Mein Gruß an Teplitz.

Aus Anlaß des vom „Buchholzer Männerchor“ der „Teplitzer Liedertafel“ abgestatteten Besuches.

Der Schnellzug rast durch deutsch-böhmisch Land,
Der Sänger Augen trinken Wonne
am satten Grün gesegneter Fluren.
Die letzten Strahlen der müden Sonne
malen des Borschen zackigem Rand
von flüssigem Silber scharfe Konturen.
Und in des Abendhimmels Blau
reckt sich der Riese von Boreslau.

Die Freude aber ist über die Maßen,
da drüben der Schloßberg freundlich uns winkt
und von Teplitz der erste Lichterschein blinkt.
Und schon steht der Zug. Von Fremden umringt
eilen wir durch die belebten Straßen.

Nun habe ich dich wieder, du einzige Stadt!
Ich grüße dich, wie man den Freund begrüßt,
den liebend der Mensch in die Arme schließt!
Ich grüße dich, köstlicher Quell in der Tiefe,
der rastlos quillt mit Naturgewalt
empor aus dem klaffenden Porphyrspalt!
Du rufst die leidende Menschheit herbei
und fragst nicht nach Glauben, nach Volk und Partei;
du geizest nicht nach eitlem Ruhm,
du lehrst uns das wahre Menschentum:
Kraft entfalten – doch niemand knechten!
Segen spenden – aber niemand entrechten!

Und ich grüß euch, ihr Träger deutscher Kultur:
Gelehrte, Künstler und schaffende Stände!
An des ringenden Deutschtums Schicksalsuhr
seid ihr zeigerrückende Hände.

Doch den schönsten Gruß ruf ich in eure Reih’n,
euch, Freunden, soll er gewidmet sein:
Grüß Gott euch – die ihr mit deutschem Lied streitet,
Grüß Gott euch – die ihr am deutschen Liede leidet!
Noch will es uns hell in den Ohren klingen,
als wir vor Monden euch hörten singen
da drüben an des Reiches Mark.
Wie schient ihr uns groß und reich und stark!
Und der Mensch schlich sich ins Herz hinein:
Das sollten unsre Freunde sein!
Und ein gütig Schicksal hat über Nacht
euch zu uns’ren Freunden und Brüdern gemacht.

Grüß Gott! Da ist die Bruderhand,
die wir zu festem Drucke euch bieten.
Grüß Gott! Wir wollen ein Freundschaftsband
aus edelstem Metall uns schmieden.
Ein unstillbares Sehnen glüht
in uns zu dieser Feierstunde:
Hilf, deutsches Lied, daß unser Volk gesunde,
Kraft gibt dem Willen und Sonne dem Gemüt!

Buchholz i. Sa., September 1926.  
Oberlehrer Max Rothe.

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 40 – Sonntag, den 3. Oktober 1926, S. 3