Der Dorothea-Stollen Himmlisch Heer zu Cunersdorf (2)

(Fortsetzung und Schluß.)

Im Anschluß an unseren am 18. April in den „Erzgebirgischen Heimatblättern“ veröffentlichten Artikel über den Dorotheastollen in Himmlisch Heer und seine Eröffnung am 4. Juli 1853 (nebst Bild) bringen wir heute in Nachstehendem weitere äußerst fesselnde geschichtliche Darlegungen über dieses Bergwerk.

In der Tat galt diese Silbergrube Himmlisch Heer zu Cunersdorf damals als die ergiebigste Silbergrube im Annaberg-Marienberger Bergreviere.

Unsere Vorfahren nannten die Gegend, in der diese Grube lag, den Prözel.
„Mit diesem Namen bezeichnete man nämlich“, wie der Chronist berichtet, „das diesseitige Gehänge des weißen Sehmatals oder eigentlich den mittag-abendlichen Fuß des Pöhlberges. Der Prözel bildete die Rainung (Grenze) zwischen den beiden Dörfern Cunersdorf und Kleinrückerswalde. Er schließt sich an das Cunersdorfer Gebirge an und ist selbst geschichtlich nicht ohne Interesse, weil die nördliche Hälfte desselben dem Herzog, die südliche aber dem Kurfürsten von Sachsen seit Ernst und Albrechts Theilung (1485) gehörte.“

Ferner ist überliefert worden, daß sich der Himmlisch Heerer Gang (Gänge heißen die Spalten, welche die Felsmassen in verschiedenen Richtungen durchschneiden), „auf dem herzoglichen Territorio bis in die Nähe der Pöhlberger Basaltkuppen und auf kurfürstlichem Grund und Boden bis über die Cunersdorfer Schlucht hinaus“ erstreckte.

Schon vor der Ausbeutung des Himmlisch Heerer Ganges wurde in dem Prözel erstaunlich viel Silber gewonnen. Es waren etwa 80 verschiedene Gruben gangbar, die „von 1498 bis 1519, also in 21 Jahren, zusammen 310 690 Meißner-Gulden Ausbeute gegeben haben.“

Diese reichen Silberquellen versiegten jedoch rasch wieder. Nach einer etwa 15jährigen Ruhe erwachte aber der Silberbergbau zu neuem Leben. Es war im Jahre 1536, als die Grube Himmlisch Heer fündig wurde. Nach einer alten Sage soll einem Bergmann ein Traum bedeutet worden sein, nach einer bestimmten Richtung in das Gestein zu stoßen. Er habe diese Weisung befolgt und die reichsten Silberadern getroffen, eben die des Ganges Himmlisch Heer.

Diese Grube ist volle 57 Jahre, von 1536-1593, ausgebeutet worden. Ihre Erträge stellten alle früheren Silberfunde in den Schatten. „Die eigentliche Glanzperiode fällt in die Jahre 1536 und 1537, indem die vertheilte Ausbeute in jenem Jahre (1536) zu 124 098 und in diesem (1537) zu 126 678 Meißner-Gulden angegeben wird.“

Während der 57 Jahre hat die Grube insgesamt 82 064 Mark, 10 Loth 2 Quentchen Silber gebracht. Mark ist hier eine Gewichtsbezeichnung. 1 Mark wog etwa 1/2 Pfund. Genauer ausgedrückt: Auf 1 Mark entfielen 16 Lot. 1 Lot hatte ein Gewicht von 1/22 Pfund. Die Grube hat also ungefähr 41 032 Pfund oder rund 410 Zentner reines Silber geliefert. Die an die Gewerken verteilte Ausbeute hat 619 348 Taler Conv.-Münze betragen.*) Nach einem alten Berichte sollen „fast in die 3000 Florinen oder Gulden Ausbeute auf einen Kux (Anteil) gefallen“ sein.

Ueber die Beschaffenheit des Silbers heißt es in einer Urkunde: „Daselbst – auf Himmlisch Heer – hat (wurde) vor Alters ein braun dicht Silbererz gebrochen, welches nach dem Scheiden grün worden.“

Nach einer anderen Mitteilung ist es „jedenfalls Hornerz gewesen, das hier sehr häufig und schön vorgekommen sein soll und wovon sich auch einige sehr schöne über 20 Pfd. schwere Stücken im Königl. Mineralien-Cabinet zu Dresden befanden, die jedoch bei dem Brand des Zwingergebäudes im Monat Mai 1849 mit verloren gegangen sind.“

Es wird erzählt, daß an der Grube Himmlisch Heer 28 Gewerken beteiligt waren. Darunter sind gewesen: Heinrich von Elterlein, der Vater der Barbara Uttmann. Er entstammte einer Nürnberger Patrizierfamilie und war 1485 in Nürnberg geboren. Wegen des Bergbaues hatte er sich mit seinem Bruder Johann nach unserem Erzgebirge gewendet und lebte anfangs in Elterlein als reicher Fundgrübner. Um das Jahr 1522 siedelte er nach Annaberg über, wo er 4 Jahre später zum Bergzehntner ernannt wurde und 1539 starb.

Christoph Uttmann, der Gemahl von Barbara Uttmann. Dieser war aus Löwenberg in Schlesien nach Annaberg eingewandert und wurde hier ein angesehener reicher Bergherr.

Markus Röhling. An ihn erinnert noch der „Markus-Röhling“ bei dem Dorfe Frohnau.

