Das neue Reichsbankgebäude in Annaberg.

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 38 – Sonntag, den 16. September 1928, S. 1

Reichsbanknebenstelle Annaberg.

Das Werk ist vollendet und der schmucke Bau, der nunmehr die Verwaltungsräume der Reichsbanknebenstelle Annaberg in sich birgt, bezogen. Man ist erstaunt über das prächtige Gebäude, das dort an der Bismarck-Straße, gegenüber dem Buchholzer Turmhaus, entstanden ist. Der Bau wurde am 18. August 1927 begonnen und programmgemäß am 8. September beendet, nahm also eine Bauzeit von einem Jahr und 20 Tagen in Anspruch. Das Gebäude konnte durch entsprechende Disposition und gutes Zusammenarbeiten der Gewerken bereits am 30. November 1927 gerichtet und abgedeckt werden, sodaß die Arbeiten auch im Winter ungehindert weiter geführt werden konnten. Dadurch war das Gebäude vor schlechter Witterung geschützt und konnte gut austrocknen. Während der Bauzeit waren durchschnittlich 60 – 70 Handwerker beschäftigt. In überaus solider Bauart errichtet und nach neuzeitlichen Grundsätzen unter Verwendung nur besten Materials hergestellt, wurden außer den Büroräumen eine moderne Stahlkammer, eine Direktoren- und eine Beamtenwohnung eingebaut. Der Entwurf wurde nach eingehenden örtlichen Besichtigungen und nach Herstellung von Modellen vom Reichsbank-Baudirektor Wolf und Reichsbank-Baurat Kahr im Baubüro der Reichsbank in Berlin bearbeitet. Die örtliche Leitung lag in den Händen des Architekten Schulze-Berlin, der sich in sorgfältiger und liebevollster Weise der Durcharbeitung aller Einzelheiten verständnisvoll annahm. Für den Bau wurden so u. a. 140 Blatt Einzelzeichnungen angefertigt. Mit Rücksicht auf die erzgebirgischen Verhältnisse wurde ungemein wetterfester Schieferbruchstein aus dem Petzold’schen Bruch in Harthau bei Chemnitz zu dem Bau verwendet. Das Dach wurde nach der im Erzgebirge vorherrschenden Bauweise in altdeutscher Deckung verschiefert. Für die Ausbildung des Adler-Schlußsteines über dem Hauptportal wurde der bestens bekannte Bildhauer Thorak-Berlin hinzugezogen (dessen in diesem Jahre mit dem Preußischen Staatspreis ausgezeichnete Plastik, „Die Fromme”, bekanntlich von der Stadt Berlin zu Museumszwecken angekauft wurde). Der Adlerschlußstein nimmt sich besonders vorteilhaft aus. Die farbige Behandlung der Innenräume fand nach Angaben des Reichsbankbaubüros und der örtlichen Bauleitung statt und ist in dezenter, geschmackvoller und künstlerisch formvollendeter Weise durch die bekannte Fa. Oskar Freymann-Annaberg durchgeführt. Bemerkenswert ist die im allgemeinen einfache, aber in edlen Materialien und guten Maßverhältnissen abgestimmte Durchbildung der Innenräume. Aus stadtbaulichen Gründen errichtete die Reichsbank vor der alten Hohl-Villa ein neues Einfahrtstor, das mit dem Bankeingang einen wirkungsvollen Straßenabschluß bildet. Die bei der schon erwähnten sehr soliden Bauweise nicht unbeträchtlichen Baukosten sind zu einem großen Teil den Handwerkern in Annaberg und Buchholz zugeflossen. So waren an den Arbeiten u. a. beteiligt: Fa. F. J. Götze-Annaberg, Würzberger-Buchholz, K. Tuchscherer-Buchholz, Paul Preiß-Annaberg, R. Haase-Annaberg, A. Weisflog-Annaberg, M. Soltau-Annaberg, L. Bergelt-Sehma, O. Freymann-Annaberg, W. Reinhold