Die ehemalige Baumwollspinnerei in Schlettau.

(Jetzige Knochenpräparade-Fabrik.)

Vorstehendes altes Bild veranschaulicht die ehemalige Baumwollspinnerei an der Zschopautalstraße in Schlettau, aus der später die Knochenpräparatefabrik Richard Kästner hervorgegangen ist (derzeitiger Besitzer Herr Dr. phil. Georg Preßprich). Das schöne große Hauptgebäude (Kataster-Nr. 106) wurde 1833 von der Firma Lohse und Naumann errichtet, die seinerzeit Besitzerin des Schlettauer Schlosses und einer daneben befindlichen Spinnerei war. Es hatte einen Turm mit Glocke, eine Uhr und enthielt außer mehreren Wohnungen den ziemlich umfangreichen Spinnereibetrieb. Verschiedene Nebengebäude und Schuppen umgaben dasselbe. Anschließend und damit verbunden war ein noch wesentlich älteres Mühlengebäude, früher Bretmühle, später Mahlmühle, ein Wohngebäude etc. und mehrere Gewächshäuser. In dem die Fabrik umgebenden großen Garten wurde eine nicht unbedeutende Kunstgärtnerei betrieben. Um 1860 war eine Familie Seifert, zuletzt Juliane Bertha verw. Seifert, Besitzerin des Anwesens, von der es 1870 der Ratmann Anton Dietzmann kaufte. Dieser gab den Spinnereibetrieb auf und richtete die Verarbeitung von Knochen ein. Von 1872 an beteiligten sich Richard Kaestner und Johannes Dreverhoff an dem Unternehmen, von 1879 ab übernahm es Richard Kaestner allein.

Seit Oktober 1917 befindet sich die Knochenpräparatefabrik im Besitze des vorher langjährigen Leiters und jetzigen Inhabers. Im Laufe der letzten Jahre ist der Betrieb beträchtlich erweitert und verbessert worden und arbeitet jetzt nach den neuesten Verfahren. Eine Turbine wurde eingebaut, in der Fettgewinnungsabteilung die Benzin-Entfettung eingeführt, und in der Leimfabrik die offenen Kocher durch eine Vakuumverdampfungsanlage ersetzt. Die moderne Aufbereitung der Knochen durch Mazeration setzt die Firma in den Stand, einen erstklassigen Leim herzustellen, der nahezu geruchfrei ist. Neben der Erzeugung sogenannter Tischlerleime beschäftigt sich das Unternehmen auch mit der Gewinnung von Spezialleimen verschiedener Art und Leimgallerte. Die aus der Fabrikation entfallenden hochwertigen Abfallprodukte werden weiter verarbeitet auf Düngemittel verschiedener Art und auf Produkte, die in der Eisen und Stahl verarbeitenden Industrie zu Härtezwecken Verwendung finden. Das ferner anfallende Knochenmehl und Hornmehl findet in der Landwirtschaft und Gärtnerei Aufnahme und ist wegen seiner sicheren Wirkung ein gern gekauftes Düngemittel. Im Anschluß daran betreibt die Firma noch einen Handel mit Dünge- und Futtermitteln aller Art.

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 30 – Sonntag, den 25. Juli 1926, S. 1