Die älteste Kirchenglocke von Annaberg.

Gelegentlich des jetzigen Erneuerungsbaues der St. Annenkirche ist man wieder auf die in des Türmers Verwahrung befindliche kleine Betglocke aufmerksam geworden. Sie hat bekanntlich bis vor 32 Jahren in dem noch jetzt vorhandenen Dachreiter gehangen und dazu gedient, dem Türmer gewisse Zeichen zum pünktlichen Anschlagen der „Pulse“ bei den Gottesdiensten wie zum Beginn des Ein- und Ausläutens in besonderen Fällen zu vermitteln. Der Drahtzug, der sie sprechend machte, zog den Jochschwengel bloß so weit an, daß die Glocke nur einseitig den hangenden Eisenklöppel berührte. Die Anschlagstelle ist bei dem fast dreihundertjährigen Gebraucht kräftig eingeschürft worden. Sie ist noch jetzt an dem eschenem Tragjoche verklammert, das in seinem verwetterten Aeußeren von hohem Alter spricht. Nur der Schwengel fehlt. Die Anbringung einer elektrischen Klingelleitung im Jahre 1894 hat die Glocke entbehrlich gemacht. Bei der Metallabgabe während des Krieges hat, da der Türmer im Felde stand, niemand an verantwortlicher Stelle von dem Vorhandensein des Altertumsstückes etwas gewußt.

Die Glocke (ohne Henkel) ist 24 cm hoch und hat unten im Lichtmaße 30 cm Durchmesser, oben am Spruchring annähernd 17 cm Durchmesser. Der Ringstreifen trägt in 2 cm hohen, erhabenen Schriftzeichen die Bekundung:

LORENTZ * HENTEL – VON * ZWICKAW – 1607.

Die äußere Form macht eine wohlangepaßte Gliederung gefällig. Sonstige Schmuckabzeichen sind nicht an ihr vorhanden. Der Helm ist abgebrochen: ein Wahrzeichen dafür, daß die Glocke im Verlauf der Zeit einen Absturz überstanden hat. Als Ersatz dient ein Eisengerüst, dessen vier Stäbe im Innern der Scheitelwand vernietet sind. – Das Gewicht der Glocke beträgt 10 Kg. Ein hervorragendes Kunsterzeugnis ist das verwetterte Betglöcklein von Sankt Annen keinesfalls. Aber als ein eigenartiges ortsgeschichtliches Denkmal aus einer verhältnismäßig weit zurückliegenden Zeit, ja als ein das Volksgemüt anregendes Schaustück darf und möchte es angesprochen werden. Möchte es doch bald wieder an seinem alten Platze im Dachreiter erklingen, wie seine Schwestern im Glockenturm.

(Nach Finck, Oberlehrer, †)

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 51 – Sonntag, den 19. Dezember 1926, S. 2