Vom Leben und Wirken M. Christian Melzers (3)

Von Stud.-Rat A. Schuster, Annaberg.

(2. Fortsetzung.)

Groß war daher die Freude, als am 26. Juli 1702 der Pfarrer „von Gott einen anderweiten Ehesegen und zwar anstatt des verstorbenen Töchterleins ein anderes namens Catharina Christiana“ erlangte.

Nach Aufzählung der Taufpaten schließt dieser Eintrag „Gott erhalte das liebe Kind in seiner Gnade und lasse es leben zu unserem Troste und christlicher Freude und Jesu willen. Amen.“ Die nüchterne aktenmäßige Buchung eines Geburts- oder Sterbefalls gab es damals — zum Glück für uns — noch nicht.

Weitere Geburten werden gemeldet am

  • 21. Aug. 1704 eine Tochter Catharina Sophia
  • 6. Nov. 1706 eine Tochter Catharina Elisabeth
  • 5. Jan. 1709 eine Tochter Catharina Johanna
  • 25. Mai 1712 eine Tochter Catharina Konkordia
  • 26. März 1715 eine Tochter Catharina Charlotte.

Von der fünften Tochter an meldet der Pfarrer das Ereignis ohne besonderen Zusatz, durchaus amtlich, aber am 13. März 1717 schreibt der nun Einundsechzigjährige ins Taufbuch:

„Ich, M. Christian Melzer, muß die heilige Regierung Gottes preisen, daß, nachdem ich vorhero mit meiner lieben Ehefrauen … sieben Töchter nach einander gezeuget, nun zur achten Geburt einen lieben Sohn erblicket, welcher den 13. März, hora autem VI, quae mea nativitatis hora fuit (um die 6. Stunde, die auch meine Geburtsstunde war) gesund gebohren, den 16. Martii aber wieder gebohren und in der Hl. Taufe Carl Christian genennet worden …“

— Paten sind Berghauptmann u. Kgl. Rat v. Tettau auf Heidenau und Mügeln, Daniel Walther, Accis-Inspektor, und Barbara Rubner, geb. Gensel. —

Was aus dem Sohne geworden ist, ist mir unbekannt. Die dritte Tochter heiratete 1726 den Kaufmann Joh. Aug. Hennig, der erst studierte und dann den Spitzenhandel betrieb. Die zweite Tochter Christiane war vermählt mit Joh. Christ. Spindler, Philosophiae Magister, später Schulrektor in Buchholz, von 1728 an Pfarrer in Sehma und Cunersdorf, nach Melzers Tode aber Pfarrer in Buchholz. Bis 1733 hatten sie fünf Kinder. Eine Gedenktafel an der Außenseite der Buchholzer Kirche besagt, daß sieben Kinder dieser ehe vor den Eltern gestorben sind. Der Großvater hat dieses Herzeleid nicht miterlebt, er starb am 12. April 1733, 77 ½ Jahre alt, bis zuletzt noch im Amte und anscheinend noch rüstig. Noch am 4. April trug er eigenhändig einen Sterbefall ein. Die Predigt hielt ihm Sup. Hoffmann über Jerem. 1, 5, welchen Text M. selbst erkieset hatte: Ich abér sprach: Ach Herr, Herr, ich tauge nicht zu predigen, denn ich bin zu jung.

Dieses Wort, das der greise Pfarrer sich selbst gewünscht hatte, erinnert an Sokrates, der in seiner Bescheidenheit sagte: „Ich weiß, daß ich nichts weiß“ und in seinem rastlosen Eifer das Wort prägte: „Ich werde alt und lerne immer aufs neue.“ Der hochverdiente Pfarrer und Chronist hat sich damit trefflich gekennzeichnet.

Von der seelsorgerischen Tätigkeit des treuen Pfarrers kann ich nichts berichten, er klagt über Mangel an Zeit und über die Ungenauigkeit mancher Einträge. Und wenn man nach der fahrigen großen Schrift Oehms die kleinen, aber kräftigen und deutlichen Buchstaben Melzers sieht, so kann man gewiß an seine Genauigkeit und sichere Ruhe glauben, die ihn befähigte, so ungeheure Forschungen auf geschichtlichem Gebiete mit seiner Amtstätigkeit zu vereinen. Gewiß läßt sich auch bei ihm nachweisen, wie das rasche Urteil der Jugend in das mild verstehende des Alters sich wandelt. Als er in seiner Buchholzer Chronik 10) von einem Selbstmörder erzählt, den man 1649 wie einen Ehrlosen draußen am Felsen begraben ließ, sagt er, man habe offenbar nicht beachtet, daß dieser Mann an Melancholie gelitten, somit nach damaliger Auffassung einen Platz auf dem Gottesacker verdient habe. So wird ein Mann, der „seine Anfechtung nicht überwinden kann“ und in den Teich springt, in sein Begräbnis gebracht, und wie teilnehmend klingt, was er zum Jahre 1731 erzählt:

