Städte der erzgebirgischen Heimat (8)

Guido Wolf Günther.

Städte der erzgebirgischen Heimat (8)

Guido Wolf Günther.

(Fortsetzung.)

Hermannsdorf.

Einsam träumt der Sommerstein (jetzt Singerstein genannt) in die Heide hinein. Würziger Geruch von Fichten und von Heidekraut umspielt ihn, und gerne steht der alte Rehbock mit dem silbergeperlten Gehörn auf seiner Kuppe, um sein Rudel zu betreuen. Mit tausend und abertausend Glöckchen läutet Erika zur Waldandacht und brummend spielen buntpelzige Hummeln die Orgel. – Da schwirrt irgendwo eine Sehne, und pfeifend gräbt sich dem alten Standbock die scharfe Bolzenspitze ins weide- und liebestolle Herz! Wer bricht den Frieden mit frevelnder Hand? – Schon bricht der Feind aus der Dickung, die ihn vor dem äsenden Wild verbarg: ein junger Franke ist’s, aus edlem Geschlecht. Drüben, an der Schlettauer Wasserburg, warten seine Gesippen auf das Wildpret, das er ihnen in übermütiger Laune zu beschaffen versprach. – Nun tut es ihm fast leid, den Frieden dieser herrlichen Landschaft gebrochen zu haben, und mit bedauerndem Blick gibt er dem alten Waldkönig den Fangstoß. – Dann aber trinkt sein durstiger Blick mit der Begeisterung der Jugend den Reiz der Landschaft, die ihn an seine verlassene Heimat erinnert. Und plötzlich weiß er es: hier will er seine neue Heimat gründen! Hier sollen seine Gesippen sich ansiedeln, und die Heideflächen sollen bald lachende Fluren werden mit braunen Furchen, aus denen fränkisches Korn zu erzgebirgischen Aehren reift.

So mag im 13. Jahrhundert das Dorf entstanden sein unweit des Singersteines, und Hermann, der junge, adlige Franke, gab ihm Namen und Flureinteilung. Vielleicht stand sein Gerichtshaus sogar als Burg auf der Felskuppe, damit er sein Völkchen besser überschauen konnte? Eine alte Urkunde von 1699 zeigt als Gerichtswappen einen springenden Stein- oder Ziegenbock; ob es gar ein falsch gezeichneter Rehbock war, den sich Hermann erkor als Hauswappen? – Heute ist eine große Aehre das Sinnbild des Dörfchens; möge es ihm immer ein gutes Zeichen sein!

Walthersdorf.

Aus dem Ortssiegel ist nichts zu erschließen, auch fehlen anscheinend ältere Urkunden. Das eine Wappen zeigt eine Verlegenheitsfigur: eine schleierschwingende Frauengestalt auf einer beflügelten Weltkugel. Wenn nicht die Zahl 1711 dabeistände, möchte man beinahe an eine Verherrlichung der Bahnlinie denken, die von Schlettau aus Walthersdorf „durcheilt“ und in Crottendorf schon aufhört, da ihr wegen dauernden Asthmas die Bergkletterei zu viel wird.

Wir gehen wohl nicht fehl in der Annahme, daß ein Siedlerbauer, vielleicht aus Chrodos Trupp, namens Walther (der Heereswalter) sich in der Aue angesiedelt hat und Landwirtschaft die erste Beschäftigung gab. Bergbau ist nur in geringem Maße getrieben worden und bestimmt nicht die Siedelungsursache.

Schwarzbach.

Eng drängen sich die Fichten zusammen und haben ihren Spaß daran, wenn das Bächlein schier vor Angst nicht aus noch ein weiß und sich zwischen Wurzeln und Fels durchzwängen muß. Kaum erhaschen die Forellen im klaren Wasser einen Sonnenstrahl, um sich zu bespiegeln im rotschuppigen Kleid. ’s sind halt „Schwarzbach“-Forellen, und die sind das dunkelfließende Wasser schon gewöhnt. – Nur die Menschen, die im fünfzehnten Jahrhundert hier einwanderten, mußten sich erst langsam dran gewöhnen, daß sie ihr Dorf am schwarzen Bach gebaut hatten und selbst nun die „Schwarzbacher“ hießen.

Was die Siedler hierhergetrieben haben mag? Bergbau in der Umgegend, Eisenhammerbetrieb oder die Kalksteinlager? Wir wissen’s nicht; wissen nur, daß die ersten Siedler schon Ficker, Kreutel und Schlegel geheißen haben und unsere heutigen „Schwarzbächer“ also waschechte Ureinwohner sind, wenn sie einen von diesen Namen tragen! —

(Fortsetzung folgt.)

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 26 – Sonntag, den 26. Juni 1927, S. 3