Der ehemalige Hausierhandel im Erzgebirge.

Zahlreiche Erzgebirger früherer Zeit wanderten in jedem Jahre monatelang gleich Zugvögeln in die Fremde, um dann wieder zur heimischen Scholle zurückzukehren, die ihnen als das schönste Erdenfleckchen erschien und darum über alles teuer war.

Die im Anschlusse an den erzgebirgischen Bergbau auf Eisen und andere Metalle betriebenen Gewerbe erzeugten eine mannigfaltige Menge von Gegenständen. Zahlreiche Bewohner fanden nicht nur unmittelbar beim Eisenbergbau, sondern auch in den Hammerwerken, Walz- und Drahtwerken, sowie bei der weiteren Bearbeitung des Eisens und Stahls zu Löffeln, Nägeln, Nadeln, Schneidewerkzeugen Beschäftigung und Brot. Neben den Waren aus verzinntem Blech wurden auch solche aus Schwarzblech gefertigt. Im Raschauer Grunde war die Nagelfabrikation ein Jahrhunderte alter Erwerbszweig.

Alle die genannten Erzeugnisse der Handarbeit unserer Erzgebirger wurden nun von zahlreichen Personen im Kleinhandel vertrieben. So bildete sich ein Wanderleben, das lange Zeit eine Eigentümlichkeit vieler Bewohner des Erzgebirges gewesen ist. Schon 1628 besuchten die Bockauer mit hölzernen und blechernen Waren die Jahrmärkte viele Meilen weit. Im 17. Jahrhundert führten die Händler auch Eisenwaren mit sich.

Die mit Blechwaren hausierenden Schönheider nannte man „Röhrenschieber“. Mit ihnen waren es auch Bärenwalder, Bernsbacher und Beierfelder, welche auf Schiebkarren oder kleinen selbstgezogenen Wagen die schwarzen Blech- und Eisenwaren von Ort zu Ort fuhren und so lange von ihrem Dorfe fortblieben, bis sie alles verkauft hatten.

Neben den Haarnadeln und anderen in das Nadlergewerbe einschlagenden, aus Stahl gefertigten Gegenständen lieferte Oberwiesenthal vor etwa 100 Jahren besonders auch Stecknadeln, zu denen der Messingdraht aus Rodewisch bezogen wurde.

Unter den von erzgebirgischen Hausierern geführten Waren sind auch Farben aus den obererzgebirgischen Blaufarbenwerken gewesen.

Als Landreisende können wir die Bergfertigen, alten oder kranken Bergleute bezeichnen, welche mit Nachbildungen von Berg- und Pochwerken umherzogen, um sie bei Jahrmärkten auf den Straßen, in Wirtsstuben oder in den Schulen zu zeigen und zu erklären.

Als der Bergbau erlag, wandte man sich vielfach anderer Beschäftigung zu. Zunächst bot der Wald mit seinem billigen Holze dazu Gelegenheit. Aus kleinen Anfängen entstand die Holzwarenindustrie. „Seiffner Waren“ nannte man die Schachteln, Nadelbüchsen, Knöpfe, Spindeln und dergleichen. Im Vogtlande nicht nur, auch im Erzgebirge und besonders im Amte Schwarzenberg fanden viele Bewohner durch Pechsieden und Rußbrennen Beschäftigung und Verdienst.

Die Rußbuttenmänner zogen Handel treibend im Lande umher. 1501 erhielt Wilhelm von Tettau durch den Kurfürsten Friedrich den Weisen die Belehnung über die Pechwälder der Herrschaft Schwarzenberg. In der Neuzeit ist das Pechsieden untersagt.

Wie die Rußbuttenmänner, so sind auch die Bernsbacher, Beierfelder, Neuhausener, Oberwiesenthaler und Wolkensteiner Händler mit Feuerschwamm verschwunden. Der aus Buchenschwämmen bereitete Feuerschwamm wurde nicht nur auf Messen und Jahrmärkten, sondern auch im Hausierhandel verkauft.

In Lauter bildet noch gegenwärtig die Korbflechterei einen hervorragenden Erwerbszweig. Nicht nur aus Weidenruten, auch aus Holzspänen und Wurzeln verfertigt man Körbe.

Besonders zahlreich waren die mit allerhand Arzneien, Oelen umherziehenden Händler. Ihre Absatzgebiete waren außer den sächsischen Erblanden die Ober- und Niederlausitz, Thüringen, Bayern, Mecklenburg, Polen, Schwaben, Schweden, selbst die Türkei. Ausgedehnt war besonders der Handel mit Schneeberger Schnupftabak. Der Hauptort seiner Herstellung war Bockau. Aus heilkräftigen Kräutern wurden allerhand Arzneien von den „Laboranten“ hergestellt. 1782 waren in Bockau 20 „Laboranten“ im Gange. Noch 1799 beschäftigten sich 41 Personen mit Herstellung von Arzneien oder dem Wurzel- und Kräuterhandel. Der Handel blühte besonders am Anfange unseres Jahrhunderts in Bockau, Eibenstock, Sosa, Jöhstadt, Jugel, Neudorf, Crottendorf, Johanngeorgenstadt, Hundshübel, Lauter, Schneeberg.

Von dem Boden und seinen Erzeugnissen unabhängig entstanden die Spitzenklöppelei, Posamenten- und Bürstenfabrikation. Auch diese Erwerbszweige waren auf die Hausierer angewiesen, welche die Waren an den Mann brachten.

Viele Hunderte zogen noch am Anfange unseres Jahrhunderts fast den größten Teil des Jahres mit Blechwaren, blauer Farbe, Schwefel, mit Spielzeug, Bändern und Spitzen, mit Schneeberger Schnupftabak, Pillen und Pflastern, Schönheider Pinseln und Bürsten umher. Aber zum Winter kehrten sie heim, wie die Strichvögel, und verzehrten, umnebelt von Dünsten des vaterländischen Bodens, von Hütten- und Hochofendampf und oft in verschneiter Heimat den sauer erworbenen Verdienst mit Weib und Kind.

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 25 – Sonntag, den 19. Juni 1927, S. 3