bücher und Urkunden reichen bis zum Jahre 1646 zurück. Da aber um diese Zeit (1648) der 30jährige Krieg, welcher auch in Elterlein nicht ohne Schäden vorübergegangen ist, zu Ende war, so mögen vielleicht die früheren Bücher und Schriften umgekommen sein. Zur Verwahrung der Bücher usw. besitzt die Fleischerinnung eine alte Lade. Diese wurde im Jahre 1709 beschafft und ist wie durch ein Wunder mit allen Ehren gehalten, bei allen Bränden gerettet worden. Die außerdem noch vorhanden gewesenen Zinnkannen, -Krüge (Willkommen) u. dergl. sind bei Bränden den Flammen zum Opfer gefallen. An Beständen sind noch vorhanden unter anderem:

7 Zeugnisse, das älteste vom Jahre 1652,
mehrere Geburtszeugnisse von Lehrlingen,
8 Lehrbriefe, der älteste vom Jahre 1723, darunter noch ein Dokument, von der hiesigen Innung selbst am 7. Januar 1781 ausgestellt,
2 Meisterbriefe von 1743 und 1749,
1 altes Wanderbuch mit Personalangaben für den Fleischhauer Gustav Eduard Geßner (II), geboren am 17.9.1808 in Sachsenfeld i. Erzgeb.

Das älteste vorhandene Kassenregister vom Quartal Johannes 1783 bis Reminiscere 1784 ist geführt vom Handwerksschreiber Christian Ehrenfried Müller. Angeblich haben als Lade- und Vormeister beigewirkt: Christian Andreas Biltz und Friedrich August Baumann.

In den Kassenbüchern ist eingetragen, daß am Quartal Trinitatis 1782 Meister Karl Friedrich Kreisel, hier, dem Handwerk eine Zinnkanne (Willkommen) zum Duscür bei seinem Meisterstück gespendet hat, an welcher 6 Bänder vorhanden sind.

Von den Meistern wurde alljährlich ein Auflagegeld in folgenden 4 Raten (Quartal) entrichtet: Trinitatis, Crucis, Lucia und Reminiscere. Z. B. waren bei einer Auflage zus. 1 Thlr. 20 Groschen eingekommen.

Nach dem Protokollbuch über angenommene (aufgedingte) Lehrlinge (geführt seit 1646) sind bis heute bei der Innung 171 junge Leute als Fleischerlehrlinge aufgedingt worden, wobei der Obermeister den Lehrvertrag mit unterzeichnet. Dieses buch enthält als ersten Eintrag den Namen:

Paulus Singer aufgedingt auf 3 Jahre, geschrieben zum Quartal Trinitatis 1647 durch Andreas Ullmann.

In dem Protokollbuche über losgesprochene Lehrlinge sind seit Anno 1646 bis heute 237 verzeichnet, die zum Gesellen ernannt wurden. Darunter sind auch diejenigen genannt, welche bei einer auswärtigen Innung aufgedingt worden sind und die Lehrzeit hier beendet haben. Im ersten Eintrag wird genannt:

Andreas Jäger, welcher Trinitatis 1646 nach vollendeter 3jähriger Lehrzeit zum Gesellen gesprochen wurde.

Das Protokollbuch über die Meister wird geführt seit 23. November 1682 und enthält die Verhaltungsvorschriften für Jungmeister vom 6. Juni 1709. Es sind hier seit 1682 bis heute 121 protokollarische Niederschriften zu finden über Personen, welche zum Meister der Fleischhauerei ernannt worden sind. Früher war zur Erlangung des Meisterrechts eine Wanderzeit gesetzlich vorgeschrieben, welche jedoch auf schriftliches Gesuch durch die Königl. Kreisdirektion erlassen werden konnte.

Das Protokollbuch für Versammlungen reicht bis zum Jahre 1887 zurück.

Der Fleischer-Innung hatten sich früher die Lohegerber und Rotgerber, sowie die Viehhändler mit angeschlossen, weshalb auch noch verschiedene alte Verordnungen für die Gerber in Elterlein vorhanden sind.