Stephan (Hans?) Hühnerkopf. Dieser war 1516 Bergmeister in Elterlein. Von ihm wird erzählt, daß er den Annaberger Kaplan Moritz wegen einer schweren Beleidigung auf dem Elterleiner Pfarrhof erstochen hatte. Er besaß in Annaberg das Gebäude, das jetzt den Namen „Wilder Mann“ führt.

Lorenz Pflogk. Er und seine Frau stifteten einen nach ihnen benannten Flügelaltar für die St. Annenkirche, der dem Bäckeraltar gegenüber an der nördlichen Seite steht.

Anselm Thumshirn. Er war der Bruder des bekannten Feldherrn Wilhelm T., der 1547 im Auftrage des Kurfürsten Johann Friedrich (Schmalkaldischer Krieg) seine Vaterstadt Annaberg belagerte und brandschatzte. Anselm T. war einer der reichsten Annaberger Fundgrübner. Er erbaute den jetzigen „Wilden Mann“, der später, wie schon erwähnt, in das Eigentum seines Mitgewerken Hühnerkopf überging. Von Anselm heißt es:

„Auch ein Thumshirn gewann von da an reichliche Schätze,
Ruhmlos lebt es bisher, lange verborgen der Welt;
Aber nachdem ihm die Grube des Silbers Ader geöffnet,
Hob er das Haupt – und doch hatt‘ er ja alles vom Herrn!“

Kaspar Kürschner. Kaspar Kürschner, mit dem rechten Namen eigentlich Fleischmann, war wohl damals der reichste Fundgrübner nicht nur in Annaberg, sondern in der ganzen Umgegend, was er vornehmlich der Silbergrube Himmlisch Heer zu verdanken hatte. Ueber ihn wurde damals geschrieben: „Zu Annaberg in Meißen hat ein Mann gewohnt, welcher aus den Silbergruben einen fürstlichen Reichtum erlanget.“

„Im Jahre 1544 speisete er bei der Ratswahl Wildbret und Fische, Malvasier, Rheinfall auf das prächtigste. – Wenn er sich ins Bad (hat) begeben wollen, ist er auf einem Kostbaren Pferde geritten. Im Bade trug man ihm ein Becken mit Malvasier angefüllet und Semmel auf Kohlen geröstet vor, damit man ihm die Fußsohlen reiben mußte, die Lust zum Essen und Trinken zu befördern.“

„Herzog Georg entsetze diesen Kaspar Kürschner aus dem Rate, weil er lutherisch geworden war. Er wurde aber nach dessen Tod 1540 Bürgermeister von Annaberg.“ Wegen Uebergabe der Stadt an die Truppen Kurfürst Johann Friedrichs am 16. März 1547 wurde er vom Herzog Moritz seines Amtes entsetzt.

„Im Jahre 1554 wog er sich Heinrich Körndorfer in der Stadtratswage. Da wog der eine 2 Zentner 15 Pfund, der andere 2 Zentner 12 Pfund.“

„Es ist aber dieser reiche Mann endlich von all seinem Vermögen gekommen, da er teils vieles verschenkt, wieder verbaut und es ihm wegen Aufgabe der Stadt ein Ansehnliches gekostet (hatte). Endlich ist er noch in die äußerste Not und Armut geraten. So mußte er seinen Unterhalt aus den reichen Almosen bekommen und denselben vor den Kirch- und Hausthüren und auf den Hochzeiten sammeln. Da ist er ohne Scheu gestanden. So hat ihn seine Blindheit und seine Hochmut also gestürzet.“

Nach einer alten Sage soll auch eine Bäuerin bei Frohnau Gewerkin der Grube Himmlisch Heer gewesen sein, die ebenfalls sehr reich und „durch ihr Glück übermütig wurde und allerlei Unfug und Verschwendung trieb. Sie badete sich täglich in dem teuersten Weine und gab ihn dann mit Semmelbrocken vermischt den Armen zu trinken. Als diese aber später erfuhren, was mit dem Weine vorgegangen, ekelten sie davor. Sie warfen der Geberin die Fenster ein und sangen Spottlieder auf sie, sodaß sie sich nicht mehr öffentlich sehen lassen durfte.“ Diese Bäuerin soll in dem Hause bei dem Dorfe Frohnau, das noch heute „die Bäuerin“ heißt, gewohnt haben.

Mit der Silbergrube Himmlisch Heer steht noch heute eine Erzählung von der wahnsinnig gewordenen Gewerkin in Verbindung. Eine Witwe in Annaberg, eine Bäckerin, hatte 6 Anteile (Kuxe) an der Grube Himmlisch Heer erworben, als diese gerade in Angriff genommen wurde. Die Grube brachte anfangs noch nichts ein, erforderte vielmehr beträchtliche Zubußen, da erst alles eingerichtet und vorbereitet werden mußte. Deshalb verkaufte sie 5 Kuxe an einen Bürger der Stadt, der sie dazu beredet hatte, für einen geringen Preis und behielt nur 1 Anteil. „Nach einem Monat aber wurde die Zeche gut, daß es die Bäckerin so gereute, daß sie in Wahnsinn darüber geriet und immer an den Fingern zählte; „1, 2, 3, 4, 5 und nur einen behalten. Daß Gott erbarm, o daß meinem Betrüger der Hals in die Zeche stürzte.“

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 17 – Sonntag, den 25. April 1926, S. 3