Die Augustusburg als Reichsehrenmal?

Im „Glückauf!“ finden wir diesen prächtigen Aufruf Dr. Kurt Schüppels:

Wie grüßest du von deinen steilen Felsen weit hinaus ins deutsche Land, Augustusburg!
Wie beherrschen deine hohen Zinnen, deine festen Mauern die stromdurchzogenen Täler, die waldbedeckten Höhen, Augustusburg!
Du stehst wie eine Königin auf deiner schroffen Höhe, und königlicher Geist erbaute dich einst vor vielen hundert Jahren, Augustusburg!
Kurfürstlichem Geweid und ritterlichem Turnier warst du einst gewidmet. Zu Höherem will dich heute dein Volk berufen, Augustusburg!

Unser Bild zeigt nach einer Federzeichnung v. Ludwig Richter die weit im Sachsenland sichtbare Augustusburg, die in diesen Tagen vom Reichskunstwart Dr. Redslob auf ihre Geeignetheit hin besichtigt wurde.

Wir im Erzgebirge, an der Grenzwacht, wir kennen sie alle: die schöne Augustusburg. Wir Sachsen, die wir in ihrem Bannkreis leben, wir kennen ihren Zauber und hängen an ihr in treuer Heimatliebe. Und wenn es jetzt gilt, für des Reiches schwerste Zeit, für des Reiches blutigsten Krieg ein dauerndes Ehrenmal des ganzen deutschen Volkes zu errichten, so kann kein besserer, kein schönerer, kein würdigerer Ort gefunden werden, als die Augustusburg als Reichsehrenmal.

In der Tat vermag die Augustusburg aber nicht nur ein Ehrenmal, wie man es sich schöner und eindrucksvoller nicht denken könnte, zu sein. Das kurfürstliche Jagdschloß war mitten hineingestellt in die stillen, dunklen Tannenwälder des Erzgebirges, und noch heute reicht dichter, starkstämmiger und alter Waldbestand bis an die Augustusburg heran. In diesem ausgedehnten Forst befindet sich unweit unterhalb der Burg in stillster Abgeschiedenheit von allem Lärm der Welt eine aufgelockerte Anpflanzung, die im Volksmunde von jeher den Namen des „heiligen Hains“ geführt hat. Hier einen Ehrenhain zu schaffen, würde die glücklichste Verbindung der beiden großen Gedanken des „Ehrenmals“ und des „Ehrenhains“ darstellen. Schwer dürfte in deutschen Landen ein zweiter Ort gefunden werden, der so geeignet ist, Ehrenmal und Ehrenhain an einer Stätte zu vereinen, wie die Augustusburg. Es muß auch einmal hervorgehoben werden, daß der Gedanke eines Ehrenhaines allein nicht als glücklich angesehen werden kann. Der Ehrenhain soll eine Stätte stillen und trauernden Gedenkens sein. Diese Stätte aber würde zu einem Orte zahlreicher Zusammenkünfte werden, sie würde ihrer weihevollen Stille oft verlustig gehen, wenn all die tausende von Versammlungen und Gedenkfeiern, die alljährlich an solcher Stätte abgehalten werden würden, nur den Ehrenhain zum Versammlungsort haben könnten. Hier bietet nun die Augustusburg den besten Ausweg. Die Augustusburg als Reichsehrenmal ist geeignet, zu jeder Jahreszeit und bei jeder Witterung tausende von Menschen in ihren Mauern aufzunehmen. In ihren Höfen, in ihren Sälen, in ihrer Kirche sind die geräumigsten und würdigsten Versammlungsstätten gegeben. Die feierliche Stille des unterhalb der Burg in genügender Entfernung von allem Verkehr liegenden Ehrenhains würde dann durch keine Versammlung, durch keinen Lärm gestört werden. Der heilige Hain könnte ganz der Andacht und Versenkung geweiht bleiben, während am Ehrenmal selbst, auf der Augustusburg, die machtvollen Gedenkfeiern und Kundgebungen abgehalten werden könnten.

Es dünkt uns die Vereinigung von Ehrenmal und Ehrenhain auf der Augustusburg eine ganz besonders glückliche Lösung einer vielumstrittenen Frage.

Unser Ruf dringe in alle Herzen. Dann wird einst unser Bild von der Augustusburg, welches Meister Ludwig Richter seinem deutschen Volke gezeichnet hat, ein teures Wahrzeichen sein, dann wird die Augustusburg neben der Wartburg, dem Niederwald-, dem Hermannsdenkmal, neben dem Kyffhäuser- und dem Völkerschlachtdenkmal dem deutschen Volke ein Heiligtum sein für alle Zeit: die Augustusburg als Reichsehrenmal und Ehrenhain!

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 18 – Sonntag, den 2. Mai 1926, S. 1