Gottesgab und der Toler Hans Tonel.

Das Bild unserer heutigen Heimatblatt-Beilage führt uns hinauf auf den Kamm unseres Erzgebirges und läßt uns von der Grenze aus einen Blick hinein ins böhmische Land tun. Der Sonne Gold verklärt ein uns bekanntes liebes Heimatbild: „Gottesgab“, altes, liebes, liederfrohes Gebirgsstädtchen – wer dich kennt, der weiß, wieviel Sonnenglück in deinen Winkeln und Gassen webt, auch wenn man dich überall in der Fremde die höchstgelegene Stadt Mitteleuropas nennt und wenn man dich tausendmal als einen rauhen Gebirgsflecken im Hochmoor bezeichnet, in dem selbst Hafer- und Kartoffelbau häufig unmöglich wird. Gewiß, das wissen wir schon, wenn wir zu dir kommen, bei dir da oben pfeift uns ein kalter Wind um die Ohren und unser Anton Günther singt von dir in seinem Lied ganz mit Recht: Da Gutsgoh is doch üwerol – In Arzgebirch bekannt, – Weil dort da größtn Keltn sei, – Wie nirgnst in ganzn Land. – On wenn aaner da Nos drfriert – Do socht mr dort halt aa: – Es kömmt nischt üwer dr Gemütlichkeit. – Hmtiteratataa. – Es kömmt nischt üwer dr Gemütlichkeit. Hmtiteratataa. Da haben wirs schon, was das rauhe Gotesgab trotz alledem so sonnig und so warm macht – die Gemütlichkeit. Die echte erzgebirgische Gemütlichkeit, die sich in dem Grenzflecken am Fuße unseres Fichtelberges allüberall vorfindet.

Verbrüderungsturm bei Gottesgab.

Sehr viele Einwohner zählt Gottesgab nicht, etwa 2000 hat man gezählt – aber das Gottesgaber Völkchen hat seine Eigenart. Ueberall singt und klingt es aus den Hütten und Häusern, in denen die Frauen und Mädchen ihren Unterhalt mit Weißnähen, Spitzenklöppeln, Handschuhnähen bestreiten. Und die Männer – ja die „Gutsgoher Mannsleit“, von denen weiß man eigentlich gar nicht viel zu sagen. Ob sie meistens auf den Handel gehen, oder ob sie auswärts Arbeit finden? – Wahrscheinlich gibts in Gottesgab gar nicht sehr viel „Mannsleit“, denn Anton Günther singt weiter in seinem Liedel: In Gutsgoh, do sei schüna Maad, – Dos muß a jeder sogn, – War sich dort ubn verheiern will, – Dar därf när aana frogn. – Doch sei sa halt es ganze Gahr – A su a motterlaa, – Wenn halt noch a bar meh Bossn wärn. – Hmtieratataa. Aber die erzgebirgischen „Mäd“ und „Bossn“ finden sich, wie überall, so auch in Gottesgab wieder zusammen. Anton Günther schreibt ja von sich selbst in seiner Biographie – nicht nur „Wie er zu seinen Liedern kam“, sondern er schreibt uns auch „Wie er zu seinem Weibel kam“. Es heißt da: Wen ich suchte, fand ich in der Heimat. Ein braves Weib, so recht nach meiner Art, denn in einem meiner Lieder heißt es: „Deitsch muß mei Madl sei nooch meiner Art.“ Ich brachte es mit der Zeit so weit, daß ich mir selbst ein Häuschen kaufen konnte, das mein Schwiegervater, der Zimmermeister Zettl ausbaute. Und nun ist es in dem Häuschen lebendig geworden. Zwei muntere Kinder, Erwin und Marie, tummeln herum und freuen sich ihres Lebens. Und noch etwas wohnt in dem Häuschen: Die Zufriedenheit, ohne die ja das Leben einem Baum gleicht, dessen Kern krank und morsch ist. Alles, was ich meinen Angehörigen Gutes getan habe, hat sich in Segen verwandelt. Heute noch gehe ich gerne ins alte Elternhäusl hutzn und nehme Anteil an Allem. Heute noch sitzt die alte Großmutter im neunzigsten Lebensjahre am Klöppelsack und erzählt uns aus alter Zeit. Fünf Jahre sind es wohl her, als das Lied entstand „Mei Großmütterla“ und, wie es scheint, hat es auch geholfen. Sie wird von uns allen verehrt, sozusagen wie eine Heilige betrachtet. – Ueberall klingt also in Gottesgab das Hohe Lied der Frauen. Und wahrlich, vom „gunge Maadel“ bis „zun Großmütterla“ hat Anton Günther uns Gottesgab in seinen Liedern verherrlicht, so daß das Grenzstädtchen im ganzen Land bekannt geworden ist und von Touristen und Fremden, die durch unsere Berge ziehen, stets gern aufgesucht wird. Ist Gottesgab ein liederfrohes Städtchen und rühmt man seine „Weibsleut“, so ist es doch nur folgerichtig, daß auch der „Gutsgoher Wein“ sein Lob verdient, denn Wein, Weib und Gesang gehören nun mal zusammen und wir wollen mit Anton Günther unsere Betrachtung über Gottesgab schließen: Viel Fremda komma ze ons do rauf, – Do griecht mr gutn Wei, – Da Musik spielt a Liedl auf, – Drem is halt gar su fei. – Dr Wei, dar schmeckt on trinkt sich gut, – Doch därf mrsch net versah, – Denn wenn r nauf in Nischl steicht, giehts – Hmtiteratataa.

S.

Erzgebirgische Heimatblätter Nr. 44 – Sonntag, den 13. November 1927, S. 1