Guido Wolf Günther.
(Fortsetzung.)
Wiesa mit Wiesenbad.
Wenn wir als Wandervögel durch die „Wies“ zogen, sangen wir fürs Leben gern das „Aennchen von Tharau“. Und warum? Weil es da heißt: „- recht wie ein Palmbaum über sich steigt“, und das war uns grünen Knaben – ich meine natürlich wegen der Mützen – ein köstlicher Spaß, alldieweilen Wiesa eine stolze Palme im Wappen führt! Wo aber das edle Gewächs finden? –
Wie das Dörfel zu dem morgenländischen Siegelbild gekommen ist, läßt sich nicht mehr nachweisen. Ob es das Wappen einer der eingesessenen Adligen gewesen ist, der es von einem kreuzfahrenden Ahnen überkommen und seinem Geschlechte angeeignet hat? – Jedenfalls zeigt die Siegelsammlung unseres Staatsarchives in Dresden den Palmenbaum, und deshalb führt die Gemeinde auch wieder (seit 1. Januar 1915) ihre Palme im Gemeindewappen. – Uns geht mehr an, wie der Name entstanden sein mag. Vor mir liegt eine stockfleckige, alte Chronik vom Jugendlehrer Gottfried Seifert. Was sie uns zu melden weiß von Wiesa und Wiesenbad, ist folgendes: Wenn die Bergleute von Geyersdorf nach Geyer zur Kirche gingen, benützten sie gerne den Weg über die „Wiesen“, weil die Waldwege von Raubtieren unsicher gemacht wurden. Häuser mögen aber schon nach 1300 hier gestanden haben, denn bereits 1381 wird ein Ritter Heinrich von der Wiese urkundlich als Besitzer Schönfelds erwähnt. Unsere Chronik nennt eine Familie Friedrich von 1478 – 1575 als Besitzer des Rittergutes Wiesa. – Größer geworden ist Wiesa dann wohl durch den Bergbau; verfallene Zechen und Halden künden davon, und die Gutsmühle soll die Schmelzhütte gewesen sein. Der „große Riß“ (Zeche) und der alte „Häuersteig“ (nach dem Plattenwalde zu) geben der Vermutung ebenfalls recht. – Im Jahre 1807, aus dem die Chronik stammt, zählte Wiesa 38 Groß- und gegen 90 Kleinbesitzer; Riesenburg (Adam Riese!) und Weißgut nebst Feldern am „Humpel“ grenzen an Annabergs Flur. –
„Das Wiesenbad liegt vom Dorfe Wiesa ½ Stunde abwärts gegen Morgen in einem luftigen Grunde, auf zweien Seiten mit Gehölz umgeben, so den Namen Rosenaue führt“. Als heilende Beimischungen soll das Bad führen Alaun, Kupfer und Schwefel, „doch hat der Alaun das Uebergewicht, weil er den Badenden die Haut aufzieht und manchen roten Flecken verursacht“. Gegen Gicht, Krämpfe und Aussatz angewendet, soll es stets helfen. Ein armer Mann, der sich seine Schenkel im warmen Quell wusch, um die Gicht zu vertreiben, war der Entdecker, und Hans Friedrich ließ 1501 den Brunnen viereckig einfassen und ein Badehaus, 60 Schuh lang und 40 Schuh breit, zuerst aufrichten. 1602 baute die „churfürstl. Frau Witwe Sophia das Fürstenhaus, 3 Stockwerke hoch, so aus 5 großen Stuben und mehreren Kammern besteht -„. Ende desselben Jahrhunderts ließ Friedrich von Schönberg weiträumigere Anlagen bauen. Ehemals hat auch eine Kapelle, dem St. Jobs geweiht, in Wiesenbad gestanden; sogar eine Silbermann’sche Orgel hat dieses Kirchlein besessen, die aber „vor ohngefähr 50 Jahren abhanden gekommen“ ist. Auch die Kapelle ist verschwunden, und wir können heute nicht einmal mehr mit Gewißheit sagen, wo sie gestanden hat. –
Oberwiesenthal.