u. Söhne-Annaberg, W. Hofmann-Annaberg, C. Siegert-Mildenau, Ferd. Zeidler u. Söhne-Annaberg, Bursian-Annaberg und Küchler-Geyersdorf. – Ein Rundgang durch das neuerstellte Reichsbankgebäude bestätigt nun voll und ganz den soliden, und nur, wie schon erwähnt, aus bestem Material aufgeführten Bau. Im zweiten Stock befinden sich zunächst die Wohnräume für den Unterbeamten. Alles große, helle Räume, teilweise mit Dampfheizung versehen. Durch eine besondere Holzgitterkonstruktion wurde das Vorhandensein von schiefen Dachwänden verhindert. Die Zimmer wirken auf diese Weise in ihrem Gesamteindruck viel freundlicher. Neben der Mädchenkammer befindet sich hier u. a. auch noch ein Fremdenzimmer für einen Aushilfsbeamten. Die Wohnräume des Bankleiters im ersten Stock nun weisen alle Vorzüge auf, die das neuzeitliche Bauen, verbunden mit der modernen Technik zu bieten im Stande sind. Warmwasserleitungen führen von der Küche aus in verschiedene Räumlichkeiten. Die Alarmeinrichtung zum Tresor ist im Schlafzimmer eingebaut. Auch hier ist teilweise Dampfheizung. Die Fußböden in verschiedenen Räumen, die besonders künstlerische Farbentönung aufweisen, sind parkettiert. Die Beleuchtungskörper in den Räumen sowie im Treppenhaus und den Büros sind in ihrer Ausführung sehr neuzeitlich. Im Erdgeschoß liegen die Büroräume, die Stahlkammer und ein besonderes Direktorenzimmer. Die Kasse ist in einem besonderen Schalterraum in der Mitte des Büros untergebracht. Auch hier atmet alles Licht, ist alles frei und übersichtlich. Im Kellergeschoß befinden sich die Garderobenräume, die Toiletten. Sämtliche Gasuhren und die Strommesser befinden sich ebenfalls dort und das Aufsichtspersonal braucht nicht erst in die Wohnungen. Weiter sind hier eingebaut zwei Kessel für die Dampfheizung. Die Keller hierfür stoßen an diesem Raum gleich an. Ein besonderer Raum ist für einen noch anzuschaffenden modernen Geldtransportwagen vorhanden. Im Garten wurden zwei Ruheecken für die Bewohner errichtet. Der Baumbestand wurde auf Bitte von interessierter Seite weitgehendst geschont. Auch sonst kam man den ausgesprochenen Wünschen bezüglich des Straßenabschlusses usw. bereitwilligst in jeder Form entgegen. Die Übergabe des Neubaus an die Reichsbank erfolgte in Gegenwart des Vorstandsbeamten der Reichsbankstelle Chemnitz, Herrn Reichsbankdirektor Wever, und des zuständigen Bezirksbaubeamten der Reichsbank, Herrn Reichsbankbaurat Turban. Von einer besonderen Einweihungsfeier wurde in Anbetracht der allgemeinen Wirtschaftslage Abstand genommen. Die ehemalige Reichsbank-Nebenstelle Buchholz schloß bekanntlich am Sonnabend, den 8. September, ihre Tätigkeit. Dieselbe wurde am Montag, den 10. September, im neuen eigenen Gebäude nach erfolgtem Umzug fortgesetzt. – Unser Bild zeigt den schmücken Bau, der sich plastisch aus dem schönen Landschaftsbild heraushebt, welches sich dem Beschauer auf halbem Wege zwischen die Schwesterstädte Annaberg und Buchholz darbietet. Das Reichsbankgebäude befindet sich dort in einer zentralen Lage für die Industrien beider Städte. Und so wünschen wir, daß nicht nur das Gebäude felsenfest stehe, sondern auch des Reiches Bank – die Währung unserer Mark – nun felsenfest und sicher bestehen bleibe. Dazu „Glückauf!”