Vom 11. November 1841 bis 31. Dezember 1894 hat bei der Innung eine Leichenkasse bestanden. Für dieselbe wurden ab Quartal Johannis 1842 von jedem Meister sowie Mitmeister oder Meisters Witwe jährlich 5 Neigroschen entrichtet. Beim Tode eines Mitgliedes oder Meisters-Witwe erhielten die Angehörigen je nach Jahren bis zu 10 Neigroschen usw. Jeder Meister in der Leichenkasse war verpflichtet, bei allen Beerdigungen eines Meisters, Mitmeisters oder Familienglieder derselben teilzunehmen.

Die Statuten der Fleischerinnung sind auf Grund der §§ 97 ff der Gewerbeordnung (Gesetz vom 18.7.1881) als ein revidiert Statut am 7. Februar 1886 erlassen und hierbei in Druck gelegt worden. Aber schon nach 13 Jahren erfuhren die Grundgesetze gemäß höherer Anordnung am 1. April 1899 eine kleine Abänderung. Die Innungsstatuten sind wie folgt unterzeichnet: Gustav Kreutel, Obermeister, Ernst Eduard Trommler, Christian Ernst Betzold, Karl Bernhard Götz, Christian Gotthold Gehlert, Woldemar Emil Lohschmidt, Karl Ernst Ficker, Anton Hermann Kraft, Karl Emil Heimbold.

Hierauf bestätigt am 26.6.1886 der Stadtgemeinderath durch Bürgermeister R. Hofmann, daß die Unterschriebenen sämtlich Mitglieder der Fleischer-Innung zu Elterlein sind.

Seitens der Königlichen Kreishauptmannschaft Zwickau ist durch den Kreishauptmann v. Hausen am 19.7.1886 das revidierte Statut genehmigt worden.

Das alte Innungssiegel stellt ein Rind mit 2 überkreuzten Beilen dar und lautet: „Der Fleischer-Siegel im Elterlein.“ Hingegen ist das neue Siegel etwas kleiner ohne bildliche Darstellung und lautet: „Fleischhauer-Innung zu Elterlein.“

Im Juni 1885 trat die hiesige Innung dem Deutschen Fleischer-Verband als Mitglied bei.

Durch die Kreisbehörden fand in Jahre 1885 in den einzelnen Orten eine Zählung der bestehenden Innungen statt. In Elterlein wurden hierbei 1885 folgende Innungen festgestellt: Bäckerinnung, Fleischerinnung, Nagelschmiedeinnung, Schuhmacher- und Schneiderinnung, und die Vereinigte Innung. Letzterer gehörten Böttcher, Glaser, Gerber, Klempner, Schlosser, Schmiede, Stellmacher, Seiler und Tischler an.

Nach Berichten aus den Jahren 1865 und 1868 betrug der Handwerkerverdienst u. a. für die Fleischer pro Woche 1 einsechstel Thlr.

Der Mitgliederbestand der hiesigen Fleischerinnung läßt sich aus der älteren Zeit nicht mehr feststellen. Aus alten Kassenbüchern ist nur noch zu ersehen, daß die Innung im Jahre 1783 folgende 22 Meister nach der Ordnung zählte: Carl Friedrich Baumann, Obermeister, Christian Ehrenfried Wild, Joh. Gottlieb Hentzschel, Joh. Christ. Voigdel, Joh. Christoph Jäger, Christian Ehrenfried Neßmann, Gottlieb Leuchsenring, Christ. Andreas Biltz, Friedrich August Baumann, Christi. Ehrenfr. Müller, Christian Friedrich Jäger, Joh. Benjamin Plietzsch, Noa Bauer, Christian Friedrich Wellner, Christian Gottlieb Wild, Carl Friedrich Plitzsch, Christian Friedrich Seydel, Joh. Gottlieb Friedrich, Christian Friedrich Pöschmann, Carl Heinrich Kreisel, Carl Friedrich Kreisel, Cend.: Hentzschels Witwe.

Weiter sind noch folgende zeitweilige Mitgliederbestände erforscht worden: Im Jahre 1800 = 16 Mitglieder, 1823 gegen 20 und 1861 werden 11 Meister erwähnt, 1881 = 13 Mitglieder und 1900 waren es 6 Meister.

In dem Jahre 1835 waren in der Stadt Elterlein 6 Fleischer vorhanden, die ihr Handwerk selbständig betrieben haben.