Breitflächig zieht sich des Fichtelberges weißleuchtender Hang herab zu des Tales schützender Niederung. Behäbig dehnen sich Fichtelberg und Keilberg, die ungeschlachten Bergbrüder im Bette des Gebirges. In froher Winterlaune stülpten sie ein glitzerndes Barett auf das fichtenbekrönte Haupt, und weißer Hermelin fließt auch von ihren Schultern herab weit ins anschmiegende Land hinein. Und just dort, wo Fichtel- und Keilberg das kleinere Brüderle führen zwischen sich, hat sich auf wenig geschützter Anlehne ein Städtlein hingewagt: Oberwiesenthal. Die beiden Schwestern aus dem Jungferngrund drüben haben sich baß verwundert, als die geschäftibgen Menschlein so in 900 Meter Höhe Häuslein an Häuslein setzten und schließlich gar ein Kirchturm ernsthaft in den so nahe scheinenden Himmel wies. Aber es muß doch zu leben sein im höchstgelegenen Städtel! Wenn auch Schnee und Eis den Häusern bleiche Gesicher und den Menschen rote Backen und – blaue Nasen malen. Nur der Berg hat unwillig sein Haupt geschüttelt, daß feiner Schneestaub wie ein Flimmerregen die auf der Elfenwiese sich tummelnden Jungfern verscheuchte um die Neumondnacht: daß das Gezwerg von Menschlein es wagte, ihm mitten aufs Haupt eine Herberge zu setzen! Als ob so ein alter Bergknabe Lust hätte, sich am Gewimmel rodelnder und schneeschuhfahrender Menschenkinder zu freuen! Doch allgemach hat er sich dreingefunden; ihm tun die bleichen Städter leid, die für teueres Geld sich wenige Stunden Winterschönheit und Lungenfrische erkaufen müssen. So streckt er sich versöhnt im Wintersonnenschein und duldet das vielfarbige Krabbel auf seinem mächtigen Leib, wie ein großer Bernhardinerhund es nicht wehrt, wenn vorwitzige Küchlein sein Fell zausen. Nur wenn die Menschen, statt die Glieder zu stählen, sich bequemlich im Auto oder gar mit der Bergbahn kutschieren lassen, möchte der alte Brummbär sich recken und strecken, daß die Menschlein durcheinanderpurzeln wie Seiffener Spielzeugkram. Doch er muß stillehalten; weiß er doch, daß sein Städtlein da unten nicht leben kann ohne dies Wimmeln und Krabbeln. Zu karg sind die Gaben seiner Hänge im Sommer, zu wenig für das Völklein der Oberwiesenthaler. Wenn im Niederlande der Bauer, froh seiner wohlgefüllten Scheuern, den Winter empfangen kann, muß derselbe Winter erst hier oben Ernte bringen besonderer Art. Drum, wenn wir Oberwiesenthal in unserer Heimat Bilderbuch schauen, dann sehen wir es im weißen Gewand des königlichen Hermelins, und die Häuslein sind die schwarzen Tupfen drin. –
Das Herz im Leibe hat den schlichten Bergleuten gelacht, als sie im Jahre 1527 am Fuße des Fichtelberges sich ansiedelten des Bergbaues wegen: was wuchs doch für feines, duftiges Gras dort! So recht das Futter für „Bergmannskühe“, wie man gern die Ziegen nannte. Wenn auch der Hafer- und Kartoffelanbau kaum die Mühe lohnte, so gab es doch duftendes Heu in Fülle einzuheimsen im oberen Wiesenthal, das neben den bescheidenen Bergmannshütten noch genug Platz bot zur Weide. – Im Wappen aber halten zwei Bergleute einen Schild, auf dem 1535er Wappen vierfach gefeldert, auf dem neuen Ortssiegel von 1921 (seit der Vereinigung mit Unterwiesenthal) nur zweistreifig gegliedert. – Und heute möchten Drahtseilkutsche und Rodelschlitten im Wappen stehen und ein paar fesche Schi-Sportlerinnen könnten das Wappen halten. Wie wäre es damit? —
In finsteren Glaubenseifer führt uns die Gründung Hammer-Unterwiesenthals: um ihres evangelischen Glaubens willen vertrieben, baten Flüchtlinge aus Stolzenhain, Joachimsthal, Schlackenwerth und Böhmisch-Wiesenthal den Kurfürsten Johann Georg I. von Sachsen, sich bei Oberwiesenthal ansiedeln zu dürfen. So entsteht 1657 im Zusammenhange mit einem Hammerwerk die neue Siedlung, die sich bald an Unterwiesenthal anschließt.
Geyersdorf.
Spitz klüften Felsklippen in die Luft, die unermeßlich weit blaut. In stolzer Kraft thront ein Geyervogel, der eigentlich einen Adler vorstellt, auf dem Gipfel! Das ist das Wappen Geyersdorfs, „nur“ 500 km von der Heimat seines Wappenvogels entfernt. Und wenn schließlich gar das Geyersdorf früher ein „Häuersdorf“ war, wie alte Chroniken behaupten, dann bleibt vom schönen Wappenvogel nicht viel Geschichtliches übrig! –
1397 ist Geyersdorf gegründet worden; angeblich von Bergleuten, die in Geyer nicht mehr genug Verdienst fanden und die Nähe des Schreckenberges suchten, der reicheren Gewinn versprach. Da aber Annabergs Bergbau etwa hundert Jahre später erst aufblühte, besteht hier offenbar ein im Volke ohne viel Kopfzerbrechen forterzählter Irrtum. Darüber, ob in oder bei Geyersdorf vielleicht auf Eisen oder Zinn gebaut wurde, oder ob es sich um eine landbauliche Gründung etwa von Mildenau herüber handelt, läßt sich einwandfrei nichts ermitteln, und der stolze Adler-Geyer steht eigentlich auf recht schwachen Füßen.
Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 23 – Sonntag, den 5. Juni 1927, S. 2