Am 2. April hat zu Drebach ein Spitzen- und Zwirnhändler, ein feiner gelehrter Mann, der über dem Absterben seines andern (zweiten) Weibes, einer Sechswöchnerin, die ihm das Kind gelassen, sich so sehr entsetzet, daß er nie wieder fröhlich worden. Und da er vorhero die geistreichen Lieder gesungen: Befiehl du deine Wege, item: Wer weiß, wie nahe mir mein Ende, ist er in seiner Betrübnis und Ueberdruß seines Lebens also hinausgegangen, daß er im Holtz seines Guths sein Leben mit einem Strick geendet, da er sonst seine Mittel verlassen. Ich erinnere mich dabei eines gleichen Trauerfalles, da ein solcher Trauergeist einen frommen und ansehnlichen Mann auf solche Bahn gebracht, deswegen sein gelehrter Sohn (S. Rodigast) zu seinem Troste das schöne Lied gemacht: „Was Gott thut, das ist wohlgethan, es bleibt gerecht sein Wille“.

Ruhig und sachlich ist auch sein Urteil über religiöse Irrlehren, über den Kryptokalvinismus und die Pietisterei seiner Zeit.

In der Jugendzeit ist jedenfalls sein Ausdruck und seine Anschauung eine andere gewesen als später. Das wird sich bei Betrachtung seiner Werke ergeben. Von Jugend auf hat ihn anscheinend das Leben und Treiben in den Bergstädten gefesselt und angeregt, als Wolkensteiner wuchs er in der Nähe alter Schächte und Stollen auf, als Schüler lernte er Freiberg kennen und so schrieb er als Student in lateinischer Sprache eine Disputativ de Hermundurorum metallurgia argentaria, die nach Ansicht eines Verlegers sich für den Druck eignete und 1690 eine zweite Auflage erlebte. In einer bergbaufreudigen Zeit bot diese lateinische Abhandlung dem Unkundigen einen guten Einblick in die Welt und Sprache des Bergmanns.

Über seine Bergmannssprache kann man vielleicht nach folgender Probe aus der deutschen Einleitung zu seiner Disputation urteilen: er will ausdrücken, daß er sich beim Rektor an der Universität als Student der Philosophie meldete und einschreiben ließ und an seine Arbeit ging. Das klingt so:

„Da ich mein Alter zu erhalten bey dem Herrn Bergkmeister einen Muthzettel einlegete / auch ohne Erlängung desselben und freyschürffens schon den Gang / welcher sich in der Sicherung gar fein bewiese / und einen schönen Barth setzte / entblösete; / ließ ich mir stracks die Fundgrube mit dem Nahmen Sophie (Philosophie) ins Bergbuch eintragen / und bestätigen / hoffende / es würde sich der Gang schon in frömmer Ertz verwandeln / und etwa noch die Kosten hauen lassen: Dannenhero versuchte ich erst recht mein Heil / ich satzte Haspel uff / warff Kübel und Seil ein / sanckte den Tag-Schacht in Eile ab / brachte ihn in die Gämbs / trug Gevier auff / legete Jöcher und Kappen / verschosse sie mit Pfeilen / satzte Wandruthen und Wehrstempel / und zimmerte ihn also zu Tage aus.“

Man sieht, wie sehr Melzer mit allen Gedanken an dem Bergbau hängt. Er hatte schon 1672 als Siebzehnjähriger — nach Köhlers Angabe — eine Schrift über den Bergbau veröffentlicht, die seine Sorge um diesen absterbenden Nahrungszweig des Gebirges verrät. Diese Schrift erlebte 1685 und 1741 neue Auflagen, und hat den Titel: Gangraena metallica in Hermundurius oder historisch-politischer Bericht vom Abfall der Meißnisch-Sächsischen Bergwerke.“

Melzer übersetzt Gangraena metallica mit „Krebskrankheit des Bergbaus“ und sucht nachzuweisen, daß die Engherzigkeit der Kuxinhaber, die keine Zubuße zahlen wollen, und die Leichtfertigkeit mancher Bergleute, die sich um des Fördern edlen Erzes nicht genug bemühen, den Rückgang des Bergwerks verschuldet haben. Merkwürdig sind uns freilich manche Anschauungen, die fast als Aberglauben erscheinen und doch heute noch nicht überwunden sind. So schreibt er zunächst als Christ: 11)

„Daß das Glück, es sey nun günstig oder widerwärtig, der göttlichen Providentz Vorsorge und Disposition sey, das ist bey Christen schon zur Genüge ausgemacht, und dahero dieses Orts zu praesupponieren (vorauszusetzen)“.

(Fortsetzung folgt.)

10) II, 1649

11) Cap. II, 1

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 13 – Sonntag, den 25. März 1928, S. 2