Aus der Sagenwelt des Erzgebirges.

Die Berggeister des Greifensteins beschenken den Wandersmann Jahn.

Ein Wanderer, namens Jahn, irrte bei Nacht einst in der Gegend des Greifensteines im Walde umher. Da trat ihm plötzlich eine zwerghafte Geistergestalt entgegen und winkte ihm, zu folgen. Nicht ohne Grauen folgte Jahn. Ueber Stock und Stein führte ihn der Zwerg, bis sie endlich an eine Höhle kamen, die sich, sobald sie eintraten, mächtig erweiterte und ein prachtvolles Aussehen gewann. Die Wände waren von Silber, die Tische und Stühle von Gold. Tausend kristallene Leuchter mit hohen Kerzen hingen am Gewölbe. Zwölf Männer in stattlichen Rittergewändern und mit langen Bärten saßen an einer langen Tafel und speisten. Der Zwerg lud den erstaunten Jahn ein, sich zu setzen und an dem Mahle teilzunehmen. Der Hunger besiegte die Schüchternheit – Jahn setzte sich und aß und trank von dem, was ihm der Zwerg bot. Die zwölf Männer schienen sich über ihn zu freuen und geboten dem Zwerge, ihm sein Ränzel zu füllen. Mit herzlichen Worten schied Jahn von seinen gastreichen Wirten. Der Zwerg führte ihn aus der Höhle, die, wie Jahn jetzt bemerkte, im Greifenstein war, und geleitete ihn auf die Straße, die nach Böhmen führt und auf welcher sich Jahn nicht mehr verirren konnte. Dann verschwand er. Als nun Jahn sein Ränzel umpackte, um zu sehen, womit ihn die freigebigen Geister beschenkt hatten, da fand er darin eine ziemliche Anzahl Barren gediegenen Goldes und Silbers. Voller Freude gelobte er, es gut anzuwenden. Er baute also in der Gegend des Freiwaldes bei Thum mehrere Häuser, welche er armen Leuten ohne Mietzins überließ, und tat auch sonst allerlei Gutes an Kranken und Armen. Später, als die Zahl jener Häuser sich vermehrte und ein ganzes Dorf daraus entstand, ward dasselbe zum Andenken an Jahn Jahnsbach genannt.

Der Gevattersmann vom Greifenstein.

Vor langer Zeit lebte in Geyer ein armer Häuer, mit Namen Hans Geißler, der war blutarm und hatte ein Weib und viele Kinder, und wußte sich oftmals keinen Bissen Brot zu verdienen. Am größten aber war seine Not am Silvesterabende, als die Niederkunft seines Weibes auf wenig Stunden nahe war und er weder eine warme Stube, noch sonst eine Erquickung, ja nicht einmal eine Wehemutter für sie hatte. Er eilte hinaus, eine erfahrene Muhme in Günsdorf zu holen, verirrte sich aber bei dem großen Schneegestöber und kam, durch tiefe Wehen sich mühsam durcharbeitend, zuletzt an die Felschenschichten des Greifensteins. Erschrocken wollte er umkehren, als der Berggeist ihm erschien und mit freundlichem Blick ihn also ansprach: „Eile, glücklicher Vater! Gott hat Dein Weib mit drei holden Knäblein gesegnet! Wenn Du nichts dawider hast, will ich Dein Gevatter sein!“ Da verließ Hansen die Furcht, und er antwortete:“ In Gottes Namen magst Du mein Gevatter sein, aber wie tue ich Dir die Stunde der Taufe kund?“ Wie nun der Berggeist lächelnd sagte, daß er ohne dem kommen würde zu rechter Zeit, da verließ sich Hans darauf und eilte heim. Sein Weib hatte ihm drei holde Knäblein geboren.

Am andern Tage, als alles zur Taufe bereit war, da ließ auch der Gevattersmann von Greifenstein nicht auf sich warten. Er erschien in Häuerkleidung und übte das fromme Werk mit großer Andacht. Als die heilige Handlung vorüber war, da schenkte er Hansen einen Schlägel und ein Eisen und sprach: „Lieber Gevatter, bete und arbeite! Wo Du mit diesem Gezäh einschlägst, da wirst Du reiche Ausbeute finden, und dann denke allemal an Gott und Deinen Gevattersmann.“ Darauf verschwand er. Seine Worte trafen ein. Hans ward ein reicher Mann und soll die Siebenhöfe bei Geyer gebaut haben.

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 39 – Sonntag, den 9. Oktober 1927, S. 3