Die 13 Mitglieder, welche der hiesigen Fleischerinnung im Jahre 1881 angehörten, waren wie folgt: Gotthold Trommler, Obermeister, Gotthold Gehlert, Woldemar Lohschmidt, Richard Neubert, Emil Mehnert, Ernst Trommler, Gustav Kreutel, ernst Petzold, Hermann Kraft, Wilhelm Eckert, Bernhard Götz, Karl Ficker, Friedrich Barth.

Es ist gegenwärtig noch eine photographische Aufnahme vorhanden, die anläßlich eines Meisterstückes am 28.10.1880 erfolgte, wobei vorerwähnte Personen und die Gesellen versammelt sind. Auch der geschmückte Ochse ist hierauf zu sehen.

Von der Lade sei noch erwähnt, daß diese früher den Standort immer wechselte. Sie wurde in der Regel alle 2 bis 3 Jahre zum Johannis-Quartal in die Wohnung des neuen Obermeisters gebracht. Hierbei zog die gesamte Innung geschlossen auf. Bei dem künftigen Obermeister ist sodann anschließend Quartal abgehalten worden. Nach geschlossener Lade endete diese Festlichkeit mit einem gemütlichen Beisammensein.

Die Ablegung des Meisterstückes für das ehrbare Handwerk der Fleischhauerei erfolgt praktisch, mündlich und schriftlich. Dies geschah bis zum Jahre 1886 in vielen Fällen noch unter besonderen äußerlichen Feierlichkeiten. Diese erstreckten sich auf 2 Tage. Zunächst wurde 1 Ochse (Meisterochse) mit Girlande und Blumen geschmückt, sowie der Kopf des Tieres mit einer Blumenkrone versehen. Die städtische Musikkapelle zog voran durch alle Straßen der Stadt. Gesellen oder Lehrlinge führten den geschmückten Ochsen. Beim Durchzuge durch die Stadt wurden von Einwohnern verschiedene Geschenke herangehängt. Vor Beginn des Umzuges mußte in Gegenwart von 2 Prüfungsmeistern und der gesamten Innung der der Prüfung sich unterziehende Jungmeister das Tier 3 mal angreifen und schätzen. Das 3. Ergebnis war geltend und hat der Obermeister notiert. Dieser Vorgang hat hier auf dem Marktplatze unter der Eiche stattgefunden. Sodann versammelten sich die Innungsmitglieder im Rathauslokal oder in der Eiche (Gasthof), wo es an Speise und Trank nicht fehlte. War der Umzug beendet, so erfolgte manchmal auf Wunsch des Jungmeisters eine photographische Aufnahme der gesamten Innung und des Tieres. Nachmittags desselbigen Tages war die Schlachtung des Ochsen durch den Jungmeister, welchem hierzu noch 1 Beistand (1 Mann) beigegeben war, unter den vorgeschriebenen Bedingungen. Gleichzeitig war auch die mündliche Prüfung. Sodann ging es zum gemütlichen Teile über. Abends fand gewöhnlich im Rathaussaale Tanzmusik starr. Den nächsten Tag erfolgte vor versammelter Innung die schriftliche Prüfung. Sind nun die Prüfungen mit gutem Erfolg abgelaufen, so wird der Jung- oder Stückmeister bei offener Lade zum Meister des Fleischerhandwerks gesprochen. Durch Handschlag wird dies von allen Anwesenden bekräftigt. Von der Innung wird dann der Meisterbrief ausgestellt und von dem mitanwesenden stadträtlichen Besitzer mitunterzeichnet. Mit Glückwunsch seitens aller Meister erhält der neue Fleischermeister das Dokument ausgehändigt.

In der Kriegszeit von 1914 bis 1919 hat die Fleischer-Innung geruht und wurde im Jahre 1919 wieder aktiv. Sie wird gegenwärtig noch von 3 Meistern aufrechterhalten. Die Leitung liegt seit Quartal Johannis 1900 in den Händen des Obermeisters Herrn Hermann Hentschel in Elterlein.

Möge diese über 300 Jahre alte Zunft auch immer in Ehren fortbestehen zum Segen des Fleischerhandwerkes in der Stadt Elterlein!

Das, was die Urväter hielten in Ehren,
kann auch der Nachwelt noch etwas lehren.
Ob reich oder arm, gleich welcher Gesinnung,
hielten sie doch immer treu zur Innung.

G. K.

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 48 – Sonntag, den 28. November 1926, S. 3